Die (mitter)nächtlichen Pressekonferenzen im Anschluss an die Bund-Länder-Beratungen zur Pandemielage sorgen für Konfusion. Wie lässt sich diese Praxis verbessern?
Die letzten beiden Pressekonferenzen im Anschluss an die Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Lage brachten im Ergebnis eine äußerst missverständliche Anschluss-Kommunikation (Stichwort: "Osterruhe"). Die Bundeskanzlerin und die beiden Sprecher der Ministerpräsidenten traten jeweils erst (deutlich) nach Mitternacht vor die wartenden Journalisten der Hauptstadtpresse. Es ist vielfach festgestellt worden, zurecht, dass bei extrem schwierigen, komplexen Beratungen zu dermaßen spätabendlicher oder nächtlicher Stunde nicht immer und unbedingt Sinnvolles an Beschlüssen zu erwarten ist. Und insbesondere dann nicht, wenn eine Konferenz zuvor schon weit über zehn Stunden lang getagt hat.

Diese wohlfeile Kritik soll an dieser Stelle nicht billig verlängert werden. Aber es fällt anderes als bedenkliche Kommunikationspraxis negativ auf - was sowohl kritisch anzumerken, aber auch relativ leicht zu verbessern ist. So ist durchaus auffällig, dass drei so erfahrene Polit-Profis wie Merkel, Söder und Müller gegen ganz simple Grundsätze für die Durchführung einer erfolgreichen und interessanten Pressekonferenz wiederholt verstoßen (haben). Hier könnte die Politik durchaus Anleihen bei den Pressekonferenzen in der Wirtschaft und insbesondere bei der Praxis großer Konzerne machen. Diese exerzieren das gerade bei ihren Bilanz-Pressekonferenzen hervorragend. Was könnte man hier lernen?

Grundregel 1: Wenn mehrere Sprecher in einer Pressekonferenz vortragen, so ist es unabdingbar, dass zuvor die Rollen und die Inhalte schwerpunktmäßig verteilt werden. Genau dies tun aber die Spitzenpolitiker und Spitzenpolitikerinnen bei ihren Pressekonferenzen im Anschluss an die Bund-Länder-Beratungen nicht. Stattdessen tragen alle drei in großer Regelmäßigkeit immer exakt dieselben Grundprinzipien ihrer Entscheidung vor. Getreu dem Motto, es hat schon jeder alles gesagt, nur nicht ich. Das wirkt unprofessionell, unabgestimmt und es nervt das Publikum. Es lässt sich leicht besser machen. Natürlich, diese drei haben jeweils unterschiedliche Pressesprecher. Aber es dürfte ebenso zumutbar wie machbar sein, dass diese sich auch noch kurz vor Beginn der Pressekonferenz auf unterschiedliche Sprechzettel für ihre Leute mit unterschiedlichen Schwerpunkten einigen. Profis wie Regierungssprecher Steffen Seibert und seine Kollegen aus Berlin und München sollten das hinkriegen. Das würde die Aussagekraft und Prägnanz der von den PKs (Pressekonferenzen) ausgehenden Botschaften deutlich verstärken.

Grundregel 2: Nicht nur sprechen - ansprechende Unterlagen vorlegen! Bei der vorletzten Pressekonferenz wurde die "Übersicht" der Beschlüsse zwar auf nur einer Seite zusammengestellt. Unübersehbar die Vorgabe, es auf einer Seite zu machen. Im Ergebnis war jedoch die Schrift so klein, dass es kaum leserlich wurde - zumal das Ganze in kleiner schwarzer Schrift auf einem dunkel-violetten Untergrund abgedruckt war. So wurde das Dokument den Journalisten ausgehändigt, so wurde es danach in den Zeitungen gedruckt und unverändert so auch im Netz abgebildet. Praktisch fast unleserlich. In jedem Fall unleserlich für ältere Bürger, mit logischerweise natürlichen Sehschwächen. Bei solchen Anfängerfehlern und Verstößen gegen die Grundregeln einer guten Gestaltung geht wirklich jeglicher Durchblick verloren, im Wortsinn. Völlig unnötig!

So etwas lässt sich doch im Vorfeld schon vorbereiten und besser gestalten. Im Übrigen war gerade diese Vorlage ein einziger Textfriedhof. Es beginnt langsam in den Medien eine Debatte, ob man bislang zu wenig in der Kommunikation getan habe, um die Migranten und andere wenig integrierte ausländische Milieus ("Großfamilien") zu erreichen. Mit solchen Vorlagen erreicht man sie allerdings gewiss nicht. Hier sollten andere Formen der Visualisierung und Bildsprache eingesetzt werden. Mindestens zusätzlich sollte das ausgehändigt werden. Mangelnde Vorbereitungszeit kann hier als Argument nicht gelten. Die Grundelemente der Beschlüsse waberten ja schon tagelang vor der Konferenz durch die Medien. Dann lassen sich auch durchaus solche Unterlagen besser vorbereiten, die dann ja kurz vor der Pressekonferenz noch um Details aktualisiert werden können. Vorbereitungszeit ist durchaus genug gegeben.

Und noch ein letzter praktischer Vorschlag zur Visualisierung der politischen Beschlüsse. Bei der vorletzten PK las die Bundeskanzlerin die ja ohnehin schon komplexe, ja teilweise verwirrende Beschluss-Liste ohne sonderliche Betonung vor. Erst einmal fragt man sich ja, wozu sich dafür eine Regierungschefin hergeben muss. Das könnte ja auch der Regierungssprecher tun, um danach die Kanzlerin um Kommentar und Einordnung zu bitten. Dies würde ihrem Stellenwert wesentlich besser gerecht. Zum anderen fragt man sich: warum muss das überhaupt vorgelesen werden? Viel einprägsamer wäre doch ein Splitscreen: Das Papier mit den Beschlüssen wird den Fernsehzuschauern und denen, die das lieber an ihren Devices verfolgen, eingeblendet und parallel sprechen und kommentieren die Politiker das, highlighten die entscheidenden Punkte. Das wäre eine viel bessere, viel wirksamere, weil bild- und übrigens auch hirngerechtere Kommunikation. Es sollte ein Leichtes sein, dass die Manager der Regierungskommunikation in Absprachen mit den live übertragenden Mainstream-Medien eine solche Ergebnis-Präsentation künftig wesentlich besser hinbekommen.

(Quelle: Kolumne von Markus Kiefer vom 1. April 2021 auf www.markus-kiefer.eu)


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