Die Top-10 im IR Benchmark 2019 von NetFederation. Es konnten maximal 1.000 Punkte erreicht werden. (Quelle: IR Benchmark / NetFed)

Die digitale Kommunikation der Unionsparteien nach der Europawahl glich einem Offenbarungseid und der kolportierte „Rezo-Effekt“ dürfte bei den Verantwortlichen noch lange nachhallen. Aber sind politische Parteien die einzigen, die sich mit der Online-Kommunikation im öffentlichen Raum schwertun? Wie die Beratungsagentur NetFederation GmbH in ihrem neuen IR Benchmark zeigt, hat die digitale Finanzkommunikation ein ähnliches Problem, besonders im Hinblick auf die kommende Aktionärsgeneration. Auf vielen IR-Websites fehlen userfreundliche Funktionen, interaktive Dialogmöglichkeiten und mobile Features.

Im aktuellen Ranking 70 börsennotierter Unternehmen (Untersuchungszeitrum 1. und 2. Quartal 2019) macht die erstplatzierte BASF SE am meisten richtig, vor der Deutschen Telekom und der Daimler AG. Schlusslicht ist die Deutsche Pfandbriefbank AG.

Wie steht es um den Digitalisierungsgrad der IR-Kommunikation in Deutschlands Großkonzernen und wie gut sind diese auf die kommende Shareholder-Generation vorbereitet? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der neue IR Benchmark der NetFederation GmbH aus Köln. Gegenstand der Studie waren die IR-Websites und deren Social-Media-Anbindung von 70 deutschen börsennotierten Unternehmen. Die Ergebnisse sind in die Kategorien Inhalt & Design, Dialog & Interaktion sowie Technik & Service aufgeteilt.

Inhalte weisen viele Lücken auf

„Inhaltlich fehlt es noch zu vielen IR-Websites an grundlegenden Informationen zum Unternehmen. Dazu gehören beispielsweise die Corporate Story, die Wertschöpfungskette oder die Gründe für ein Investment“, erklärt Thorsten Greiten, Geschäftsführer bei NetFederation. Aber auch die Art der Aufbereitung lässt laut der Kölner Experten zu wünschen übrig. Die besonders visuell affine Zielgruppe der 18- bis 30-Jährigen wird auf IR-Websites vielfach nicht bedient, es fehlt bei 76 Prozent der untersuchten Unternehmen an Videos und vielfach auch an Bildern. Interaktiv aufbereitete Inhalte wie Kennzahlenvergleiche, die komplexe Informationen verständlicher und schneller erfassbar machen, sind ebenfalls Mangelware.

IR Benchmark NetFed Basisinformationen IR I

Die grundlegenden Informationen, die auf IR-Websites vorhanden sind. Doch Basisinformationen wie die Vorstellung des Unternehmens oder Infos zum Vorstand und zum Top-Management sind auf vielen IR-Websites noch nicht zu finden.

„Das gesamte Thema Nachhaltigkeit spielt auf IR-Seiten ebenfalls eine viel zu geringe Rolle. Investor Relations müssen globale Themen wie CO2-Bilanz und Klimaschutz zwingend in ihre Kommunikation aufnehmen und im Spiel halten, um junge Aktionäre für sich zu gewinnen”, so Greiten.

Strategische Ausrichtung muss in den Fokus

„Aus unserer Sicht müssen viele IR-Abteilungen dringend anfangen, die digitale Finanzkommunikation ganzheitlich und strategisch aufzubauen. Es ist zum Beispiel kaum nachvollziehbar, warum hier immer noch in DIN A4 und PDF gedacht wird, anstatt sich die Reichweite sozialer Medien gezielt zu Nutze zu machen und Inhalte kurz und prägnant an weitere Zielgruppen auszuspielen“, sagt Greiten. Gerade Social Media sind laut NetFederation in der IR-Arbeit unterrepräsentiert. Nur neun Prozent der Konzerne betreiben einen eigenen Twitter-Account für Finanzthemen, Social-Media-Feeds für alle Kanäle des Unternehmens sind im IR-Bereich lediglich bei zehn Prozent zu finden.

IR Benchmark 2019 NetFed Themen in SoMe Grafik IV

Die genutzten Social-Media-Kanäle für IR-Inhalte sind sehr überschaubar. IR-Inhalte spielen in den sozialen Medien und in Business-Netzwerken noch immer eine sehr geringe Rolle. Während Twitter mit 11 % (!) der am häufigsten genutzte Kanal in der Finanzkommunikation ist, findet digitale IR-Kommunikation auf anderen Plattformen quasi nicht statt.

Dialogorientierung auf dem Prüfstand

„Digitale Kommunikation bedeutet Dialog, allerdings fokussieren sich die meisten Unternehmen immer noch auf das einseitige Senden von Botschaften, die bestenfalls für Journalisten interessant sind. Hier fehlt ganz klar die Nutzerorientierung“, erläutert Greiten. So gibt es laut der Studie nur bei vier Prozent der Unternehmen einen Chat, wo sich Website-Besucher direkt an einen Service-Mitarbeiter wenden können. Durch die erwähnt geringe Social-Media-Kommunikation bleiben auch diese Dialogmöglichkeiten meist ungenutzt.

„IR-Verantwortliche sollten sich die Geschehnisse rund um die Europawahl zu Herzen nehmen und ihre eigene Kommunikation auf den Prüfstand stellen. Das ‘CDU-Problem’ zeigt, wie immens wichtig es ist, Fragen zu globalen Trends und Themen schnell und transparent zu beantworten. Klimaschutz und Digitalisierung sind Themen, die vor allem junge Aktionäre mit ihrem Investment in Einklang bringen möchten - hier ist noch viel Aufbauarbeit gefragt”, so Greiten abschließend.

Wo liegen die strategischen Felder?

Nach den Erkenntnissen des IR-Benchmarks lassen sich die nicht verstandenen Themenbedürfnisse und unbeantworteten Fragen in den folgenden sieben Punkten zusammenfassen. Der Appell von NetFederation: „IR-Abteilungen müssen anfangen, die Medienrevolution vollständig zu verstehen. Im schlimmsten Fall wird die Kritik ignoriert und man diffamiert lieber reflexartig die Protagonisten. Nur von DIN A4 und PDF abzurücken reicht ebenfalls nicht.“

  1. Pressemitteilung statt Newsroom
  2. Juristen statt Content-Manager am Werk
  3. Pflicht statt Kür
  4. Globale Agenda als Teil der Corporate Story
  5. Berichterstattung statt Dialog
  6. Faxgerät statt KI-Chatbot
  7. Warum geht es nicht voran? Die Schere im Kopf.

Die gesamte Studie mit weiteren Ergebnissen und vielen Best Practices findet sich auf der Website zum IR-Benchmark.


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