Studien Vergleichsstudie: Mitarbeiter sehen Agenturen kritischer als potenzielle Berufseinsteiger

Die Diskussion um die Frage, wie attraktiv für Berufseinsteiger der Start in einer Agentur ist, wird durch neue Fakten angereichert. An der Ostfalia Hochschule in Salzgitter ist im Frühjahr 2018 unter der Leitung von Professor Olaf Hoffjann die nach eigenen Angaben bislang größte nationale Studie zum Thema Arbeitsplatz Agentur entstanden, die allerdings nicht repräsentativ ist. Als erste Studie, so die Angaben der Macher, ermögliche sie aber dennoch einen Vergleich zwischen dem Image bei Studierenden und der ‚Realität‘ der Mitarbeiter. Das für Agenturen ernüchternde Ergebnis: Mitarbeiter bewerten Agenturen noch leicht schlechter als die - ohnehin schon recht kritischen - Interessenten.

Schaubild Arbeitgeberattraktivität: Agenturen scheinen den Wünschen der Studierenden nicht zu genügen – insbesondere bei der Arbeitsplatzqualität und Entlohnung. (Gesamt Mittelwerte: 1 = stimme voll und ganz zu / sehr wichtig; 5 = stimme überhaupt nicht zu/ überhaupt nicht wichtig). (© Ostfalia Hochschule)

Hoffjann und seine Mitstreiter ziehen daraus den Schluss, dass Agenturen allgemein also nicht nur ein Image-Problem beim Nachwuchs haben, sondern in noch höherem Maße bei ihren aktuellen Mitarbeitern. Eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Agenturtypen ist in der Untersuchung nicht vorgenommen worden.

Die Untersuchung mit dem Titel „Arbeitsplatz Agentur - eine Studie zum Arbeitgeberimage bei Studierenden und zur Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitern“ ist im Sommersemester 2018 im Masterstudiengang Kommunikationsmanagement an der Ostfalia Hochschule entstanden. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden im Mai/Juni 2018 zwei Onlinebefragungen durchgeführt. Daran nahmen 931 Studierende aus den Bereichen Medien, Design, IT und BWL sowie 147 Mitarbeiter unterschiedlicher Agenturtypen aus ganz Deutschland teil.

Untersuchungsgegenstand

Trotz vielfältiger Bemühungen von einzelnen Agenturen und Agenturverbänden, Kommunikationsagenturen haben seit jeher den Ruf, ein Arbeitgeber mit niedrigen Gehältern und umso längeren Arbeitszeiten zu sein. In Zeiten des Fachkräftemangels fällt es Agenturen damit immer schwerer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Diese Problemlage untersucht die vorliegende Studie erstmals aus zwei Perspektiven: Neben den Studierenden als künftigen (potenziellen) Agenturmitarbeitern befragt sie auch die heutigen Agenturmitarbeiter. Damit ist ein Vergleich zwischen dem externen und internen Image von Agenturen als Arbeitgeber, von Image und vermeintlicher ‚Realität‘ möglich.

Die zentralen Ergebnisse

1. Agenturen genügen nicht den Erwartungen der Studierenden.

Was erwarten Studierende generell von ihrem ersten Arbeitgeber –und wie bewerten sie Agenturen konkret? Diese Fragen wurden anhand von 26 Kriterien untersucht. Das ernüchternde Ergebnis: Bei 24 von 26 Kriterien liegen die Einschätzungen zu Agenturen teilweise deutlich hinter den Relevanzeinschätzungen. Besonders negativ werden die Verdienstmöglichkeiten bewertet. Mindestens ebenso kritisch ist der Faktor Arbeitsplatzqualität zu bewerten, zu dem Kriterien wie Work-Life-Balance, Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitszeitmodelle zählen. Nirgends ist die Diskrepanz zwischen den Agenturbewertungen und der Relevanz beim Berufseinstieg größer.

2. Und dennoch: Für viele Studierende sind Agenturen eine ernsthafte Option.

Angesichts dieser weitgehend kritischen Einschätzungen überrascht es, dass Agenturen für 5,1 Prozent der Befragten der favorisierte und für weitere 49,8 Prozent ein denkbarer Arbeitgeber sind. Eine weitere positive Nachricht für Agenturen: Die an einer Agenturtätigkeit interessierten Studierenden bewerten die Kriterien durchweg deutlich positiver als ihre Kommilitonen. Dies zeigt sich auch beim Thema Gehaltserwartungen: 36,7 Prozent der Interessenten würden sich mit einem Netto-Einstiegsgehalt von bis zu 1.500 Euro begnügen.

3. Agenturmitarbeiter sind grundsätzlich recht zufrieden.

Befragt man Agenturmitarbeiter nach ihrer grundsätzlichen Zufriedenheit mit ihrem Arbeitgeber, zeigen sie sich recht zufrieden. Auch entspricht ihr Job überwiegend den Erwartungen, die sie vor Eintritt in die Agentur hatten. Die generelle Zufriedenheit nimmt nach den ersten beiden Jahren leicht ab. Besonders zufrieden sind sie u.a. mit der Arbeitsatmosphäre, der Vielfalt ihrer Tätigkeit und auch mit ihrer Arbeitsplatzsicherheit. Kritisch bewerten Mitarbeiter neben dem Gehalt vor allem die Work-Life-Balance und Arbeitszeitmodelle.

4. Mitarbeiter kritischer als interessierte Studierende

Der Vergleich zwischen dem internen Blick der Mitarbeiter und dem externen Blick der Studierenden zeigt ein für Agenturen ernüchterndes Bild: Die Mitarbeiter bewerten die 26 Kriterien im Durchschnitt leicht schlechter als die an einer Agenturtätigkeit interessierten Studierenden. Besonders die beiden neuralgischen Themen Work-Life-Balance und Arbeitszeitmodelle sowie Bezahlung bewerten Mitarbeiter schlechter als die –ohnehin schon recht kritischen –Interessenten.

Ausblick

1. Gewinner- und Verliererthemen der Personalrekrutierung

Aus den besonders positiv bewerteten Kriterien lassen sich die Gewinnerthemen für die Personalrekrutierung ableiten: Erstens sind dies die Wohlfühlatmosphäre und das kollegiale Arbeitsklima, zweitens sind dies die Möglichkeiten zur Selbstentfaltung und zur Vielfalt der Arbeit. Insbesondere bei Berufsanfängern könnten diese Vorteile gegebenenfalls den Nachteil langer Arbeitszeiten auffangen. Zudem zeigt die Studie, dass Agenturarbeitsplätze von Mitarbeitern als sicherer bewertet werden, als von vielen Interessenten angenommen. Ein Verliererthema bleiben die Verdienstmöglichkeiten, die von interessierten Studierenden ebenso wie von jungen und erfahrenen Mitarbeitern mehrheitlich negativ bewertet werden.

2. Wichtigste Hausaufgabe: Mitarbeiter umwerben

Dass das Image von Agenturen bei vielen Studierenden verbesserungswürdig ist, überrascht nicht. Überraschend ist eher, dass Mitarbeiter Agenturen noch leicht negativer bewerten. Ob Agenturen im Vergleich zu anderen Arbeitgebern in dieser Hinsicht ‚tatsächlich’ schlechtere Arbeitsbedingungen bieten, kann die Studie zwar nicht beantworten. Letztlich ist dies aber sekundär: Denn die Einschätzungen der Mitarbeiter steigern nicht ihre Motivation und machen sie offener für einen Agenturausstieg.

Was Agenturen ihren Kunden zum Kaufverhalten sagen, gilt auch für das Verhalten ihrer eigenen Mitarbeiter: Images beeinflussen Handlungen. Es zeigt sich, dass Agenturen offenbar nicht nur bei Studierenden als künftigen Mitarbeitern, sondern auch bei heutigen Mitarbeitern mindestens ein Image-Problem haben. Vielleicht ist es aber auch noch schlimmer: Die Bezahlung ist ‚tatsächlich’ zu niedrig und die Arbeitszeiten sind ‚tatsächlich’ zu lang. Das mag in vielen Fällen den wirtschaftlichen Zwängen der Agenturen geschuldet sein. Es macht ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt aber nicht leichter –und dürfte mittelfristig Folgen für die Qualität haben.

Auf der Website der Ostfalia-Hochschule findet sich eine Zusammenfassung der Studienergebnisse mit Einzelergebnissen zu den untersuchten Kriterien.

Eckdaten zur Studie: Die Distribution des Umfragelinks erfolgte über studentische Verteiler einschlägiger Studiengänge durch Professoren und Professorinnen. Die Feldphase war im Mai / Juni 2018. Für die Auswertung konnten 932 Fragebögen berücksichtigt werden, davon 62,3 Prozent Frauen und 36,9 Prozent Männer. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer, die von Hochschulen und Universitäten aus ganz Deutschland kamen: 23,4 Jahre. 83,6 Prozent waren in einem Bachelor-, 16,4 Prozent in einem Master-Studiengang. Aus den Reihen der Agenturmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wruden 157 Fragebögen berücksichtigt.