Branche Kommunikationskongress 2016: Kollaboration als Geisteshaltung für Kommunikatoren
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- von Thomas Dillmann, Berlin
Der Kommunikationskongress 2016 im bcc Berliner Congress Center läuft. 1.500 PR- und Kommunikationsfachleute sind in die Bundeshauptstadt gekommen, um zwei Tage lang in Workshops und Vorträgen Neues zu lernen, Trends und Entwicklungen im Kommunikationsgeschäft zu diskutieren und ihr Netzwerk zu erweitern. Gefeiert wird dann auch noch, wenn am Abend des 22. September im Berliner Admiralspalast die Preisträger der „Pressestelle des Jahres“ gekürt werden. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher (BdP), Jörg Schillinger (Foto l., © Quadriga Media / Laurin Schmid), eröffnete am Morgen die 13. Ausgabe des Kommunikationskongresses. Leitthema ist in diesem Jahr Kollaboration. In unterschiedlichen Veranstaltungsformaten wird der Frage nachgegangen, wie kollaborative Entwicklungen in Unternehmen etabliert werden können, um den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und Organisationen zu stärken. Die erste Keynote des Tages hielt ZDF-Intendant Thomas Bellut (Foto r., © Quadriga Media / Laurin Schmid). Unter der Überschrift „Globalisierung, Digitalisierung, Komplexität“ sprach er über die Aufregungsmediengesellschaft, den Content-Schock und die Gefahren des Echokammereffekts.
Der Kommunikationskongress ist die größte Fachveranstaltung über PR und Kommunikation in Deutschland. Die Nutzerzahlen sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. 1.500 Teilnehmer und 150 Referenten schöpfen die Kapazitäten des bcc bei der 13. Auflage wieder voll aus. Und doch werden auf den Fluren in den Pausengesprächen auch immer wieder kritische Fragen laut: Ist das Veranstaltungsformat mit Keynotes, Workshops und Expertsessions noch zeitgemäß und inhaltlich innovativ genug? Sind die Teilnahmekosten von bis zu 1.390 Euro für zwei Tage gerechtferigt? Auch Partnerunternehmen, die sich im Foyer an ihren Ständen präsentieren, klagen über höhere Kosten in diesem Jahr. Nicht mehr vertreten sind mit Landau Media und Ausschnitt zwei Unternehmen, die dem Kommunikationskongress jahrelang die Treue gehalten haben.
Ist das der Beginn einer kritischen Entwicklung? Die Tatsache, dass der Kongress ausverkauft ist und manche Veranstaltungen mehr Zulauf finden als räumlich zu verkraften ist, signalisiert eher eine erfolgreiche Fortsetzung. Doch eines kristallisiert sich heraus: Das Kostenbewusstsein in der Branche steigt. Kosten für Tickets und Ausstellerbudgets werden in Unternehmen und Organisationen stärker denn je geprüft.
Der BdP, die Quadriga Hochschule und das Fachmagazin „Pressesprecher“ als Veranstalter haben für den Kommunikationskongress 2016 ein breites Programm auf die Beine gestellt. Inhaltlicher Leitfaden ist das Thema Kollaboration. BdP-Präsident Schillinger stellte in seiner Eröffnungsrede die Entwicklungen in Unternehmen denen in der Politik gegenüber. Auf der einen Seite sei klar erkennbar, dass Zusammenarbeit in Unternehmen über Abteilungsgrenzen hinweg eine Geisteshaltung sei. Der Wille, Inhalte zu teilen und offen zu sein für neue Inhalte und Wege, schaffe nicht zuletzt mit Mitteln der Kommunikation die notwendige Transparenz, um gemeinsam den Unternehmenserfolg herbei führen zu können. Kommunikatoren seien mehr denn je in der Rolle des Mittlers und Mediators.
Demgegenüber sei in der Politik eine klare Tendenz zur Abgrenzung erkennbar. Europa stecke tief in der Krise. Der Brexit, die politischen Entwicklungen in Polen und Ungarn, nationalistische Tendenzen in Frankreich und mit der AfD auch in Deutschland führten eher zu Abgrenzung und spiegelten Angst vor freier Kommunikation. Diese Entwicklung stufte Schillinger als sehr bedenklich ein. Doch woher komme die Ablehnung von Kollaboration und der Ruf nach Abgrenzung? Vielleicht sei es nicht ausreichend gelungen, die Ideen von Zusammenarbeit zur Überwindung von Grenzen und nationalen Egoismen transparent zu machen. Immer wieder tauche die Frage auf, ob sich nicht zuviele Menschen abgehängt fühlten.
ZDF-Intendant Bellut lenkte in seiner Keynote den Fokus auf die Rolle der Medien. Die klassischen Medien wie TV, Rundfunk und Printmedien hätten mit den sozialen Medien Kommunikationstreiber an der Seite, die erheblich zu einer Vergröberung von Inhalten beitrügen. Dies führt seiner Meinung nach zu der von ihm so bezeichneten Aufregungsmediengesellschaft. Selbst unbedeutende Nachrichten würden stärker skandalisiert und polarisierten mehr als früher. Zudem verzeichnete er eine Individualisierung des Kommunikationsverhaltens, damit steige die Kluft zwischen Ärmeren und Reichen, Jung und Alt sowie Gebildeten und weniger Gebildeten.
Hinzu komme der „Content-Schock“: Jeden Tag würden bei YouTube 300 Stunden Content neu hochgeladen, 700 TV-Sender böten ihre Programme an und per Cloud-TV könne zudem jeder sein individuelles Programm zusammenstellen. Da sei ein „Echokammereffekt“ vorprogrammiert. Jeder erhalte und suche demnach nur noch Programmangebote, die seiner eigenen Meinung entsprächen. Diese Art von Informationsflut führe nicht zu einer Wissensflut, warnte Bellut. Hier kämen dann die Medien ins Spiel, sie unterstützen die die Menschen in ihrer Meinungsbildung. Das sei aber eine Denkaufgabe, die man niemandem abnehmen könne.
In seiner Schlussbetrachtung wurde deutlich, dass es Bellut um die Zukunft der seriösen Medien nicht bange sei. Sie könnten sich im Wettbewerb zu den neuen Medien behaupten, wenn sie transparent agierten und jeden Versuch der Bevormundung ihrer Rezipienten unterließen.
Ausführliche Berichte über den Kommunikationskongress finden Sie auch auf der Website des „Pressesprecher“.
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