European Communication Monitor 2022

Die aktuellen Ergebnisse der weltweit am längsten laufenden empirischen Studie zu aktuellen Entwicklungen in Unternehmenskommunikation und PR sind da. Der European Communication Monitor 2022 stützt sich auf die Befragung von 1.672 Kommunikationsverantwortlichen in 43 europäischen Ländern und beleuchtet Themen wie Vielfalt, Gleichstellung, Inklusion, empathische Führung, Digitalisierung (CommTech) oder Beratungsqualität in der Kommunikation.

Professor Ansgar Zerfaß, Leiter der Studie und Inhaber des Lehrstuhls für Strategische Kommunikation an der Universität Leipzig, erklärt: „Europa steht an einem Wendepunkt. Vieles, was gestern noch als selbstverständlich galt, wird heute radikal in Frage gestellt: Die friedliche Koexistenz von Nationen und Menschen in unserer Region, die Rolle von Politik und Medien als integrative Kräfte in der Gesellschaft und die Fähigkeit von Volkswirtschaften, Innovation und nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Dies wirkt sich grundlegend auf unseren Bereich – das Management und die Durchführung professioneller Kommunikation für Organisationen – aus.“

Diversität, Gleichstellung und Inklusion fordern die Profession heraus

Gerade einmal die Hälfte aller Kommunikatorinnen und Kommunikatoren (50,7 %) verfolgt laut Studie die globalen Trends und Diskussionen. Etwa gleich viele Befragte (49,5 %) bestätigen, dass das Thema in ihrem Land stark diskutiert wird. Jede zweite Organisation berücksichtigt bei Planung und Durchführung von Kommunikationsinitiativen das Alter, die ethnische Zugehörigkeit und das Geschlecht der Zielgruppen, während der soziokulturelle Status, Behinderungen, Weltanschauungen und politische oder spirituelle Überzeugungen weniger häufig beachtet werden. Die meisten Praktiker bestätigen, dass sich Diversität positiv auf das Vertrauen externer und interner Bezugsgruppen auswirken kann und berücksichtigen dies deshalb bei der Content-Erstellung. Aber nur ein Drittel glaubt an einen Wandel in der Zusammensetzung der eigenen Kommunikationsteams in naher Zukunft.

Empathische Führung steigert Motivation

In Krisenzeiten wie der COVID-19-Pandemie wurde beobachtet, dass viele Führungskräfte von Organisationen mit mehr Empathie kommunizieren. Die Studie untersucht dieses Phänomen sowie die Auswirkungen empathischer Führung auf die psychische Gesundheit, das Engagement und das Wohlbefinden im Kommunikationsbereich. Die Ergebnisse zeigen, dass drei von vier Befragten (73,3 %) ein empathisches Agieren von Führungskräften in der Kommunikation erlebt haben – die Mehrheit (56,7 %) gab an, dass dies im letzten Jahr zugenommen habe. 

Fachleute, die für eine empathische Führungskraft in einer Kommunikationsabteilung oder -agentur arbeiten, sind deutlich engagierter und motivierter, weisen eine bessere psychische Gesundheit auf und wollen weniger häufig den Job wechseln – ein echtes Argument für die Entwicklung empathischer Führungskompetenz und Teamkultur. 

PRJ ECM2022 Empathische Führung

Qualität externer Kommunikationsberatung hängt ab vom Personal

Die Mehrheit der Kommunikationsfachleute in Europa ist der Ansicht, dass der Bedarf an externer Beratung zur Stakeholder-Kommunikation sowie zu Strukturen und Prozessen in der Kommunikation in Organisationen zunimmt. Gleichzeitig wird die Beratungsbranche als immer vielfältiger und komplexer wahrgenommen und 60,1 Prozent geben an, dass es schwieriger wird, die Qualität externer Beratung sicherzustellen. Als wichtigste Dimension zur Sicherung der Qualität von Beratungsprozessen nannten die Befragten das eingesetzte Personal und das Know-how von Kunden und Beratern (89,9 % wichtig oder sehr wichtig), gefolgt von der Projektkoordination zwischen beiden Seiten (87,7 %).

Eine deutliche Mehrheit der Kommunikationsprofis in Europa unterstützt die Idee von einheitlichen Qualitätsstandards für die Kommunikationsberatung – und zwar sowohl für die Beraterinnen und Berater (meinen 67,8 %) als auch für Kundinnen und Kunden (60,7 %). 

PRJ ECM2022 Qualitaet

Kommunikationsprofis zögern beim Digitalisieren

Die Studie zeigt überraschend, dass nur ein Drittel (35,5 %) der Kommunikationsfachleute in ganz Europa die Debatte über die Nutzung von Software und Diensten zur Digitalisierung ihrer Funktion (CommTech) aufmerksam verfolgt hat, obwohl die Mehrheit (bis zu 55,2 %) glaubt, dass diese Technologien den Kommunikationsberuf, die Kommunikationsabteilungen oder -agenturen, für die sie arbeiten, und die Art und Weise, wie sie persönlich arbeiten, verändern werden. Allerdings zeigen sich hier große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, ohne dass eine klare regionale Tendenz erkennbar wäre. Bei der Bewertung der Risiken ist ein Drittel aller Befragten der Meinung, dass CommTech Nachteile für die Kommunikation mit den Stakeholdern, die Beratung des Top-Managements bzw. anderer interner Klienten oder für die eigenen Arbeitsabläufe mit sich bringt. 

Die Zurückhaltung auf der individuellen Ebene korrespondiert mit einem moderaten Digitalisierungsgrad auf der Mesoebene von Kommunikationsabteilungen und -agenturen. Nur sehr wenige (6,2 %) dieser Einheiten haben alle ihre Kernaktivitäten digitalisiert und berichten über eine sehr fortgeschrittene Nutzung von CommTech. Abgesehen von diesen Innovatoren hinken viele in der Praxis hinterher und werden von den Befragten als Außenseiter, Nachzügler oder Spätzünder eingestuft.  

Die größten Herausforderungen bei der Einführung von CommTech sind nicht technologische Fragen (z. B. die Leistungsfähigkeit der Software) oder menschliche Aspekte (z. B. fehlende digitale Kompetenzen der Kommunikatoren), sondern Faktoren, die auf Defizite innerhalb der jeweiligen Organisationen hinweisen. Oft sind die Kommunikationsaufgaben und -prozesse nicht auf die Digitalisierung vorbereitet (38,5 %). Als häufigste Hindernisse werden unflexible Strukturen und Kulturen, mangelnde Unterstützung durch IT-Abteilungen und ähnliche strukturelle Barrieren genannt (44,7 %).

Den vollständigen Bericht zum vertiefenden Lesen finden Sie hier.


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