Chancen-Kompass Zwischentöne wahrnehmen Emotionale Intelligenz als Rauchmelder
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- von Thomas Dillmann, Bad Honnef
„Chancen-Kompass“ Folge 4. Unsere Autorin Mirjam Berle spricht an, was wir alle empfinden: Wir leben in kommunikativ brenzligen Zeiten. Ein falsches oder falsch verstandenes Wort und schon schlagen die emotionalen Flammen hoch. Wer sie nicht schnell genug löscht, riskiert einen Flächenbrand. Wie gehen wir damit um? Inwieweit hilft emotionale Intelligenz? Wie können wir Emotionen nutzen?
Von Mirjam Berle
Krisenkommunikation ist nicht nur die Königsdisziplin unserer Zunft, sondern auch unserer Zeit. Feuer löschen, wenn es so richtig brennt, ist das, wofür es Awards und sonstige schöne Auszeichnungen gibt. Aber im Grunde ist es dann doch schon viel zu spät. Und ich unterstelle mal, dass es wenigen von uns Spaß macht, Feuer zu löschen, wenn man weiß, dass sie durch Fahrlässigkeit, Unachtsamkeit oder mangelhafte Prävention entstanden sind.
Emotionale Intelligenz: Mehr als nur ein Schlagwort
Ein Mentor sagte mir einmal: „Eine Krise ist ein meist ungewöhnlich schlecht kommuniziertes Ereignis, das durch höchste Emotionalität verstärkt wird.“ Dieser Satz hat meine Sicht auf Krisenkommunikation nachhaltig verändert. Besonders in Krisenzeiten, wenn Emotionen hochkochen, wird deutlich, wie entscheidend emotionale Intelligenz für erfolgreiche Kommunikation ist.
Ich weiß, wir haben alle den Begriff „emotionale Intelligenz“ schon zigmal gehört. Aber mal ehrlich: In der Praxis ist es oft kniffliger, als es klingt.
Die Krux mit der emotionalen Intelligenz
Nur weil wir wissen, was emotionale Intelligenz ist, heißt das noch lange nicht, dass wir den Umgang damit verstehen. In einer Welt, in der Gefühle oberflächlich behandelt werden, ist es eine echte Herausforderung, authentische Emotionen von geschickter Manipulation zu unterscheiden.
Emotionale Intelligenz bedeutet aus meiner Sicht nicht, ständig in Gefühlen zu schwelgen oder übersensibel zu sein. Es geht vielmehr darum, die feinen Zwischentöne wahrzunehmen – bei uns selbst und anderen. Es kommt darauf an, unterschiedliche Gefühlswelten zu erkunden und zu verstehen. Nur so können wir auch die Emotionen anderer besser einordnen und ansprechen.
Was hilft, wenn's brennt?
Ein frischer Blick auf Emotionen:
- Emotionen als Goldmine: Statt Gefühle als gut oder schlecht abzustempeln – wie wäre es, sie als wertvolle Informationsquelle zu betrachten? Jede Emotion, ob positiv oder negativ, kann uns wichtige Einblicke in eine Situation gewähren. In der Krisenkommunikation ermöglicht uns dies, die wahren Ursachen und Hintergründe zu erkennen und gezielter zu adressieren.
- Worte als Werkzeuge: Es ist faszinierend, wie sehr sich die Wahrnehmung verändert, wenn wir statt „Ich bin ängstlich“ oder „Du bist ängstlich“ sagen „Ich habe gerade Angst“ oder „Du hast gerade Angst“. Diese kleine sprachliche Nuance kann in der Krisenkommunikation Wunder bewirken.
- Dem Bedürfnis auf der Spur: Hinter jeder Emotion verbirgt sich ein Bedürfnis. Immer wieder habe ich erlebt, dass das Erkennen dieser Bedürfnisse der Schlüssel zur Lösung einer potenziellen Krise war.
- Das wahre Gesicht hinter der Maske: In Krisenzeiten tragen Emotionen oft eine Tarnkappe. Ich frage mich dann stets: Was verbirgt sich wirklich hinter dem, was ich auf den ersten Blick wahrnehme?
- Die Kettenreaktion der Gefühle: Emotionen sind ansteckend – wir lachen oder weinen leichter in Gemeinschaft. Wie können wir diese emotionale Resonanz in der Krisenkommunikation konstruktiv nutzen?
- Gefühlsflexibilität: Die Fähigkeit, bewusst zu entscheiden, wie wir emotional auf Situationen reagieren, ist für mich der Heilige Gral der Krisenkommunikation. Diese Fertigkeit zu trainieren, lohnt sich in jeder Hinsicht.
Feuerwehr oder Brandschutz?
In der Kommunikation geht es nicht darum, die beste Feuerwehr zu sein, sondern der effektivste Brandschutz. Emotionale Intelligenz ist unser Rauchmelder, der uns frühzeitig warnt, bevor der Brand außer Kontrolle gerät. Indem wir unsere eigenen emotionalen Reaktionen verstehen und die der anderen antizipieren, können wir potenzielle Kommunikationskrisen leichter im Keim ersticken.
Die Fähigkeit, Emotionen als wertvolle Daten zu lesen und nicht als Störfaktoren abzutun, macht den Unterschied zwischen erfolgreichen Kommunikatoren und bloßen Informationsvermittlern. Es liegt an uns, ob wir diese Chance ergreifen oder ob wir weiterhin Energie fürs Löschen unnötiger Brände verschwenden.
Funken zum Mitnehmen:
- Emotionen müssen keine Brandbeschleuniger sein, wenn wir sie richtig lesen können – bei uns und bei anderen.
- Hinter jeder emotionalen Reaktion steckt ein unerfülltes Bedürfnis - wer dieses erkennt, hat den Schlüssel zur Deeskalation in der Hand.
- Echte emotionale Intelligenz zeigt sich in der Fähigkeit, Krisenkommunikation gar nicht erst nötig zu machen.
Über die Autorin: Veränderung ist die ständige Begleiterin von Mirjam Berle. In ihrer über 20-jährigen Karriere hat sie unzählige Transformationsprozesse und Krisensituationen hautnah miterlebt – als Führungskraft und Kommunikatorin. Als Wegbereiterin für Wandel berät und begleitet Mirjam heute Führungskräfte dabei, neue Wege zu erkennen und souverän zu beschreiten.
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