Corporate Language Haug Oliver Haseloff Anikar CoverMachen wir einen Selbsttest. Schauen wir selbstkritisch auf die Sprache unserer Unternehmen und Organisationen. Gibt es da noch Formulierungen wie zum Beispiel „fernmündlich“, „Zweitschrift“, „hochachtungsvoll“, „Ablichtung“, „Einvernehmen erzielen“. Oder auch: Verwenden wir noch immer „Rückantwort (statt Antwort), „Überprüfen“ (statt prüfen), „Übersenden“ (statt senden), „Rückfrage“ (statt Frage), „Rücküberweisung“ (statt Überweisung)? Wenn ja, dann könnten das Anzeichen dafür sein, dass die in unserem Unternehmen dominierenden Sprachgewohnheiten vielleicht schon zu angestaubt sind. Wo Unternehmen hier ansetzen können, wie sie vorgehen können, welche Instrumente es gibt, wie ein Regelwerk aussehen kann – diese Fragen beantworten die beiden Kommunikationswissenschaftler Anikar Haseloff und Oliver Haug in ihrem hochwertigen Buch für die Praxis des Kommunikationsmanagements.

Die Beispiele stammen aus dem Herzstück des anzuzeigenden Buches, geschrieben von zwei renommierten Praktikern. Die Kommunikationswissenschaftler Anikar Haseloff und Oliver Haug sind die Gründer der Agentur H & H Communication Lab. Sie haben unter anderem das Produkt „TextLab“ entwickelt, eine Software, die sowohl der Sprachanalyse als auch der Verbesserung von Texten in Richtung deutlich höhere Verständlichkeit dient. In vielen Projekten haben sie dabei mit Professor Frank Brettschneider kooperiert, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, dem geistigen Vater und Entwickler des „Hohenheimer Verständlichkeits-Index“, mit dessen Hilfe zum Beispiel regelmäßig die verständlichste Kommunikation von CEOs analysiert und öffentlich gewertet wird – und auch im „PR-Journal“ regelmäßig Beachtung findet.

„Corporate Language“ als Kernanliegen

Das Kernanliegen von Haseloff und Haug heißt „Corporate Language“, verstanden als die „systematisch gebrauchte, vereinheitlichte, charakteristische und damit erkennbare Sprache eines Unternehmens“ (Seite 90). Dabei werden Informationen ebenso transportiert wie Marken-Kernwerte des Unternehmens. Idealerweise entsteht ein einzigartiges, unverwechselbares Design einer Unternehmenssprache, bestenfalls als kommunikatives Alleinstellungsmerkmal.

Den konzeptionellen Ansatz ihrer Arbeit breiten die Autoren insbesondere im Kapitel 6 aus. Auf 40 Seiten des insgesamt gut 170 Seiten starken Paperbacks erläutern sie hier Regeln, wie eine erfolgreiche Corporate Language aufgesetzt sein sollte. Dabei gehen Sie auf die Wortwahl für zentrale, immer wieder verwendete Begriffe ein. Als Lösungen schlagen sie Glossare vor, aber auch Blacklists, die Wortungetüme und Verstaubtes in Quarantäne schicken. Sie fordern Listen mit „Love Words“, die stattdessen künftig einzusetzen sind, positiv besetzte – und auch so klingende! – sprachliche Neuschöpfungen. Sie beschreiben, worauf es bei einer „menschlich“ klingenden Tonalität einer Unternehmenssprache ankommt. Sie machen konkrete Alternativvorschläge für inflationär verwendete Floskel-Formulierungen wie „Ich stehe Ihnen für Rückfragen jederzeit zur Verfügung“ oder „Schicken Sie die Unterlagen an obenstehende Anschrift zu meinen Händen“. Sie zeigen auf, wie man überheblich-belehrende Standard-Satzstanzen wie „Wie Sie sicherlich wissen …“ durch Besseres ersetzen kann. Wie man Druck ausübende Infinitiv-Konstruktionen wie z.B. „ist durch Sie zu erledigen“ sehr viel geschmeidiger hinbekommen kann.

Hilfestellung in vielen konkreten Fragen

Und es bleibt weiter sehr konkret und praktisch in diesem Kapitel: Wann kann man sich ein „Du“ in der Ansprache des Kunden erlauben. In welchen Branchen jedoch bleibt ein „Sie“ zwingend? Wann nützt man besser ein „Wir“ und wann besser ein „Sie“ in der Anrede des Kunden? Gehen heute Smileys, Emoticons – und wenn ja: in welchen Branchen und in welcher Form von (digital kommunizierten) Dokumenten? Welche Sprach-Varianten gehen in einer adäquaten Anrede? Was drückt ein „Sehr geehrte ..,“ aus, was ein „Hallo, lieber …“ Wie ist eine verständliche, sachlich informative und unbürokratisch klingende Betreff -Zeile in Geschäftsbriefen zu formulieren? Wie geht ein lebhafter erster Einstiegssatz, wie eine etwas persönlicher klingende Verabschiedung (statt das x-te Mal: Mit freundlichen Grüßen).

Dies alles wird sehr konkret ausgerollt, mit zahlreichen Beispielen für Worst Practices und bessere Sprach-Alternativen. Haseloff und Haug schlagen vor, dass dies alles am besten in ein echtes Regelwerk zu überführen ist.

10-Schritte-Modell

Den Weg dorthin beschreiben die Verfasser im abschließenden Kapitel 7, in welchem sie ihre Methode in einem 10-Schritte-Modell zusammenfassen. Die zehn Schritte können hier aus Platzgründen nicht detailliert entfaltet werden, sollen aber zumindest genannt sein, so dass sich die Systematik des Konzepts zeigt: Einbindung Topmanagement – Aufbau des Steuerungsteams unter Einbezug aller Stakeholder – Dokumenten-Sammlung zur Ist-Analyse – Ausarbeitung und Feststellung des Regelwerks – Mitwirkung des Kunden (durch z.B. Kundenbeirat, Test, Fokusgruppen) – finaler Leitfaden sowohl in gedruckter als auch in dynamisch-digitaler Variante zur Fortentwicklung – Schulungen – Überarbeitung der Bestandskommunikation mit Priorität auf die zentralen, meist verwendeten Texte – Hilfsmittel (u.a. Software-Lösungen, Verständlichkeits-Kodizes der Universitäten Hohenheim und Hildesheim). Der Leser wird sehr plastisch und konkret durch die einzelnen Schritte geführt.

Der hier beschriebene zweite Buchteil ist der innovative. Im ersten Teil des Buches werden wissenschaftliche Grundlagen ausgebreitet, wie das Konstrukt „Verständlichkeit“, die klassischen Regeln der formalen sprachlichen Verständlichkeit. Das hat durchaus seinen Wert, ist aber auch andernorts schon zu lesen gewesen. Hinzu kommen Erfahrungsberichte aus Projekten, die beide Autoren mit begleitet haben (ERGO, Sparkassen-Gruppe).

Fazit

Da es für Unternehmen zunehmend darum geht, auf umkämpften Märkten den Kommunikationswettbewerb zu gewinnen, liegt hier ein Feld, das in der Praxis vieler Unternehmen noch Luft nach oben bietet. Ein hochwertiges Buch für die Praxis des Kommunikationsmanagements!

Titel: Corporate Language – Unternehmenssprache verständlich gestalten, effektiv steuern und praxisnah umsetzen; Autoren: Oliver Haug und Anikar Haseloff; Verlag: Kohlhammer, Stuttgart 2018; Umfang: 173 Seiten; Preis: 32,00 Euro; ISBN 978-3-17028348-0

Kiefer Markus Prof FOM kleinerÜber den Autor der Rezension: Markus Kiefer (63, Foto) ist Professor an der FOM - Hochschule für Oekonomie und Management. Dort lehrt er BWL, mit dem Schwerpunkt der Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation.
Im Rechtsverlag (Düsseldorf / Stadtlohn) hat er im März 2021 das Buch „Kommunikationskompetenz“ und die Essay-Sammlung „Moderne Unternehmenskommunikation“ veröffentlicht. Das Buch zeigt Wege zu einer zeitgemäßen Führungskräfte- und Organisationskommunikation auf, die zweite Schrift liefert Bausteine und Vorschläge für die Praxis – insbesondere der mittelständischen Unternehmenskommunikation. Zur Verlags-Website mit direkter Bestellmöglichkeit geht es hier.


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