Agenturen Viel Verbesserungspotenzial in der Eigen-PR

Der Vertrieb von Agenturleistungen wird für PR-Agenturen immer schwieriger, weil PR-Kunden zunehmend besser informiert sind und sie Preise und Leistungen leichter vergleichen können (und wollen). Dadurch wird Agenturmarketing zum Game Changer beim Neugeschäft. Denn: Erst nach erfolgter Beauftragung können Agenturen einem neuen Kunden ihre Leistungsfähigkeit beweisen. Davor sieht der Neukunde nur die Qualität ihres Marketings.

Baris Calisan: „Agenturleistungen sind grundsätzlich austauschbar. Deshalb muss die Agentur-Selbstdarstellung differenzierend sein.“ (Foto: In Puncto Position)

„Marketing legt vor, der Vertrieb schießt das Tor“: Agenturmarketing wird in der PR-Branche zwar grundsätzlich als Chance gesehen, aber – wenn es an die Umsetzung geht – trotzdem stiefmütterlich behandelt. Warum vernachlässigen viele PR-Agenturen ihr Eigenmarketing und setzen stattdessen einseitig auf Empfehlungsmarketing („Inbound“) oder auf klassische Kaltakquise („Outbound“)?

Empfehlungsmarketing ist gut, aber begrenzt und nicht planbar

Empfehlungsmarketing ist die beste und bequemste Form des Marketings (und gemeinhin auch die günstigste). Gleichwohl weiß jede Entscheiderin, jeder Entscheider: Empfehlungen sind unzuverlässig, nicht vorhersehbar und das eigene Netzwerk ist endlich.

Die Agentur-Website mit wohlmeinenden Kundenzitaten zu schmücken, kann opportun sein. Die persönliche Weiterempfehlung des Kunden auf Social Media, vor allem bei LinkedIn und Instagram, ist immer willkommen. Noch besser aber ist die wiederholte Empfehlung als „Testimonial“ über einen längeren Zeitraum und über viele Kanäle. Der Content hierfür kann ja durchaus von der PR-Agentur selber kommen: genau ausformulierte Botschaften, Fotos und Bildmaterial, Videos und Snippets, vorgetextete und gelayoutete Social Media Posts und so weiter. Schließlich verlangt es dem Agenturkunden weniger Mühe ab, eine Freigabe zu erteilen, als selbst in die „Referenzerstellungs-Pflicht“ gehen zu müssen.

Kurz: Testimonials sind keine Selbstläufer und passives Empfehlungsmarketing sorgt nicht automatisch für Neugeschäft. Es bedarf einer aktiven Testimonial-Strategie.

Ausgerechnet PR-Agenturen schwächeln bei der Eigen-PR

Gezieltes Empfehlungsmarketing benötigt – wie alle Marketing-Instrumente – sorgfältige Planung, Steuerung und Erfolgskontrolle. Zugleich braucht es eine gute und glaubwürdige „Empfehlungsstory“, damit Kundenreferenzen vertriebswirksam in die Eigen-PR der Agentur eingebaut werden können.

Ausgerechnet PR-Agenturen tun sich bisweilen schwer, aus einem erfolgreichen Kundenprojekt eine „Success Story“ mit einem starken und überzeugenden Narrativ zu entwickeln. Eine konzeptionell ausgeklügelte Eigen-PR-Strategie, die über gelegentliche LinkedIn-Posts hinausgeht, ist bei PR-Agenturen eher selten anzutreffen. Dabei hätten sie es als Content-Experten selbst in der Hand, attraktiven, zielgruppenspezifischen Content zu erstellen und potenzielle Agentur-Neukunden direkt anhand ihrer Bedürfnisse zu adressieren. Schließlich kennen PR-Agenturen die Branchen ihrer Kunden am besten und verfügen über die nötigen Kontakte zu Journalisten und Medienvertretern.

PR-Agenturen können und sollten ihre Kernkompetenzen auch für vertriebliche Ziele nutzen. Auf eine plakative Formel gebracht: Eigenlob stinkt, Eigen-PR nicht.

Mehr Differenzierung wagen

Gleich welche fachliche Spezialisierung oder welchen Branchenfokus eine PR-Agentur hat: Das Thema Kommunikation ist immer nah am Kerngeschäft. Daher erstaunt es, wie wenig Wert und konzeptionelle Sorgfalt viele PR-Agenturen auf die eigene Außendarstellung legen.

Fast jede PR-Agentur schwärmt auf der eigenen Website von der eigenen Expertise und Erfahrung und frohlockt über die eigene Identität und Kultur. Doch in Wirklichkeit unterscheiden sich die Auftritte von PR-Agenturen konzeptionell kaum voneinander, vielmehr sind – auch und gerade aus Kundensicht! – die allzu gewohnten Ähnlichkeiten augenfällig. PR-Agenturen verwenden ähnliche Buzzwords, um die Leistungen zu beschreiben. Sie geben ähnliche Nutzenversprechen und arbeiten fachlich auf einem ähnlichen Niveau. Dadurch wird es potenziellen Kunden schwer gemacht, die Besonderheiten der PR-Agentur zu erkennen und sich nicht einfach für den Anbieter mit dem niedrigsten Preis zu entscheiden.

Genau hierin liegt für PR-Agenturen eine Chance: Nämlich die eigene Außendarstellung zum echten Differenzierungsmerkmal und Wettbewerbsvorteil zu machen, indem sie sich in der Kommunikation vom gewohnten Agentur-Einerlei verabschieden. Wohlgemerkt nicht als Selbstzweck, sondern als smartes Mittel zur gezielten Selbstvermarktung.

Systematisches Agenturmarketing ist nicht Muße, sondern Muss

In einem immer anspruchsvoller werdenden Marktumfeld gibt es für den Vertrieb von PR-Leistungen keine einfachen, trivialen Lösungen. Die Neukundengewinnung (aka New Business) ist komplex, die Verkaufszyklen (aka Sales Cycle) werden immer länger. Deshalb gibt es auch für ein wirkungsvolles Agenturmarketing keine Standardlösungen, keinen Blueprint, kein Schema F. Vielmehr muss jede wachstumswillige PR-Agentur den eigenen richtigen Weg, die eigene richtige Marketingstrategie einschlagen.

Da die meisten PR-Agenturen ein vergleichbares Leistungs-Portfolio anbieten, ist es zunehmend wichtiger, aus der Vielzahl an Angeboten am Markt positiv herauszustechen, um wirklich effektiv zu Neukunden durchzudringen. Ein kundenzentriertes Agenturmarketing, das in den Agenturleistungen, in der Agenturidentität und im gesamten Außenauftritt auf Kundenorientierung setzt, ist hierfür die notwendige Voraussetzung – und obendrein die beste „Pitchvermeidungsstrategie“.

Über den Autor: Dr. Baris Calisan ist Managing Director bei In Puncto Position, einer betriebswirtschaftlichen Agenturberatung für unternehmerischen Erfolg im Agentur-, Design- und Kreativgeschäft mit Sitz in Hamburg.

https://www.inpunctoposition.com/

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