Empfehlung: Frank Beham nimmt die Angst vor dem Shitstorm

Corporate Shitstorm Autor Frank Beham CoverDie Angst vor Kontrollverlusten in der Kommunikation im Allgemeinen und im Besonderen davor, Opfer eines „Shitstorms“ werden zu können, das dürften noch immer zuverlässige Begleiter bei vielen Unternehmen sein. Das hindert sie manchmal, bei Social Media richtig aktiv zu werden. Und besser unter dem Radar zu bleiben. Nicht wenig tragen dazu die Unschärfen bei, was überhaupt ein „Shitstorm“ ist, ab welcher Größenordnung man von einem solchen betroffen ist und was dann kommunikativ zu tun ist. Nicht jeder kritische Eintrag auf der Instagram- oder Facebook-Seite eines Unternehmens ist ja gleich ein Shitstorm, wenn er ein paar Likes findet oder ein paar Mal geteilt wird. Und auch eine normale, berechtigte Beschwerde, öffentlich geäußert, muss nicht gleich das ganze Arsenal der Krisenkommunikation in Gang setzen.

Bei Shitstorms geht es um aggressiv bis bösartig zugespitzte Äußerungen, die im Netz lawinenartig Anklang finden und sich mit Wucht auf einen längeren Zeitraum hin gegen Unternehmen richten, mit Start in Social Media und zunehmendem Überschwappen in klassische Medien.

Das Phänomen „Shitstorm“ gehört in das Feld der Krisenkommunikation von Unternehmen, bedarf aber einer speziellen Herangehensweise. Hier sind eine ganze Menge an Fragen zu klären und Vorbereitungen zu treffen, damit ein Unternehmen im Fall des Falles nicht kalt erwischt wird.

Schwerpunkt Prävention

Nun ist die belastbare Literatur zum Thema eher überschaubar. Gut, kaum ein Praktiker-Ratgeber zur Krisenkommunikation hat nicht ein paar wohlfeile Vorschläge zur Tonalität in einer Social Media-Auseinandersetzung parat. Aber wissenschaftlich geprüft ist das alles nicht. Wer einen systematischen und präventiven Ansatz verfolgen will, der kann sich mit dem vor einigen Jahren als marketingwissenschaftliche Dissertation an der Universität des Saarlandes erfolgreich abgeschlossenen Ansatz von Frank Beham befassen. Eine nützliche Kurzfassung seines Modells ist in der „Essential“-Reihe bei Springer Gabler veröffentlicht. Das Bestechende an seinem Modell ist der Schwerpunkt in der Prävention. Wer Behams Ansatz umsetzt, der hat eigentlich seine Antwort für den Krisenfall schon vorbereitet.

Das von Beham geforderte Corporate Shitstorm Management besteht aus sechs aufeinanderfolgenden Schritten: 1. Vorbereitung (Setup) - 2. Situationsanalyse - 3. Wahl der Unternehmensreaktion - 4. Berücksichtigung der Stakeholderkultur - 5. Kommunikation der Reaktion - 6. Kontrolle/Überwachung der Konsequenzen.

Zwölf „Antezedenzien“

Gehen wir kurz auf drei dieser Abschnitte ein. Das Innovative an seinem Modell ist Abschnitt 2, die Arbeit mit den zwölf von ihm benannten Faktoren, die in einem Krisenfall berührt sind beziehungsweise sein könnten. Er nennt sie „Antezedenzien“. Ein Unternehmen muss dabei betrachten, inwiefern Faktoren wie beispielsweise die Macht von Stakeholdern involviert ist. Wie sehr ein Thema Dringlichkeit hat. Wie sehr beispielsweise ein Bruch oder ein Widerspruch zu den vom Unternehmen vertretenen Werten gegeben ist. Oder wie sehr die Dialogbereitschaft der Social-Media-Kritiker ausgeprägt ist. Das beruht zum einen auf dem klassischen Segmentierungs-Ansatz von Mitchell mit der Einteilung verschiedener Stakeholder-Kreise nach Macht, Legitimität und Dringlichkeit. Beham geht aber mit den insgesamt zwölf Faktoren auch darüber hinaus. Betroffene Unternehmen müssen dann den konkreten Fall anhand von Skalen unter anderem bewerten und die Faktoren gewichten. Das ist alles andere als trivial, setzt eine Menge Erfahrung und auch Manpower voraus, wie sie nicht in vielen Unternehmen gegeben sein dürften.

Schritt 3: Bei den Antwortstrategien ist Behams Ansatz weniger innovativ. Er schöpft das im Wesentlichen aus der Situational Communications Theory von Coombs, hat dessen zwölf Strategietypen (Krisenreaktionsstrategien) aber zu fünf verdichtet: No Response - Denial - Distance - Apology - Concession. Das kennt man, wenn man die wissenschaftlich seriöse Literatur überblickt.

Kluge und differenzierte Überlegungen

Hilfreich sind dann wiederum die Überlegungen in Abschnitt 5. Wie soll die Tonalität bei der Antwort sein? In Social Media muss das Statement des Unternehmens anders klingen als eine Pressemitteilung auf der Website. Responder-Hierarchie: Wer soll für das Unternehmen antworten, welche Verantwortungsstufe passt zu welcher kritischen Situation? Visibilität der Reaktion – wo genau soll die Antwort auf eine Kritik erfolgen und für wen soll sie sichtbar werden? Grundregel 1: den Kritikern auf dem Kanal entgegentreten, wo die Kritik zuerst geäußert worden ist. Und Grundregel 2: durch die Ausweitung der Antwort auf unnötig viele (zusätzlichen) Kanäle nicht unnötig schlafende (Medien-) Hunde wecken. Und noch weitere gute Hinweise zum Zeitfaktor (Zeitpunkt, Abstand zur geäußerten Kritik, Abstand bis zur Feststellung des tatsächlichen Schadensausmaßes etc.) werden formuliert. Das sind kluge und differenzierte Überlegungen, die man nicht andernorts schon vielfach gelesen hat.

Der Vorzug von Behams Arbeit ist, dass sie auf empirisch-wissenschaftlicher Forschung beruht. Ihr Nachteil: Das Vorgehen in der Situationsanalyse ist so komplex, dass nur bestens besetzte Kommunikationsabteilugen von (sehr) großen Unternehmen überhaupt nur die Ressourcen-Voraussetzungen dazu haben dürften. Wer das nicht hat, der kann zu dem mit Recht viel zitierten Praktiker-Ansatz der Shitstorm-Skala greifen (Daniel Graf, Barbara Schwede, Mike Schwede) Der ist zwar nicht aus wissenschaftlicher Forschung, aber dafür aus realen Fällen der genannten, namhaften schweizerischen Social-Media-Experten erwachsen. Mittelständischen Unternehmen, Start-ups, Vereine etc. dürften hier einen für sie leichter umsetzbaren Ansatz finden, der auch durchaus für eine erfolgreich Umsetzung in der Praxis reicht. Behams Modell gehört eher ins Rüstzeug von Konzernen und großen Organisationen.

Titel: Corporate Shitstorm Management. Konfrontationen im Social Web professionell managen; Autor: Frank Beham; Verlag: Springer Gabler, Wiesbaden 2015; Umfang: 73 Seiten; Preis: 14,99 Euro; ISBN-Nr.: 978-3-658-10494-8

Kiefer Markus Prof FOM kleinerÜber den Autor der Rezension: Professor Dr. Markus Kiefer (64, Foto) war von 2010 bis Ende des Sommersemesters 2022 hauptberuflich an der FOM – Hochschule tätig, als Professor für Allgemeine BWL, mit dem Schwerunkt Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Ab dem Wintersemester 2022 wird er an der FOM und im Wechsel an weiteren Hochschulen Lehraufträge mit Schwerpunkt PR und Unternehmenskommunikation wahrnehmen.

Seitennavigation

Personalien

Josef Arweck wird Partner

Josef ArweckDer langjährige Porsche-Kommunikator Josef Arweck steigt als Partner bei der auf strategische und politische Kommunikation spezialisierten Beratung ein. Damit baut Bernstein seine integrierte Beratungskompetenz weiter aus. Ein Schwerpunkt von Josef Arweck und seinem Team wird auf kommunikativen Sondersituationen sowie der diskreten Begleitung von Family Offices liegen.

Agenturen

Letzte Frist zur Abgabe verlängert bis 23. April

Pfeil mit ÄpfelnDer Endspurt für die Teilnahme am Pfeffer-PR-Journal-Ranking 2024 ist eingeläutet. Die Frist zur Einreichung der Daten aus dem Geschäftsjahr 2023 wurde letztmalig bis zum 23. April verlängert. Noch bis zu diesem Zeitpunkt können „Agenturen mit PR-DNA“ die Zahlen zur Umsatz- und Mitarbeiterentwicklung aus dem vergangenen Jahr melden.

Unternehmen

Allianz-Chef Bäte erfolgreichster DAX-CEO im Social Web

Studie DAX-CEO Social MediaAuf den Plattformen LinkedIn und Instagram soll Allianz-Chef Oliver Bäte in Summe besser kommunizieren als die restlichen DAX-40-Konzernchefs. Das legt jetzt die aktuelle Auflage des „Social CEO-Checks“ offen - der gemeinsam von der Kommunikationsagentur cocodibu und der Hochschule Macromedia herausgegeben wird.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Interne Kommunikation: Weniger ist mehr

Eine Umfrage der Hamburger Agentur nwtn bringt es an den Tag, weniger – und seltener – ist in der internen Kommunikation mehr. Die Nachrichtenflut und die vielen Kanäle lösen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Der Wunsch aus der Belegschaft: Lieber nur wöchentlich und dann eine Information, wenn es wirklich etwas Neues gibt. Die Befragung von bonsai Research im Auftrag von nwtn zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der internen Kommunikation zunimmt.

Aus- und Weiterbildung

Neues Intensivtraining

Karen HoffmannDie Deutsche Akademie für Public Relations dapr, Düsseldorf, startet ihr neues Intensivtraining Corporate Community Manager am 18. September 2024. Ab sofort können sich Interessierte dazu anmelden. Im dreitägigen Seminar lernen Mitarbeitende und Führungskräfte aus Kommunikation, Marketing, PR, HR sowie Change-Management, wie sie interne Gemeinschaften aufbauen und managen.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Das Königshaus und seine PR

Kate, Prinzessin von WalesEine Frau, eine Parkbank, eine Botschaft. In der vergangenen Woche machte die Prinzessin von Wales persönlich in einem Video ihre Krebskrankheit öffentlich. Auch das ist Public Relations. „Kate hat Krebs“ – diese Alliteration zieht sich seither durch die Berichterstattung. Beiläufig wird darüber diskutiert, ob das Königshaus mit guter oder schlechter PR glänzte, worüber sich streiten lässt.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Auszeichnung für zwei Gewinnerinnen

Caroline Siegel, Lina Blenninger und Günter BenteleLina Blenninger und Caroline Siegel sind die Gewinnerin des Günter-Thiele-Preises 2024 und werden mit dem gleichnamigen Forschungsstipendium 2024 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 12. April 2024 im Rahmen der Veranstaltung „Refresh“ des Lehrbereichs Communication Management an der Universität Leipzig statt. Der Jury-Vorsitzende ist Professor Günter Bentele.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.