Nicolai Vincent Gf buddybrandInfluencer Marketing und Influencer Relations sind längst zu einem festen Bestandteil im PR-Mix eines Unternehmens geworden. War der Einsatz von Meinungsmachern zum Aufbau einer Online-Community anfangs auf FMCG, Lifestyle, Fashion und Technologie reduziert, sind Influencer in Segmenten wie Healthcare, Finanzen sowie Tourismus mittlerweile ebenfalls etabliert. „Influencer Marketing ist für jede Marke spannend. Meinungsführer gibt es überall“, sagt Vincent Nicolai (Foto), Geschäftsführer bei Buddybrand, einer Berliner Agentur, die auf Social Media spezialisiert ist. Die Budgets steigen, das Betätigungsfeld wird breiter, die Zahl der Influencer wächst rasant und diversifiziert sich immer weiter – etwas Besseres kann den im digitalen Bereich gut aufgestellten Agenturen kaum passieren, da sich damit auch der Beratungsbedarf auf Unternehmensseite deutlich erhöht. Nur schießen auch die Preise der Influencer längst durch die Decke. Der Kampf mit echter und künstlich erzeugter Reichweite und Fake-Accounts bleibt ein Dauerthema.

Cluster als Orientierungshilfe

Man zahlt einem Influencer oder Blogger Geld und der hält eine Uhr, Sonnenbrille oder einen Eyeliner in die Kamera: Einfacher können Werbung und PR kaum sein. KPI erfüllt oder nicht? Das scheint die einzige Frage zu sein.

Buddybrand Microsoft Surface Kampagne KeyvisualDie Wahrheit ist natürlich komplexer. Vincent Nicolai setzt mit seinem Team von 30 Mitarbeitern deshalb auf dezidiertes Clustering. Er unterscheidet zwischen Influencer Marketing, dem Generieren von kurzfristiger Reichweite, und Influencer Relations, der dauerhaften Bindung einer Zielgruppe an die Marke und langfristigem Image-Aufbau. Nicolai trennt auch zwischen Allzweck-Influencern wie „Bibi“ und „Simon Unge“, die sich aufgrund ihrer enormen Reichweite auf YouTube, Snapchat oder Instagram einen gewissen Promi-Status erworben haben, und Micro-Influencern, die zwar eine deutlich geringere Reichweite von pro Kanal zwischen 5.000 und 25.000 Follower besitzen, dafür aber über Branchen-Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Expertenwissen verfügen. „Wer sind natürliche Fürsprecher für ein Produkt,“ frage sich Nicolai bei Kampagnenstart stets. Auf „Bibi“ & Co. zu setzen, sei für ihn so zielgenau, wie mit einer „Schrotflinte“ zu schießen.

Wie der erfolgreiche Einsatz von Micro-Influencern funktionieren kann, hat Buddybrand mit einer 2016 für den „PR Report“-Award nominierten Kampagne (siehe nebenstehend das Hauptmotiv) zur Einführung des Microsoft Surface Pro 4 gezeigt, als man Illustratoren, Designer, Fotografen und YouTuber die Vorteile des Produktes in Szene setzen ließ. Dass ein simples in die Kamera halten bei einem Produkt mit einem Kaufpreis von 900 Euro aufwärts nicht reicht, versteht sich von selbst. Hier ist digitales Storytelling gefragt.

„Am Ende des Tages geht es darum, ob jemand in einer Zielgruppe glaubwürdig ist oder aber ein Image verwässert,“ so Nicolai. „Kann jemand ein Produkt bewerben, wenn er eine Woche vorher eines der Konkurrenz präsentiert hat?“ Doch auch Micro-Influencer haben Schwachstellen: Nicolai hält sie generell für anfälliger, ihre Preise mit künstlicher Reichweite in die Höhe zu treiben. „Mir erscheint es hingegen kaum möglich, 250.000 bis eine Million Follower allein durch Fake zu generieren.“ Die bekanntesten Influencer überschreiten die Millionengrenze bei weitem.

Seger Nils Gf RCKTNils Seger (Foto r.), Geschäftsführer der auf digitale Beratung spezialisierten Agentur RCKT (siehe dazu auch das Portrait im „PR-Journal“), kennt das Dilemma mit der künstlich aufgeblähten Reichweite natürlich auch. „Das ist ein großes Problem,“ sagt er. Es sei deshalb wichtig, dass PR- und Marketingverantwortliche in Unternehmen anfangen würden, das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Influencer Marketing noch genauer zu analysieren. „Für uns als Agentur heißt das, die relevanten Influencer pro Themengebiet, ihre Reichweiten und Aktivität sauber zu recherchieren und kontinuierlich zu aktualisieren“, erklärt Seger.

RCKT NYY Kampagne„100 Visits, 10 Likes und 1 Kommentar“ seien eine grobe Orientierung für echte Reichweite und Aktivität bei YouTube. „Wenn das nicht passt, empfiehlt es sich, genauer nachzuschauen, wer die Follower sind und auf welche Weise sie aktiv sind.“ RCKT betreut im Bereich Influencer-Marketing beispielsweise die L'Oreal-Marke NYX (Foto). „Wir wissen, dass es möglich ist, eine Marke fast ausschließlich über eine Community aufzubauen“, betont Seger. Er hält Facebook und Instagram, wo regelmäßig bei Influencern wie dem Model „Vanessa Fuchs“ bis zu 50.000 Fake-Accounts gelöscht werden, für deutlich transparenter als YouTube und Twitter. Die Interaktionsrate sei die entscheidende Größe für die Bedeutung eines Meinungsmachers, denn ohne Aktivität bringe die beste Reichweite nichts. Professionelle Influencer würden sowieso längst Mediakits versenden.

Telefonate für den persönlichen Eindruck

Thuener Amadeua ZuckerAmadeus Thüner (Foto), Account-Manager bei Zucker.Kommunikation in Berlin, betont, dass selbst im von KPIs bestimmten Influencer Marketing soziale Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Neben der Analyse von „Hard Facts“ wie Fans und Follower, Likes, Shares, Comments, Aktivität und Interaktionsraten komme bei der Auswahl von geeigneten Meinungsführern auch das Bauchgefühl zum Tragen: „Ein zweiminütiges Telefonat mit einem Influencer verrät häufig mehr als alle Zahlen“, erklärt Thüner. „Der persönliche Eindruck, ob jemand seriös ist und im Idealfall zu einer Kampagne passt, ist ganz entscheidend.“ Persönliches Kennenlernen über Branchenevents, Bars und Member Clubs wie das Soho House sind im Influencer-Mekka Berlin nicht zu unterschätzen.

Thüner setzt bei Zucker.Kommunikation – einer Agentur mit Ursprung in der klassischen PR – Influencer Marketing vor allem zum Brand-Building und Aufbau einer Community bei Marken wie Foot Locker und Audible und weniger als schnellsten Weg zum kurzfristigen Verkaufserfolg ein. „Wir nutzen Influencer Marketing parallel zu PR, Events und Content-Entwicklung ergänzend auf allen Kundenkanälen“, so Thüner. Für ihn sind langfristige Partnerschaften mit Bloggern und Influencern eher erfolgsversprechend. Influencer können dabei sowohl Meinungsbildner sein, die ihre Bekanntheit allein aus den sozialen Netzwerken beziehen, aber genauso C-, B- und A-Promis.

Auch Thüner hält die Interaktionsrate für die Auswahl und die Glaubwürdigkeit eines Influencers entscheidend. Nur berge selbst die Interaktionshäufigkeit ihre Tücken, so dass es die Inhalte von Kommentaren zu analysieren gelte. Sinnlos-Postings wie „Du bist so hübsch!“ zu einer Bloggerin seien zwar nett, aber würden der Marke oder dem Produkt nicht weiterhelfen.


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