DPRG B Brandenb Stegner Laschet Turner Kai Uwe Heinrich Tagessp kleinDer Beruf des Spitzenpolitikers ist bestimmt nicht immer schön. Da tingelt man monatelang im Wahlkampf durch die Städte, spricht mit Wählern in Sport- und Bürgerzentren, Gymnasien und Restaurants, schaut sich Kitas an, besucht Flüchtlingsunterkünfte und Fabriken – und am Ende eines Diskussionsabends schmettert einem trotzdem eine circa 70-jährige Wutbürgerin entgegen, dass „DIE“ Politiker sich von den Menschen entfremden würden, keine Ahnung hätten, „wie es in Neukölln aussieht“ und auch sowieso total abgehoben seien. Diese Art von Pauschalvorwurf mussten sich Ralf Stegner (Foto: l.; © Kai-Uwe Heinrich / „Tagesspiegel“), stellvertretender Vorsitzender der SPD, und sein CDU-Pendant Armin Laschet (M.) bei der Veranstaltung „Kommunikationsstrategien von Volksparteien in Zeiten der Politikverdrossenheit“ der DPRG Landesgruppe Berlin / Brandenburg und des „Tagesspiegel“ gefallen lassen.

Das brachte zwar noch einmal richtig Leben in die Verlagsräumlichkeiten, sorgte aber gleichzeitig für Verärgerung. Der direkt angesprochene Stegner bedankte sich ironisch für die „differenzierte Betrachtungsweise“ der Zuhörerin. Moderator und „Tagesspiegel“-Herausgeber Sebastian Turner (r.) fand den Einwurf der Fragestellerin, die sich als angebliche ehemalige Chefreporterin von Deutschlands führender Boulevardzeitung sowie frühere Autorin zweier überregionaler Tageszeitungen vorstellte, gar nicht lustig. Er bezeichnete ihre pauschalisierenden Aussagen als „gegendarstellungsfähig“, nannte ihren Vorwurf, Politiker würden nicht unter die Leute gehen, „Blödsinn“ und „sachlich falsch“. Turner war nach Ende seines Engagements in der Geschäftsleitung von Scholz & Friends selbst mal Oberbürgermeisterkandidat in Stuttgart und kennt von daher die Ochsentour des politischen Spitzenpersonals mit zahlreichen Bürgergesprächen nur zu genau.

Sabine Clausecker, Vorsitzende der DPRG-Landesgruppe Berlin / Brandenburg und Vorstand bei der Agentur CB.e in Berlin, hatte mit ihrer Hinführung zu Themen wie Fake News, Social Bots, dem Umgang mit Wahrheit oder Digital Targeting vor den circa 100 Gästen den Boden für die Diskussion über Kommunikationsstrategien bereitet. Gerne hätte man von Stegner und Laschet mehr darüber erfahren, was denn die Wahlkampfagenturen KNSK (SPD) und Jung von Matt (CDU) planen, welche Themen gespielt werden sollen, ob es einen Personenwahlkampf von Merkel versus Schulz geben könnte, wie die Parteien in den sozialen Netzwerken auftreten wollen, ob die Flüchtlingsdiskussion erst einmal abgeräumt ist oder wenigstens mehr darüber, in welcher Form die Landtagswahlkämpfe in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aktuell geführt werden. Stegner und Laschet sind als Landesvorsitzende beziehungsweise Spitzenkandidat (Laschet) hier maßgeblich involviert. Beide blieben in Bezug auf die konkrete Kommunikation in Richtung Bundestagswahlkampf doch sehr vage.

PR mache Schrott nicht zu Gold

Stegner positionierte sich als Kämpfer für das Gute in der politischen Kommunikation und hält von dem Donald-Trump-Stil mit Dauer-Twitterei und Lüge als Kommunikationswerkzeug gar nichts. „Auch mit der besten PR-Strategie lässt sich Schrott nicht verkaufen“, meinte der 57-Jährige und plädierte für einen Vorrang der Inhalte. Für ihn gelte nach wie vor der Grundsatz „Sage vor der Wahl, was du tust, und halte es nachher ein.“

Es gebe zu viele Technokraten in der Politik, die politische Inhalte wenig verständlich rüberbrächten. Eine zupackende Sprache sei gefordert. „Authentizität ist die härteste Währung, die es in der Politik gibt“, meinte er. Damit und mit einer leidenschaftlichen Sprache könne Kanzlerkandidat Martin Schulz punkten wie kaum ein anderer. Auf die Nachfrage von Sebastian Turner, ob Sigmar Gabriel in Sachen Authentizität Defizite aufweise, antwortete Stegner diplomatisch: Sigmar Gabriels öffentliches Image sei komplizierter als das von Schulz, weil er im Gegensatz zu Schulz auch Mitglied der Bundesregierung sei. Dass jemand wie Trump mit seiner Unwahrheiten-Strategie wiedergewählt werden könnte, hält Stegner für undenkbar. Negative-Campaigning wie in den USA würde in Deutschland nicht funktionieren. „Social Bots sind undemokratisch. Die SPD wird sich daran nicht beteiligten“, betonte er.

Falschbehauptungen als Wahlkampfherausforderung

Auch Armin Laschet hält die Folgenlosigkeit von Falschbehauptungen durch einen Staatschef für eine neue Dimension, auf die man ehrlicherweise noch keine wirkliche Antwort wisse. Er brachte dann doch einige konkretere Ansätze zum anstehenden Wahlkampf ins Spiel – klassische Instrumente. Im Saarland hätte die CDU mit „rund 75.000 Hausbesuchen großen Erfolg gehabt.“ Wahlplakate mögen antiquiert wirken, seien aber großflächig eingesetzt nach wie vor das wichtigste Kommunikationsinstrument, so Laschet. Natürlich würden auch Social Media im Wahlkampf eine Rolle spielen. Aktuell würden in der Parteizentrale der CDU – dem Konrad-Adenauer-Haus – „die Wände durchbrochen und so eine Kampa für die entscheidenden Wahlkampfmonate geschaffen“, verriet Laschet. Rund 20 Leute würden dort bereits arbeiten. Es sollen noch mehr werden, ergänzte Laschets Pressesprecherin aus dem Auditorium.

Wie halten es die Politiker mit Twitter? Für wichtig halten es beide und machen ihre Postings selbst – außer die mit „Team“ gekennzeichneten. Der CDU-Mann sagte, er habe sich Twitter über „Try & Error“ genähert. Laschet meinte, dass es für ihn nicht denkbar sei, in einem Staatsamt als Minister oder Ministerpräsident die Kommunikation über Twitter so offensiv fortzuführen, wie er es aktuell oder der amerikanische Präsident mache. „Die Twitterei wird immer mit dem Amt in Verbindung gebracht“ – und verwies auf das des Bundespräsidenten, der wohl kaum über Twitter bei Fußballspielen mitfiebern könne.

Stegner sieht die Vorteile von Twitter eher pragmatisch: „Ich twittere etwas und dann ruft mich der Redakteur des ‚Heute-Journal‘ an und will ein Statement.“ Die Kommunikation sei früher mit Pressemitteilungen doch deutlich schwieriger gewesen.


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