Branche Nonstop Content: Warum Coca-Cola und Daimler so gerne wie Medien arbeiten wollen

Es kommt eher selten vor, dass von Österreich der Impuls für eine Diskussion in der Kommunikationsbranche in Deutschland ausgeht. Johannes Vetter, Kommunikationschef des Öl- und Gaskonzerns OMV, hat mit seinem Gastbeitrag "Content-Marketing hat uns der Teifl gebracht" in der Tageszeitung „Der Standard“ auch hierzulande ein Thema gesetzt. Auf dem „European Newspaper Congress“ in Wien wurde das Thema erneut aufgegriffen.

Seine These sorgt für Diskussionen: Johannes Vetter, Kommunikationschef des Öl- und Gaskonzerns OMV. Fotos ©: Medienfachverlag Oberauer / APA-Fotoservice / Schedl

Zwar wollte Vetter seine These, dass Content-Marketing eine Gefahr für Journalismus darstelle, nicht weiter ausführen. Doch dazu, den Themenblock „Wenn Unternehmen selbst zu Medienhäusern werden“ ins Programm aufzunehmen, dürfte er die Organisatoren inspiriert haben.

Unternehmen produzieren journalistisch aussehende Inhalte

Vetter liefert in seinem Artikel für „Der Standard“ eine Bestandsaufnahme, die unbestritten ist: Unternehmen werden mit ihren Newsrooms immer mehr zu Produzenten journalistisch aussehender Inhalte, die sie dann über ihre verschiedenen Kanäle auch mit den Redaktionen teilen. Werden dadurch klassische Medien obsolet? Die Antwort gibt Vetter nicht. Wenn Journalisten die Informationen der Unternehmen aufgreifen, dann deshalb, weil der Content einen Mehrwert bietet. „Am Ende muss auf allen unseren Inhalten ein journalistischer Qualitätsstempel drauf sein“, brachte Jörg Quoos, Leiter der „Funke“-Zentralredaktion, die Aufgabe der Medien in einem „PR-Journal“-Interview vor kurzem auf den Punkt.

Auf dem European Newspaper Congress 2017 präsentierten sich mit Coca-Cola und Daimler zwei Weltkonzerne, bei denen die Unternehmenskommunikation tatsächlich medienähnliche Tendenzen erreicht hat oder künftig (Daimler) erreichen soll. Insbesondere Coca-Cola betreibt mit „Journey“ ein Online-Magazin, das unterteilt in Kategorien wie Entertainment, Happiness, Sport und Gesellschaft vermengt mit Corporate-Rubriken wie Marken und Unternehmen eine enorme Masse an unterschiedlichsten Inhalten bietet.

„Journey“ hat die klassische Unternehmenswebseite ersetzt

Kammerer Patrick ComChef Coca ColaInterviews mit Stars wie Boris Becker oder Lena Meyer-Landrut stehen neben Tipps zum Öffnen einer Coke und Artikeln über die Wichtigkeit von Spielplätzen. Dazu gibt es Berichte zu Marketingaktionen und Karriereoptionen. Mit Coke TV betreibt Coca-Cola ein Video-Format, das mehr oder wenigen lustigen Schabernack zum Inhalt hat, den zigtausende Zuschauer klicken. Für das Online-Magazin „Journey“ entwickelt eine eigene Redaktion die Themen. Kooperationen mit reichweitenstarken Influencern wie „DNER“, der mehr als drei Millionen Abonnenten auf YouTube und rund 1,8 Millionen Twitter-Follower hat, runden das Angebot ab. „Journey“ hat die klassische Unternehmenswebseite ersetzt – in rund 30 Ländern.

Coca Cola Journey Screenshot 002Warum geht Coca-Cola diesen Weg? „Unsere Webseite war langweilig. Wir haben wie von einer Bühne herab“ doziert, erklärte Patrick Kammerer (Foto), Director Public Affairs und Communications bei Coca-Cola, in seinem Vortrag. Potenzielle Konsumenten hätten sich abgewendet. Mit „Journey“ gehe es darum, neue Zielgruppen zu erreichen und jüngere Nutzer anzusprechen, die über klassische Medien kaum noch greifbar seien. Zusätzlich wolle man über die gesamte Bandbreite der Coca-Cola-Welt informieren, was über klassische Medien kaum möglich sei. „Wir sind selbst zum Verleger geworden“, lautet Kammerers Fazit.

Geschichten erzählen ohne Journalisten als Mittler

Coca-Cola informiert zum Beispiel über die Ernte der Äpfel für die Schorle von „Vio“. „Früher hätten wir wochenlang versucht, dieses Thema Journalisten schmackhaft zu machen. Heute machen wir die Geschichte selbst“, betonte Kammerer. Für das Unternehmen zahle sich die Content-Offensive aus. „Je öfter jemand auf Journey schaut, desto positiver fällt das Urteil über unsere Marke aus.“ 11,1 Millionen Social Impressions hätte es allein von Januar bis Mai 2017 gegeben. Coke TV sei das reichweitenstärkste gebrandete Magazin Europas auf YouTube. „Snackable Content“ – das regelmäßige Veröffentlichen von Inhalte-Häppchen – sei das, was bei der jüngeren Zielgruppe ankomme.

Neue Impulse für die Unternehmenskommunikation von Daimler

Pallenberg Howe ENPC 2017Das Thema Content-Marketing hat auch Daimler besetzt. Der Automobilkonzern, der sich gerne als Technologieführer präsentiert, will ebenfalls neue Zielgruppen erschließen, wie Jörg Howe, Leiter der globalen Kommunikation, betont. Howe (auf dem Foto r.) hat dafür den Blogger Sascha Pallenberg (l.) verpflichtet, der der Unternehmenskommunikation neue Impulse verleihen soll.

„Wir wollen als Unternehmen gehört werden“, sagt Howe. Auf den Dialog mit Journalisten will er zwar nicht verzichten und die relevantesten Medienvertreter bediene er in Deutschland noch selbst, aber von dem Verlangen der Medien nach schnellen Auskünften scheint er genug zu haben. „Wir antworten auf jeden Scheiß“, erklärte Howe mit Blick auf die bei Daimler stetig steigende Zahl von Journalistenanfragen. Den Rückschluss, mit bereitgestelltem Content die „Journalisten-Meute“ ruhig zu stellen und kritische Nachfrage zu vermeiden, akzeptiert er: „Wir sind auch dafür da, das Unternehmen zu schützen. Wir haben eine Wächterfunktion.“ Medien gegenüber zeige man sich hilfsbereit. Daimler würde Medien schließlich Videos zur eigenen Verwendung zur Verfügung stellen und auf Bilanzpressekonferenzen würden Mitarbeiter aus Fachabteilungen auch mal unwissenden Journalisten das Zahlenwerk erklären. Was ist nochmal der Cash-Flow?

Abhängigkeit von Facebook & Co. reduzieren

Einen weiteren Grund für den Ausbau der eigenen Content-Aktivitäten nennt Pallenberg. „Wir haben Premium-Inhalte. Warum sollten wir beispielsweise Facebook dazwischenschalten, um diese an unsere Zielgruppen zu bringen?“ Es sei zudem völlig unklar, wie Facebook & Co. in Zukunft ihre Richtlinien gestalten und welche Werbekosten damit für Unternehmen wie Daimler eventuell verbunden sein könnten. „Wir wollen unsere Abhängigkeit von den Netzwerken reduzieren.“ Was genau in Sachen Content von Daimler zu erwarten ist, wollten sich Howe und Pallenberg nicht entlocken lassen. Ein zentraler Baustein der externen Kommunikation werde der bereits erfolgreiche Unternehmensblog auf daimler.com spielen, wo Mitarbeiter seit fast zehn Jahren zu Firmenthemen posten.

Ob sich Daimler in Content-Marketing-Dimensionen wie Red Bull katapultieren will, bleibt damit offen. Was der Energydrink-Hersteller an spektakulären Videos von Formel-1-Fahrzeugen auf der Skipiste, über Häuser hüpfenden Mountainbikern, Musik-Festivals wie das in Roskilde, Klippenspringern an den Victoriafällen und als Krönung dem Stratosphärensprung von Felix Baumgartner über verschiedene Channels 24 Stunden am Tag raushaut, erinnert längst an einen Sportkanal oder Jugendsender. Aufwändige Live-Übertragungen von Events gibt es ebenfalls. Noch fehlt die passende Fernsehzeitung.

Seitennavigation