Studien Einfluss von ChatGPT auf die PR-Branche: PR-Ethik unerlässlich für Vertrauenserhalt
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- von Thomas Dillmann, Bad Honnef
Welche Folgen birgt der Einsatz der generativen Artificial Intelligence ChatGPT für die PR-Branche? Mit welchen Chancen und Risiken können wir rechnen, insbesondere unter Berücksichtigung PR-ethischer Aspekte wie Wahrhaftigkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit? Diesen Fragen ist Nora Boutrid in ihrer Masterarbeit nachgegangen. Eine der Antworten: Die Ethik in der PR wird wichtiger, um den Vertrauenserhalt des Berufsfeldes zu wahren.
Zum Ende ihres Studiums Digitales Marketing und Public Relations (M.A) an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft am Standort Köln hat sie für ihre Masterarbeit das folgende Thema ausgewählt: „Ethik in den Public Relations – Bekundung oder Gebot? Eine retro- und prospektive Analyse unter Berücksichtigung des Einsatzes Generativer Artificial Intelligence am Beispiel von ChatGPT in der PR-Branche“. Sie hat sich für dieses Thema entschieden, weil es nicht nur in anderen Berufen, sondern auch schon lange in der PR eine zentrale Rolle spielt. So wurde bereits 1987 der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle von PR-Fachleuten gegründet.
Relevanz der PR-Ethik
Konkret handelt die Masterarbeit von der tatsächlichen Relevanz der PR-Ethik im deutschsprachigen Raum vor dem Hintergrund des steigenden Einsatzes von KI-Tools wie ChatGPT. Für dieses Forschungsinteresse hat Nora Boutrid einen retro- und prospektiven Ansatz gewählt, um eine Analyse des bisherigen Ist-Zustands vorzunehmen und einen möglichen Soll-Zustand abzuleiten. Um möglichst aussagekräftige Erkenntnisse eines bislang wenig erforschten Themengebiets zu generieren, hat sie eine Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis gewählt.
Gegenüber dem PR-Journal erklärte Boutrid: „Im Rahmen meines Studiums und meiner praktischen Arbeit in einer PR-Agentur ist mir immer wieder aufgefallen, dass beim Begriff Public Relations die Meinungen über die exakte Bedeutung oftmals auseinandergehen. Doch trotz der durchaus unterschiedlichen Ansichten besteht häufig eine Gemeinsamkeit: Prinzipien wie Wahrhaftigkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit finden im Verständnis von PR-Arbeit seltener Beachtung als es wünschenswert wäre.“
Ähnlich verhält es sich mit der PR-Ethik, die trotz zahlreicher guter Gründe immer noch zu wenig Beachtung in der PR-Praxis findet. Warum das insbesondere vor dem Hintergrund des steigenden Einsatzes von KI-Tools problematisch ist, wollte sie in ihrer Masterarbeit aufzeigen. Mithilfe eines Forschungsdesigns aus qualitativer Inhaltsanalyse und Experteninterviews hat sie untersucht, welche unmittelbaren und langfristigen Entwicklungen aus dem Einsatz der generativen AI ChatGPT für die PR-Branche resultieren können. Die Stichprobe setzt sich aus sechs Fachkundigen aus der PR-Praxis, PR-Lehre und PR-Wissenschaft zusammen, darunter zum Beispiel DRPR-Ratsmitglied Professor. Günter Bentele und Agenturinhaberin Nadja Amireh (Wake up communications).
Drei Schlüsse für die PR-Praxis
Anspruch der Untersuchung war es, fundierte Erkenntnisse zu generieren, die sich auf die PR-Praxis anwenden lassen. Insgesamt lassen sich aus den Ergebnissen der Masterarbeit drei Schlüsse für die PR-Praxis ziehen.
- Förderung eines einheitlichen PR-Verständnisses
Der interdisziplinäre Charakter und das überwiegend freie Verständnis von Public Relations bergen unwillkürlich Herausforderungen für die Branche. Dies führt dazu, dass sich nicht jeder als Mitglied der PR-Berufsgruppe zugehörig fühlt und Prinzipien wie Transparenz und Wahrhaftigkeit im Rahmen von PR-Mechanismen schneller ignoriert werden. Demnach erweist sich eine Diskussion über ein einheitliches PR-Verständnis als notwendig, um Interpretationen der individuellen Handlungsspielräume einzudämmen und ein Gefühl der Branchenzugehörigkeit zu fördern. - Diskussion über den offenen PR-Berufszugang
Die Tatsache, dass jede natürliche Person und jede Organisation PR-Tätigkeiten ausführen kann1, begünstigt nichtkonforme Handlungen, die sich auf die Reputation des gesamten PR-Berufsfeldes auswirken. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Berufsbezeichnung des PR-Akteurs bestimmte Kenntnisse und Qualifikationen voraussetzen sollte, die zum Beispiel im Umfang einer verpflichtenden Ausbildung verankert sind. In einer solchen Ausbildung könnte unter anderem die PR-Ethik intensiver thematisiert und die Bekanntheit ethischer PR-Prinzipien gefördert werden, um das kollektive Bewusstsein für moralische Handlungen im beruflichen Kontext zu stärken. Den Anfang machen zum Beispiel Absolvierende der Hochschule Pforzheim, die nach Beendigung ihres Studiums einen freiwilligen Ethik-Eid ablegen können. - Operativ vs. strategisch
Die Untersuchung zeigt die Tendenz, dass der Einsatz von KI-Tools in der PR-Branche in erster Linie Auswirkungen auf die operative PR-Arbeit hat. Eine Fokussierung auf die strategische und beratende PR-Arbeit erweist sich demnach als vorteilhaft, um die eigene Existenz und Wirtschaftlichkeit zu sichern.
Kann moralisches Handeln, das stets einer individuellen Betrachtung unterliegt, das Image und damit die Reputation einer Branche aufwerten? Bei den Ergebnissen der Arbeit von Nora Boutrid handelt sich um eine erste Prognose, deren tatsächliche Wirkkraft erst in den kommenden Jahren einzuschätzen ist. Sicher ist, aus Sicht der Autorin, dass eine PR-Ethik keine „Wunder vollbringen kann“ und vielmehr als Unterstützung zu betrachten sei, die PR-Akteuren Stabilität und Orientierung bieten könne – vorausgesetzt, sie wird von der PR-Branche als ernstzunehmende Disziplin betrachtet.
Nora Boutrid studierte Digitales Marketing und Public Relations (M.A) an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft am Standort Köln. Ihre ersten Schritte in der PR-Welt machte sie auf der Agenturseite und wechselt in diesem Sommer auf die Behördenseite.
1 Im Gegensatz zu anderen Professionen zeichnet sich die PR durch einen offenen Berufszugang aus und die Ausführung von PR-Tätigkeiten unterliegt keinen bestimmten Voraussetzungen.
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