Studien Vertrauensverlust der EU: Unternehmen fordern stärkeren Dialog
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- von Thomas Dillmann, Bad Honnef
Vor dem Amtsantritt der neuen EU-Kommission herrscht in Unternehmen in Deutschland und Österreich große Unzufriedenheit darüber, wie in Brüssel Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gesetzt werden. Erstmals haben die Beratungsunternehmen H/Advisors Deekeling Arndt, Düsseldorf, und Pantarhei Strategic Advisors, Wien, unter Mitwirkung der Prognos AG den European Policy Industry Compass (EPIC) erstellt. Das Ergebnis: Die Skepsis der Wirtschaft gegenüber den EU-Entscheidern ist groß.
Aus dem European Policy Industry Compass (EPIC) geht hervor, dass auf Seiten der Wirtschaft kaum noch Vertrauen in die ökonomische Expertise und Lösungskompetenz der EU-Entscheider besteht. Das politische Vorgehen wird als überbordend im Detail sowie kraft- und orientierungslos in strategisch relevanten Fragen wahrgenommen, wie die Auswertung von Gesprächen mit 60 Vertretern führender Unternehmen aus DAX, MDAX und ATX sowie einer begleitenden quantitativen Umfrage ergab. Diese fordern von der neuen EU-Kommission mehr Klarheit, mehr Mut und mehr Selbstbestimmung, damit sich der Standort Europa im globalen Wettbewerb, insbesondere mit China und den USA, künftig behaupten kann. Die EU steht am Scheideweg, so die einhellige Auffassung der befragten Unternehmen. Entweder sie reagiert entschlossen auf die Druckpunkte und leitet einen strategischen Wandel ein oder sie riskiert, ihre wirtschaftliche und geopolitische Relevanz zu verlieren.
Deutliche Zielkonflikte innerhalb der Wirtschaft
Allerdings bestehen innerhalb der Wirtschaft deutliche Zielkonflikte und es fehlt noch eine synchronisierte Sicht auf deren Auflösung. Während sich die Unternehmensvertreter unisono für eine Überarbeitung des „Green Deals“ hin zu einem Motor für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in Europa sowie den Abbau von Bürokratie aussprechen, gehen die Meinungen bei zentralen Themenstellungen wie Energie, Außenpolitik oder strategische Autonomie auseinander.
Ein Übermaß an Bürokratie ist für die Unternehmen auch ein Argument, weshalb sie öffentliche Fördermittel nicht in Anspruch nehmen wollen. Im Gegenteil, so wird betont, es könnten private Investitionen leichter fließen, wenn der bürokratische Aufwand dafür deutlich reduziert würde.
Neue Formate für Know-how-Transfer
Um Politik und Wirtschaft in Europa wieder stärker zu verzahnen, plädieren die Unternehmensvertreter für neue Formate zum Know-how-Transfer. So könnten Beamte der EU in Unternehmen zeitweise hospitieren. In „Reversed Hearings“ wiederum könnten Gesetzesvorhaben seitens der Politik vorgestellt und Fragen beantwortet werden.
Im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen zum EU-Finanzrahmen für den Zeitraum 2027 bis 2032 fordern die befragten Unternehmen eine größere finanzielle Ressourcenallokation in die Bereiche Verteidigung, Anpassung an den Klimawandel und Umbau der Industrie sowie in Innovationen. Einige Teilnehmer sprachen sich für die Aufstellung eines Investitionsfonds in Höhe von mindestens 100 Milliarden Euro für disruptive Technologien aus.
Systemupdates erforderlich
Quer durch alle Branchen, aus denen die Teilnehmenden kamen, besitzt das Image der EU-Politik sowie der nationalen Regierungen ein gravierendes Problem. Bemängelt wird die Qualität der Gesetzgebung, die deutlich schlechter geworden sei. Deshalb brauche es einige Systemupdates. Eine Reform der Folgenabschätzung („Impact Assessment“) wäre ein erster Schritt, der bei jedem Vorhaben die Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit voranstellen würde. Außerdem sollte ein „Richtlinien-Verbot“ verhindern, dass die Mitgliedsstaaten „Gold Plating“ betreiben und damit der Binnenmarkt weiter fragmentiert wird. Gefordert wird stattdessen, dass das Instrument der Verordnung, die unmittelbar und in allen Ländern gleich wirkt, Gesetzesstandard wird. Das Instrument der Richtlinie hingegen sollte nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt werden.
European Policy Industry Compass
Die vollständigen Ergebnisse des European Policy Industry Compass samt Anregungen für die nun notwendigen Schritte in der Unternehmenskommunikation finden sich hier auf der Website von H/Advisors Deekeling Arndt.
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