#abflugbereit - Christine Lambrecht und die Bilder ihres Sohnes

Der junge Mann wirkt sehr zufrieden mit sich und der Welt, die er uns auf seinem Instagram-Kanal vorführt. Im blauem Anzug mit einem geschäftigen Businesskoffer sehen wir ihn über ein leeres Flugfeld auf einen Lear Jet zu rollern. Ganz so, als würde das mehrstrahlige Flugzeug allein auf ihn warten. Auf dem nächsten Bild strahlt er adrett frisiert über einen gedeckten Frühstückstisch hinweg in die Kamera - über den Wolken werden Wraps, Macarons und etwas Salat gereicht: Für einen „Digital Native“ eine unwiderstehliche Gelegenheit zur Selbstinszenierung.

Die Social-Media-Screenshots zeigen Fotos, die die Versäumnisse der Ministerin im Amt emotionalisieren.

Es hätten so schöne Erinnerungsfotos sein können, hätte der Hochmut den 21-Jährigen nicht dazu verleitet, diese Fotos auf Instagram zu posten. Denn der junge Mann ist Sohn, der Sohn von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Und Platz genommen hat er als Passagier der Flugbereitschaft der Bundesregierung.

In der politischen Kultur Deutschlands wird kaum etwas so verachtet, wie die Vorteilsnahme für Familienmitglieder. Das Publikum will Repräsentanten, die selbstlos, arbeitswütig und bis zur Selbstverleugnung bescheiden sind. Angela Merkel hatte dieses Prinzip zur Perfektion entwickelt, Olaf Scholz wurde damit zum Kanzler. Eine Ministerin mit jahrelanger Kabinettserfahrung weiß das und genau deshalb taugen die Fotos aus den Regierungsmaschinen zum Aufreger. Sie widersprechen dem Schweigegelübde der politischen Klasse: Du darfst einflussreich und mächtig sein, aber Du darfst nicht prahlen. Schon gar nicht mit den Privilegien, die der Steuerzahler zur Verfügung stellt.

Gleichzeitig symbolisiert das Fliegen mit Privatmaschinen die ultimative Abgrenzung von der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ (Schelsky) der Bundesrepublik. Nichts verkörpert diese soziale Nivellierung so wie die SPD, die den Aufstieg der Arbeiterschaft in die Mittelschicht als ihren ureigensten historischen Erfolg verbucht.

Schon einmal scheiterte ein SPD-Verteidigungsminister an verunglückten Fotos

Einem anderen SPD-Verteidigungsminister wurde die distanzlose Darstellung in der Öffentlichkeit zum Verhängnis: 2001 ließ sich Rudolf Scharping während eines Mallorca-Urlaubs mit seiner adeligen Geliebten plantschend im Pool portraitieren. Die Bundeswehr stand zur gleichen Zeit vor einem gefährlichen Auslandseinsatz auf dem Balkan, für die Truppe galt Urlaubssperre. Drei Wochen später flogen Flugzeuge in das World Trade Center und Rudolf Scharping hieß von da an „bin Baden“.

Lambrecht Sohn Hubschrauber

Versonnen schaut der junge Mann aus dem Kabinenfenster des Helikopters, im Hintergrund der Pilot. Das Bild zeigt die Perspektive eines direkten Gegenübers, wahrscheinlich der Blick der Mutter: Khakihose und grauer Bundeswehrpulli verleihen dem Sohn einen legeren Chic, auf der Brust das Logo des „Cyber Innovation Hubs“ - der neuen Cybertruppe der Bundeswehr. Very instagramable.

Und doch zeigt das Bild jemanden, der Flug im Regierungshubschrauber als Bühne für seine privaten Eitelkeiten nutzt, sich mit fremden Federn schmückt. Das wird dann zum Problem, wenn einflussreiche Medien kollektiv aufheulen und Kreuzigung fordern: Du sollst nicht prahlen, schon gar nicht, wenn das Land in Gefahr ist und die Menschen verängstigt sind. Da tut es nichts mehr zur Sache, dass die Ministerin später den Flug bezahlte …

Die Bilder des Sohnes zeigen eine selbstverliebte Vergnügtheit

In der vergangenen Woche eiert Christine Lambrecht hilflos herum, präsentierte täglich neue Ausflüchte für das Offensichtliche: Die Bilder ihres Sohnes zeigen eine selbstverliebte Vergnügtheit an den eigenen Privilegien, die in Krisenzeiten einer maximalen politischen Instinktlosigkeit gleichkommt. Nach den Veröffentlichungen im aktuellen Spiegel wird die Ministerin aktuell mehr mit der Selbstverteidigung beschäftigt sein als mit der Landesverteidigung. Der verstorbene Kommunikationsberater Michael Spreng, der einst Edmund Stoiber beinahe zum Bundeskanzler gemacht hätte, bemerkte zu solchen Vorgängen früher kühl: „Politiker fallen nicht über den Skandal, sondern über den Umgang damit.“

Und der Sohn? Es gehört wenig Fantasie dazu, sich die Scham und Schande vorzustellen, die den jungen Mann heimsuchen werden. Hat er doch mit seinen Postings die Karriere der Mutter schwer beschädigt, wenn nicht sogar beendet, denn der Bundeskanzler ist sicherlich „not amused“! Und auch hier gilt der Satz: Das Internet vergisst nicht. Die Bilder aus den Regierungsfliegern haben sich schon massenhaft vervielfältig und werden das Leben des jungen Mannes weiterhin begleiten. Es entsteht ein digitales Image, das schon jetzt zur Bürde wird.

Die Fotos emotionalisieren die Versäumnisse der Ministerin im Amt, das macht sie so gefährlich. Die Macht der Bilder wendet sich gegen ihre Schöpferin. Das wird nicht der einzige Grund für einen möglichen Rücktritt sein.

Über den Autor: Jost Listemann ist Inhaber des Unternehmens Time:Code:Media GmbH in Berlin. Er berät große Unternehmen wie die Bayer AG und die Autobahn GmbH des Bundes und produziert für sie Bewegtbild-Kommunikation. Gestartet ist er als Politikwissenschaftler, seit dem Jahr 2000 ist er in der PR-Branche mit Schwerpunkt visuelle Kommunikation und Film tätig. An der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft unterrichtet er Storytelling und Bewegtbild.

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