Manfred Piwinger (Foto: privat)

Aus einem Impressum lässt sich häufig mehr herauslesen als die reine Absenderangabe. Werfen wir zu diesem Zweck und beispielhaft einen Blick in die Impressen der DAX-Jahresberichte 2021. Wie sieht es dort bei genauer Betrachtung tatsächlich aus? Welche Erkenntnisse lassen sich gewinnen? Soviel sei an dieser Stelle schon verraten: Ein einheitliches Bild über Zuständigkeit und Verantwortlichkeit ergibt sich aus der Analyse der Impressen von DAX-Werten nicht.

Wahre Fundgrube

Über die Jahre gesehen, war das Impressum wenig aussagekräftig und enthielt in der Regel neben der Unternehmensanschrift oft nur die Funktion „Unternehmenskommunikation“, entweder als Ansprechpartner oder wie in einigen Fällen als Herausgeber. Das war einmal. Heute ist das Impressum eine Fundgrube für bemerkenswerte Informationen und öffnet uns die Augen über den aktuellen Zustand der verschiedenen Kommunikationsdisziplinen, deren wachsende oder schwindende Bedeutung, Zuständigkeit und Einbindung innerhalb der Unternehmensorganisation.

Unternehmen machen häufig ergänzende Angaben

Was enthalten die Impressen der DAX-Werte 2021? Aus der Analyse lässt sich herauslesen, dass es beinahe kein Unternehmen bei der Anzeige des Absenders belässt und ergänzende Angaben macht. Häufig genannt werden Redaktion, Kontakt, Herausgeber (dieser selten) und Personen als Ansprechpartner für bestimmte Bezugsgruppen (z.B. Investoren oder Einzelaktionäre). In manchen Fällen sind Personen namentlich mit E-Mail, Telefon- und Faxdurchwahl angeführt. Unter den genannten Funktionen finden sich unter anderem Corporate Communications, Investor Relations, Sustainability, Media Relations, Corporate Responsibility, Corporate Accounting und Subsidiary Controlling, Public Affairs sowie Redaktion und Konzept. In weiteren Fällen finden sich Angaben zu externen Dienstleistern wie Fotografen, Lektorate, Konzept- und Gestaltungsbüros sowie zur Realisierung und zum technischen Support seitens Agenturen und anderer Dienstleister.

Ein einheitliches Bild über Zuständigkeit und Verantwortlichkeit lässt sich aus der Analyse der Impressen von DAX-Werten nicht gewinnen. Zu unterschiedlich fallen die Angaben aus. Sehr häufig werden nur Kontaktadressen genannt. Als üblich können bei großen Kapitalgesellschaften kooperative Modelle angesehen werden. Als Beteiligte werden dort beispielsweise Corporate Communications, Investor Relations, Corporate Accounting, Subsidiary Controlling oder auch Financial and Regulatory Reporting genannt. Das entspricht weitgehend dem praktischen Vorgehen innerhalb der Unternehmensorganisation.

Bedeutungsverschiebung in der Unternehmensberichterstattung

Seit große Kapitalgesellschaften zu Berichten über Nachhaltigkeitsthemen verpflichtet sind, hat sich klammheimlich eine weitere Unternehmensdisziplin ausdifferenziert: Corporate Sustainability Reporting, vorzufinden unter „Corporate Sustainability Officer“, den es vorher noch nicht gab. Insgesamt spiegelt sich darin eine Bedeutungsverschiebung in der Unternehmensberichterstattung wider. Nachhaltigkeitsberichte haben eigene Impressen und in den allermeisten Fällen eigene Zuständigkeiten und Anbindungen abseits von Corporate Communications und Investor Relations.

Neue Kommunikationsdisziplin bildet sich heraus

Hier hat sich schon oder bildet sich aktuell eine neue Kommunikationsdisziplin heraus, was bisher in der Kommunikationsforschung und -wissenschaft beinahe unbeachtet blieb. Jedenfalls war sie bisher nicht in der Betrachtung einer weiteren Ausdifferenzierung wahrzunehmen. Das genau ist das Neue, welches aus den Impressen der kapitalmarktorientierten Unternehmen zu lernen ist.

Noch ist nicht klar, wohin die Entwicklung gehen wird und vor allem, ob der Unternehmenskommunikation nicht etwa ein schleichender Funktionsverlust droht. Überhaupt wäre es einmal sinnvoll, die verschiedenen Kommunikationsdisziplinen mit deren jeweiliger Definition, Zuständigkeit sowie organisatorischer Einordnung einander gegenüberzustellen. Die Entwicklung einer zentralen Disziplin ist noch lange nicht zu erkennen, wäre dauerhaft aber unbedingt zu empfehlen.

Aus diesen Erkenntnissen lässt sich schließen, dass Unternehmen in Bezug auf die Angaben in den Impressen ein ungelöstes Organisationproblem haben. Hinzu kommt, dass durch die Priorisierung von Nachhaltigkeitsthemen (= nichtfinanzielle Faktoren) die klassische Unternehmenskommunikation an Einfluss und Wahrnehmung verliert. Es wird klar: Wissenschaft und Praxis haben sich auf die veränderten Verhältnisse noch nicht eingestellt beziehungsweise ignorieren sie. Und – aus theoretischer Sicht nicht unwichtig – eine eigene Verbandsdefinition oder Ähnliches gibt es derzeit für Corporate Sustainability noch nicht. Es scheint aber bloß eine Frage der Zeit zu sein, bis sich das ändert.


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