„Upgrade - bitte“: Die künftige Rolle des Corporate Affairs Director

Verschiedenste disruptive Veränderungs- und Transformationsprozesse haben sich für die Unternehmensreputation als nicht zu verachtende Einflussfaktoren etabliert. Und Reputation wird schon lange nicht mehr als Beiwerk abgetan, sondern wirkt sich in anerkanntem Maße auf Umsatz und Gewinn aus. Wie sich der Corporate Affairs Director – beziehungsweise Public Affairs oder Governmental Affairs Director –  vom Einflüsterer zum Corporate-Krisenmanager und Strategiegestalter entwickelt hat und welche Rolle er in Zukunft spielen sollte, beleuchtet Matthias Fritton, Berater im Frankfurter Büro von Spencer Stuart.

Matthias Fritton ist Berater im Frankfurter Büro von Spencer Stuart.

Die deutsche Wirtschaft hat aktuell nicht nur eine „Baustelle“ abzuarbeiten: Digitalisierungsnotstand, Klimawandel, Diversity, Covid-19. Egal wohin man blickt – sei es Großkonzern, Start-up oder alteingesessener Mittelstand – überall ist die Anspannung zu spüren, überall werden Projekte aufgesetzt, Strukturen angepasst, Manager ausgetauscht oder gar nach einer neuen Unternehmensidentität gesucht. Manchmal ist „Krise“ zu spüren, anderswo wird mehr Geld verdient, als es die Bilanz erklären kann und bei Unternehmen die langfristig agieren, wird das Potential für Wachstum konsequent angegangen und investiert. Oft sehr erfolgreich. Das alles passiert nicht alleine aufgrund interner Ideen, Strategien oder Entwicklungen – so, wie Wirtschaft bis in die 2000er Jahre funktioniert hat, reicht es heutzutage schlichtweg nicht mehr. Der Druck kommt von außen – von der Gesellschaft, aus ganz anderen Branchen, von der Politik und ja, auch von der Natur.

Wegducken funktioniert nicht mehr

Zu den Einflussfaktoren zählen sich zunehmend komplexer gestaltende regulatorische Rahmenbedingungen seitens der Politik, ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen sowie fortschreitende Digitalisierung, oder der Aufstieg von Social Media als bidirektionale Kommunikationsmacht zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit. Wer den Einfluss externer Faktoren vernachlässigt, wird sich mit den direkten Auswirkungen unmittelbarer denn je konfrontiert sehen. Wegducken funktioniert nicht mehr. Überall in der deutschen Wirtschaft sucht man derzeit also neue Überschriften, neue Identitäten, neue Zielmodelle – kurz gesagt: Die Suche nach neuen Wegen, sich als Organisation in der Gesellschaft zu präsentieren, hat im großen Stil begonnen.

Organisationen müssen sich den nachhaltigen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Dritte (also weder auf das Unternehmen selbst noch dessen Kunden) bewusstwerden – auf das Klima, aber eben auch in unterschiedlichen Facetten auf die Gesellschaft: Vom Nachbarn über regionale Interessenvertreter bis hin zu Initiativen, Wählergruppen, NGOs, nationale sowie internationale Verbände und Politik. Insbesondere in volatilen Zeiten kann und darf sich die Führungsriege nicht erlauben, Entscheidungen unter völligem Ausschluss der breiten Öffentlichkeit und Missachtung gesellschaftlicher Ansichten zu treffen. Das bedeutet auch, staatliche Regulierung und Compliance früh mitzudenken und sich bei der Konzeptionierung und Implementierung dieser mit nachhaltiger und gut durchdachter „Lobby-Arbeit“ miteinzubringen.

Die Rede ist von einem transparenten, offenen, fairen, ausbalancierten und konstruktiven Lobbyismus, dem sich Unternehmen langfristig nicht entziehen können, wenn sie den gewachsenen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen standhalten wollen. Und genau das ist der Punkt, warum heute kein Weg um einen starken, klugen, strategischen, einflussreichen und mächtigen Corporate Affairs Director herumführt.

Der Corporate Affairs Director als strategischer Partner des Vorstands

In den vergangenen Jahren hat die Rolle des Corporate Affairs Directors zwar bereits in vielen Unternehmen deutlich an Bedeutung gewonnen – vor allem wenn es darum geht, etwaige Reputationsrisiken zentral zu überwachen und einzuschätzen, aber eben auch, wenn es um den Umgang mit diesen in Krisen ging. Die Rolle ist weitgehend weg von einer tradierten One-on-One-Beratung des CEOs. Aber ist sie wirklich schon die eines, sowohl auf Aufsichtsrats- als auch auf Vorstandsebene, akzeptierten strategischen Entscheiders, der als zentrale Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und Dritten die Kompetenzen aus den Bereichen Corporate Communication, Public und Government, Marketing, aber auch aus Megatrends wie Nachhaltigkeit und Diversität bündelt?

In Wirklichkeit hängt die Akzeptanz viel zu oft mit einer eher kurzfristig gedachten „Krisenreaktion“ zusammen. Wirklich ernst genommen werden die Warnrufe beim Top-Management vor allem dann, wenn „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“. Nur wenige Unternehmen gehen in Deutschland bisher weiter und geben der Rolle und den Forderungen des Corporate Affairs Chefs ähnliches Gewicht wie den Überlegungen der Strategieabteilungen und ihren Beratern. Angesichts der in ihrer Komplexität beständig weiter ausufernden Regulierung und der immer schneller auf uns zukommenden externen Einflüsse wird es für Unternehmen in Zukunft daher immer wichtiger werden, eine fest verankerte strategische Schlüsselposition wie den Corporates Affairs Direktor auf Top-Management-Ebene zu etablieren – eben genau dort, wo die Einflüsse und Bedürfnisse von Gesellschaft und Politik in den Entscheidungen mitgedacht werden müssen. Deutschland hinkt in dieser Hinsicht im internationalen Vergleich gerade gegenüber den angelsächsisch geprägten Ländern deutlich hinterher. Vor allem, was Einfluss und Akzeptanz der Rolle angeht; nicht nur was die unternehmensinterne Entscheidungskraft betrifft, sondern auch hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten sowie Entlohnung der Position.

Internationalität und Diversität sind entscheidend

Damit eine solchermaßen notwendige und tatsächlich spürbare Veränderung im Sinne eines „Upgrades“ der Rolle gelingt, sind nicht nur die Unternehmen gefragt. Es führt kein Weg daran vorbei, dass vor allem auch die Kandidaten ihre Karrieren hinsichtlich Internationalität und Diversität überdenken müssen. Eindimensionale, linear verlaufende Karrierewege werden zukünftig nur schwer mit einem sich immer internationaler und diverser gestaltenden Vorstands- und Aufsichtsratsniveau mithalten können. Wer in seiner Rolle als strategischer Partner der obersten Führungsetage ernst genommen werden will, braucht viel und tiefergreifende internationale Erfahrung, Überzeugungskraft und ein signifikantes Maß an strategischem und analytischem Denkvermögen, das man vor allem gewinnen kann, wenn man die Vielschichtigkeit und Komplexität internationaler Transformationsprozesse aus unterschiedlichen Perspektiven selbst kennengelernt hat.

Die Position des Corporate Affairs Directors wird auch in Zukunft wachsen und für Unternehmen entscheidend an Relevanz gewinnen. Denn mit Blick auf die Zukunft wird es sich kaum ein Unternehmen noch erlauben können, die Interessen Dritter nicht frühzeitig und in einem entsprechenden Umfang in seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Wer dabei eine Rolle spielen möchte muss in sich investieren und sich klug und weitsichtig darauf vorbereiten.

Der Autor: Matthias Fritton ist Berater im Frankfurter Büro von Spencer Stuart und berät Führungskräfte hinsichtlich Leadership und Change-Management. Er besetzt vor allem Vorstandspositionen im Finanzsektor und ist zudem unter anderem auf die Besetzung von Führungspositionen in der Unternehmenskommunikation aller Branchen spezialisiert.

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Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

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