Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln. (Foto: Erzbistum Köln)

„Aus dem Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln sei ein Aufarbeitungsskandal geworden, kommentiert Georg Löwisch, Chefredakteur von ‚Zeit Christ & Welt‘. Dieser gipfelte in dem Versuch, Journalisten zur Verschwiegenheit zu verpflichten. An der Spitze der bizarren Kommunikationskrise stehe Erzbischof Woelki.“ So wird auf Deutschlandfunk.de ein Gastkommentar von Georg Löwisch anmoderiert. Der Chefredakteur von „Zeit Christ & Welt“ zeichnet nach, wie hilflos und desaströs die Kommunikationsarbeit zur vermeintlichen Aufklärung des Skandals um die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln derzeit verläuft. Der Druck auf die handelnden Personen unter Führung von Kardinal Woelki ist inzwischen offensichtlich so groß, dass kein Fehler ausgelassen wird.

Worum geht es genau? Der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Woelki, hatte im Zuge des Missbrauchsskandals größtmögliche Aufklärung für sein Bistum angekündigt und im Dezember 2018 bei der Münchner Kanzlei Westpfahl, Spilker, Wastl ein Gutachten in Auftrag gegeben, das aufzeigen soll, wie Verantwortliche im Erzbistum mit Missbrauchsbeschuldigungen umgingen. Doch dieses Gutachten wurde bis heute nicht veröffentlicht und soll auch nach dem Willen Woelkis niemals veröffentlicht werden. Der Grund: gravierende methodische Mängel und mangelnde Gerichtsfestigkeit. Stattdessen wurde beim Strafrechtler Björn Gercke ein neues Gutachten in Auftrag gegeben, das im März 2021 veröffentlicht werden soll.

Schlag ins Gesicht der Opfer

Gemessen an der ursprünglichen Absicht, dass die Aufklärung im Bistum Köln die härteste in Deutschland werden und „Schuld zuordnen“ sollte, ist die Nicht-Veröffentlichung wegen vermeintlich „methodischer Mängel“ ein Schlag ins Gesicht aller betroffenen Opfer. Das Vorgehen hat – wie könnte es anders sein – inner- und außerhalb der Kirche zu massiver Kritik geführt.

Im Zuge dieser Diskussion kam es im Erzbistum Köln am 15. Dezember 2020 zur Ablösung von Kommunikationsdirektor Markus Günther (55). Der hatte erst am 1. Februar 2019 sein Amt angetreten. Er war nach Ansgar Mayer (48) und Thomas Juncker (65) der dritte Kommunikationsdirektor innerhalb kurzer Zeit im Erzbistum Köln. Soweit - so normal, wenn der Druck zunimmt und die Kommunikation vermeintlich als Ursache für eine Krise ausgemacht wird.

Verschwiegenheitserklärungen von Journalisten gefordert

Doch es wird nicht besser. Ein unrühmlicher Höhepunkt folgt dann am 5. Januar 2021. Acht ausgewählte Journalistinnen und Journalisten werden zu einem Hintergrundgespräch eingeladen, um das Gutachten der Kanzlei Westpfahl, Spilker, Wastl in Teilen einsehen zu können. Empfangen werden sie mit einer von einer Anwaltskanzlei vorgefertigten Verschwiegenheitserklärung, die sie hätten unterschreiben sollen. Mit einer Unterzeichnung hätten die Journalisten zugestimmt, keinerlei Inhalte aus dem Gutachten zu veröffentlichen. Die Journalisten lehnten ab und machten diesen Vorgang öffentlich.

Der Chefredakteur des Bonner „General-Anzeigers“, Helge Matthiesen, kommentierte: „Insofern ist nicht recht erfindlich, was das Erzbistum Köln macht. Es bricht Regeln einseitig und schürt mit einer schriftlichen Verschwiegenheitsforderung den Verdacht, dass es um die Manipulation einer derzeit kritischen Öffentlichkeit geht. Das ist plump und im Sinne einer funktionierenden Öffentlichkeitsarbeit ein unerklärlich grober Fehler. Der Schaden ist beträchtlich, denn Journalisten sitzen auch in solchen Runden als Vertreter einer breiten Öffentlichkeit. Die lässt sich weder gerne belügen noch für dumm verkaufen. Wer auch immer im Erzbistum Köln dafür Verantwortung trägt – solche Schnitzer machen nur noch ratlos. Ist es Dilettantismus? Steckt dahinter eine böse Absicht? Und wenn ja, gegen wen? Klar ist nur, Kardinal Woelki verliert immer mehr an Vertrauen.“

Kritik aus den eigenen Reihen

Das gilt inzwischen auch für die eigenen Reihen der wohlmeinenden Katholiken und sogar für die eigenen Priester. Einer traute sich jetzt aus der Deckung und kritisierte seinen obersten Dienstherrn öffentlich. Pfarrer Klaus Koltermann aus Dormagen warf Woelki vor, seine Glaubwürdigkeit verspielt zu haben. Prompt bekam der mutige Pfarrer Post aus dem Generalvikariat und wurde aufgefordert, schriftlich zu seinen Einlassungen Stellung zu nehmen. Der machte diesen Vorgang öffentlich und schrieb an den Personalchef des Erzbistums, der Beweggrund für seine Kritik sei die „Unruhe treuester Katholiken“ hinsichtlich des Auftretens von Woelki in der Missbrauchskrise. Sein Gewissen habe ihn dazu gebracht, in dieser zentralen Frage Position zu beziehen. (Quelle: „General-Anzeiger“ Bonn, 11. Januar 2021)

Aktualisierung vom 12. Januar 2021: Laut Berichten im „Kölner Stadtanzeiger“ und im „General-Anzeiger“ Bonn, hat das Erzbistum Köln die Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen gegen Pfarrer Koltermann inzwischen zurückgenommen. Der Vorgang sei „erledigt“ und werde „keine weiteren Schritte nach sich ziehen“, zitiert der „Kölner Stadtanzeiger“ aus einem Brief des Personalchefs Mike Kolb an den Pfarrer Koltermann.

Der Umgang mit der Aufklärung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche wird die Öffentlichkeit wohl noch lange beschäftigen, insbesondere dann, wenn öffentliche Ankündigungen von hohen Kirchenvertretern nicht eingehalten werden. Die aktuellen Ereignisse in dieser Causa im Erzbistum Köln bis zum Stand Anfang Januar 2021 hat Georg Löwisch auf der Website des Deutschlandfunks umfassend und kenntnisreich kommentiert – der Kommentar steht dort auch als Audiodatei zur Verfügung. Löwisch schließt mit dem Satz: „Der Kardinal hat wieder und wieder gesagt, es müssten Namen von Verantwortlichen genannt werden, die falsch gehandelt hätten. Dafür, dass der Missbrauchsskandal zum Aufarbeitungsskandal geworden ist, steht jetzt schon ein Name wie kein anderer: Rainer Maria Woelki.“


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