Die Visualisierung in Marketing und PR nimmt zu, die eigenen Fähigkeiten in diesem Bereich schätzen die Kommunikationsmanager jedoch eher gering ein. Meinungsroboter – sogenannte „Social Bots“ – werden mehrheitlich als Gefahr für den gesellschaftlichen Diskurs und die Reputation von Organisationen betrachtet. Das sind zwei Schlaglichter aus den Ergebnissen des European Communication Monitors (ECM) 2017, der am 29. Juni in Brüssel vorgestellt wird. Was die Initiatoren des ECM wohl besonders freuen dürfte: Sie verzeichneten erneut einen neuen Teilnehmerrekord.

Der European Communication Monitor (ECM) vermisst seit über einer Dekade die Trends in der europäischen Kommunikationsbranche. Die diesjährige Ausgabe gilt nach Angabe der Initiatoren, der European Association of Communication Directors (EACD), mit einer neuen Rekordbeteiligung von 3.387 Kommunikationsmanagern aus 50 Ländern als größte jemals durchgeführte Studie zur strategischen Kommunikation von Unternehmen, NGOs und anderen Organisationen. Detailauswertungen für 20 Kernmärkte und Vergleichsstudien in Lateinamerika und im Asiatisch-Pazifischen Raum ermöglichen vertiefende internationale Einblicke.

Visuelle Kommunikation bietet enorme Potenziale

ECM 2017 SkillsNeue Möglichkeiten im Bereich von mobilen Medien, Social Media und Virtual Reality beschleunigen den Siegeszug der visuellen Kommunikation in Organisationen aller Größenordnungen. Die überwiegende Mehrheit der Befragten (94,4 %) bestätigt diesen Trend für professionelle Kommunikation. Jedoch trifft er die Branche weitgehend unvorbereitet: Mehr als die Hälfte aller Befragten (53,3 %) verfügt über geringe Kompetenzen für visuelle Kommunikation. Lediglich 12,1 Prozent besitzen hohe Kompetenzen in diesem Zukunftsbereich (siehe nebenstehende Grafik).

Das gilt ebenso für die Organisationen selbst: Während mehr als 80 Prozent über standardisierte Corporate-Design-Richtlinien verfügen, haben lediglich 36,7 Prozent umfangreiche visuelle Richtlinien beispielsweise für Videoclips oder Animationen implementiert. Weniger als fünf Prozent haben bereits einen umfassenden Managementprozess für visuelle Kommunikation.

Social Bots werden europaweit bislang wenig beachtet – Deutschland bildet eine Ausnahme

Berichte über Falschmeldungen in sozialen Medien („Fake News“) und wie diese zum Beispiel in Wahlkämpfen durch Meinungsroboter – sogenannte Social Bots – verbreitet werden sind allgegenwärtig. Dennoch belegen die Studienergebnisse eine kritische Haltung, teils sogar eine Ahnungslosigkeit der Kommunikationsbranche bei der Thematik. Europaweit hat lediglich ein Drittel die Debatte hierüber verfolgt und 15,9 Prozent geben sogar an, dass sie überhaupt nichts mit dem Begriff anfangen können.

Das ist in Deutschland anders: hier haben sich bereits zwei Drittel der Befragten (67,1 %) mit dem Thema befasst. Wie bereits im letzten Jahr bezüglich Big Data und Automatisierung allgemein, so zeigt sich auch in diesem Jahr für den Einsatz intelligenter Text- und Sprachroboter eine eher skeptische Einstellung in der Kommunikationsbranche. Social Bots werden mehrheitlich als Gefahr für die Gesellschaft und die Reputation von Organisationen betrachtet. 73,2 Prozent aller Kommunikatoren in Europa und 84,4 Prozent in Deutschland sehen neue ethische Herausforderungen. Lediglich vier von zehn der Befragten betrachten den Einsatz von Social Bots als Möglichkeiten für die Branche und ihr eigene Kommunikationsarbeit.

Hypermoderne verändert die öffentliche Kommunikation

Der in vielen europäischen Gesellschaften identifizierbare Trend von modernen über postmodernen zu hypermodernen Kulturen beeinflusst die Art und Weise, wie Organisationen mit ihren Bezugsgruppen kommunizieren. Die Hypermoderne ist charakterisiert durch übersteigertes Konsumdenken in vielen Bereichen auch jenseits von Produktmärkten, des ständigen Wandels sowie der überzogenen Individualisierung. Diese Entwicklung wird von einer großen Mehrheit (71,5 %) der befragten Kommunikationsexperten so in ihren Ländern bestätigt.

Organisationsintern macht sich dieser Wandel ebenfalls bereits bemerkbar – vor allem in Agenturen (57,2 %) und eigentümergeführten Unternehmen (51,8 %). Diejenigen Organisationen, die sich bereits selbst in der Übergangsphase von der Post- zur Hypermoderne befinden, haben die Kommunikation mit ihren Anspruchsgruppen bereits stark verändert. Unter anderem beteiligen sie sich stärker als andere aktiv an öffentlichen Debatten bezüglich aktueller politischer und gesellschaftlicher Themen.

Qualitätsmanagement und Benchmarking

Die kontinuierliche Verbesserung durch ein systematisches Qualitätsmanagement ist in Kommunikationsabteilungen weniger verbreitet als im Marketing, in der Produktion und in anderen Organisationseinheiten. Wenn Kommunikationsabteilungen und Agenturen ihre Aktivitäten bewerten und vergleichen, dann geschieht das primär durch eine Evaluation der eigenen Botschaften und deren Wirkungen. Ganzheitliche Benchmarkings zum Beispiel von Kommunikationsabteilungen anhand allgemein anerkannter Standards spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

Einordnung der Ergebnisse

Zerfass Ansgar PressPhoto 1Ansgar Zerfaß (Foto), Leiter der Studie und Professor für Strategische Kommunikation an der Universität Leipzig, erklärt: „In den letzten zwölf Monaten wurden wir Zeugen bedeutender geopolitischer Ereignisse, die auch Auswirkungen auf die weltweite Kommunikationsbranche hatten. In diesem Sinne analysiert der European Communication Monitor die wandelnde Rolle von Kommunikationsverantwortlichen und erfasst darüber hinaus den Einfluss gesellschaftlicher Themen auf die Branche. Der ECM dient auch in diesem Jahr wieder als Gradmesser für die Branche und bietet Antworten auf aktuelle Fragen und Herausforderungen.“

„Was in diesem Jahr besonders hervorsticht ist der Nachweis des gewichtigen operativen und strategischen Beitrags, den die Kommunikation zum Gesamterfolg leistet. Über 70 Prozent der befragten Kommunikationsmanager bestätigen, dass sie nicht nur für das Top-Management, sondern auch für andere Abteilungen direkte Erfolgsbeiträge leisten. Das wird viel zu häufig überhaupt nicht wahrgenommen,“ sagt Herbert Heitmann, Präsident der EACD.

Die am 29. Juni in Brüssel vorgestellte Studie wurde von einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Professor Zerfaß durchgeführt. Organisiert wird die jährliche Studie von der EACD und der EUPRERA, dem europäischen Wissenschaftsverband für Kommunikationsmanagement und Public Relations, unterstützt von PRIME Research, einem globalen Dienstleister für strategische Medienbeobachtung und Kommunikationsanalysen. Die Communication-Monitor-Reihe deckt weltweit über 80 Länder ab. Die europäische Befragung wird durch Vergleichsstudien in den Regionen Asien-Pazifik und Lateinamerika ergänzt.

Der vollständige Ergebnisbericht in englischer Sprache mit allen Ergebnissen (136 Seiten, PDF) ist auf der Website zum Communication-Monitor verfügbar. Ein Video mit den Studien-Highlights ist auf „PR-Journal-Plus“ und ebenfalls auf der genannten Website zu finden.


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