Die digitale Tagung am 23. September zur Gründung des Research-Center erforderte einen erheblichen technischen Aufwand. (Foto: Tobias Tanzyna)

Unter dem Tagungsmotto „Kommunikation der Geschichte – Geschichte der Kommunikation“ diskutierten am 23. September rund 90 Kommunikationswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen, Historiker und Kommunikationspraktiker an der Universität Leipzig über die Entstehung der Unternehmenskommunikation im 19. Jahrhundert. Zudem setzten sie sich mit Unternehmensgeschichte als Thema der Kommunikation auseinander. Mit der digital übertragenen Konferenz wurde das „Center for History and Corporate Communication“ (das „PR-Journal“ berichtete) offiziell gegründet.

Die Initiative der Günter-Thiele-Stiftung für Kommunikation und Management wird wissenschaftlich geleitet von Professor Günter Bentele (Universität Leipzig) und dem Leipziger Alumnus Professor Felix Krebber (Hochschule Pforzheim, Business School). Sie wird künftig Forschung und Vernetzung mit der Praxis zu den in der Tagung thematisierten Strängen vorantreiben.

In seinem Grußwort verwies Professor Christof Ehrhart, Executive Vice President Corporate Communications & Governmental Affairs der Robert Bosch GmbH und Mitglied des Kuratoriums der Günter-Thiele-Stiftung, auf die Aktualität der Historie für Unternehmen und spannte den Bogen hin zur Debatte um Sinnstiftung: „Unternehmensgeschichte ist geronnener Purpose“. Uni-Rektorin Professorin Beate Schücking griff die Professionalisierungsdebatte auf und schilderte am Beispiel des medizinhistorischen Leipziger Sudhoff-Instituts und der Berufsausbildung von Medizinern, wie bedeutsam die Beschäftigung mit der Vergangenheit einer Disziplin für die kritische Selbstreflexion – besonders auch unter ethischen Gesichtspunkten – ist.

Die beiden thematischen Säulen griffen auch die Keynote-Speaker Professor Hartmut Berghoff (Uni Göttingen) und Professor Tom Watson (Bournemouth University) auf. Sie zeichneten historische Rahmenbedingungen für die Entstehung der Unternehmenskommunikation im Kaiserreich sowie eine globale Geschichte der PR nach. Die Gründer des Centers, Bentele und Krebber, legten eine theoretische Rahmung für Corporate History Communication vor und verwiesen auf die Notwendigkeit einer integrierten Kommunikationsperspektive, die sämtliche Stakeholder in den Blick nimmt und Geschichtskommunikation nicht alleine auf History Marketing verengt. Im Feld der PR-Geschichte machten sie auf Lücken in der historischen Berufsfeldforschung aufmerksam.

Intensiv weitergeführt wurde die Debatte am Nachmittag. Den ersten inhaltlichen Aufschlag machten Studierende des Pforzheimer Masters Corporate Communication Management, die unter anderem die Studie zu Bevölkerungserwartungen an die Kommunikation von Geschichte vorstellten. (Wir berichteten.)

Weiter ging es zum einen mit Beiträgen zur Entstehung der Unternehmenskommunikation bei Carl Zeiss, HAPAG, Krupp, Siemens und der Leipziger Messe, die auch deshalb interessant waren, weil neben neuen Forschungsergebnissen bezüglich dieser Unternehmen gezeigt werden konnte, dass Unternehmenskommunikation nicht als Reaktion auf kritische oder falsche Medienberichterstattung entstanden ist, sondern proaktiv aus Gründen der Arbeitsteilung und dem Motiv, Kunden und andere Stakeholder seriös zu informieren.

Im Track zu Geschichte als Thema der Unternehmenskommunikation wurde die Vielfalt des neu entstandenen Handlungsfeldes sichtbar: Inhaltlich einerseits anhand von Fragen der Verantwortung für Geschichte, die am Beispiel des Mahnmals Gleis 17 aufgezeigt wurde, mit dem Deutsche Bahn an die Deportationen jüdischer Bürger mit der Reichsbahn während des Nationalsozialismus erinnert.

Andererseits reichte das Spektrum bis zu Fragen von Geschichtsbezügen in der Marketingkommunikation bei Porsche. Strukturell erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Blick in den „Maschinenraum“ der Geschichtskommunikation bei Bosch sowie zur Dienstleister- und Beraterperspektive der Beratungen Stader und Koch. Marcel Messer von der Messer Group schilderte aus seiner sehr persönlichen Perspektive, wie in einem Familienunternehmen der aufrichtige Umgang mit Geschichte „Herzensangelegenheit“ ist.

Die Tagungsorganisatoren waren am Abend nach einem inhaltlich dichten Tag mit engagierten Diskussionen – auch zu ethischen Fragen des Berufsfelds und der Vermittlung von Geschichte – „etwas müde aber sehr zufrieden über einen gelungenen Start des neuen Forschungs-Centers“, wie Bentele und Krebber unisono resümierten.


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