Agenturen Sascha Lobo, Jochen Schweizer und die neue Promi-Lust der Agenturen
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- von Annett Bergk, Hamburg
Sascha Lobo bei fischerAppelt, Jochen Schweizer bei Bettertrust. Zwei prominente Namen, zwei Meldungen innerhalb weniger Tage. Beide Berufungen erzählen von einem Trend, der die Rolle strategischer Gremien in der Kommunikationsbranche neu definiert. Denn wer sich heute öffentlich mit einer bekannten Persönlichkeit verstärkt, will nicht nur Expertise ins Haus holen. Es geht um Sichtbarkeit. Um Haltung. Um eine gezielte Positionierung im Markt, die über Fachkompetenz hinaus Wirkung entfalten soll.
Der Rat als Bühne und Spiegel
Traditionell galten Beiräte als beratende Gremien im Hintergrund. In Kommunikationsagenturen werden sie zunehmend zur Projektionsfläche. Ihre Besetzung ist Teil der Erzählung, wie sich Agenturen nach außen darstellen (und vielleicht auch, wie sie intern arbeiten wollen).
Bei Bettertrust ist es Jochen Schweizer, der seit Juli offiziell im Beirat sitzt. Die Agentur selbst beschreibt den Unternehmer als Publikumsmagnet mit Lust, ständig neues auszuprobieren.
fischerAppelt wiederum hat erst vor kurzem neben Ulrike Hinrichs auch den Publizisten und digitalen Vordenker Sascha Lobo in den Aufsichtsrat geholt.
Nun muss man der Vollständigkeit ergänzen, dass Beirat nicht gleich Aufsichtsrat ist. Im Fall Bettertrust ist der Beirat ein beratendes, freiwilliges Gremium ohne formale Kontrollfunktion. Bei fischerAppelt hingegen handelt es sich um einen Aufsichtsrat im Rahmen der AG-Struktur, mit gesetzlich verankerter Rolle und entsprechenden Rechten. Beide Beispiele lassen jedoch vermuten, dass sich die Funktion dieser Beiräte ein Stück weit verändert.
Prominenz als strategische Währung
Persönlichkeiten wie Schweizer, Lobo oder Hinrichs stehen für mehr als nur Beratung. Sie bringen Strahlkraft, Netzwerk und mediale Wirkung mit. Und sie stehen jeweils für eine eigene strategische Ausrichtung: Schweizer für Unternehmertum, Lobo für digitale Öffentlichkeit, Hinrichs für politische Erfahrung und Krisenkommunikation.
Agenturen nutzen diese Profile, um sich sowohl inhaltlich als auch symbolisch breiter aufzustellen. Die Ratspersonen sind keine Nebenfiguren mehr, sondern Teil der Markenführung. Sie bringen Glaubwürdigkeit nach außen und können intern neue Akzente setzen.
Gleichzeitig machen sich Agenturen mit solchen Berufungen auch abhängig von der öffentlichen Wirkung dieser Personenmarken. Was im besten Fall Aufmerksamkeit und Profil schafft, kann im Krisenfall zur Belastung werden, etwa wenn Skandale oder Fehltritte des Ratsmitglieds außerhalb der Agentur auf deren Reputation abfärben. Solche Risiken sind bislang selten Thema, gehören aber zur ehrlichen Bewertung strategischer Besetzungen dazu.
Und die Branche?
Die Erwartungshaltung steigt, die Glaubwürdigkeit hängt mitunter am Image einzelner Personen. Das verändert das Selbstbild der Agenturen, die Wahrnehmung bei Kund:innen und potenziellen Mitarbeitenden. Sichtbarkeit wird zur Währung, Personenmarken zu Aushängeschildern.
Womöglich zeigt sich darin ein Symptom tieferliegender Verunsicherung. Die Kommunikationsbranche steht unter Druck. Künstliche Intelligenz stellt Arbeitsweisen infrage, klassische Agenturmodelle geraten ins Wanken. In diesem Klima können bekannte Gesichter als Versuch gesehen werden, Orientierung zu erzeugen, oder als Stabilitätsanker dienen, wo gerade vieles im Rutschen ist. Ob diese Strategie trägt, wird sich zeigen.
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