Wurde am 29. Mai vorgestellt: der ECM 2020, die weltweit größte Studie zum Status Quo der Kommunikations- und PR-Branche.

Die Ergebnisse des European Communication Monitor (ECM) 2020, der weltweit größten Studie zum Status Quo der Kommunikations- und PR-Branche, wurden am 29. Mai in einem Webinar einem internationalen Fachpublikum vorgestellt. Ein Forscherteam unter Leitung von Professor Ansgar Zerfaß, Universität Leipzig, hat über 2.300 Kommunikatoren aus 44 Ländern befragt. Die Studie beschäftigte sich mit Fragen der Ethik, der Gleichstellung von Frauen und Männern, der Cybersicherheit und Kompetenzlücken von Kommunikatorinnen und Kommunikatoren. Ein erster Blick auf die Ergebnisse zeigt, dass die PR-Branche in Europa Kompetenzlücken hat in den Bereichen Technologie und Datenmanagement. Zudem wachsen die ethischen Herausforderungen durch die digitalen Kanäle. Und wenn es noch eines weiteren empirisches Beleges für den Nachholbedarf bei der Gleichstellung bedurft hätte, die Studie hat ihn erbracht.

Ethische Herausforderungen und wie ihnen zu begegnen ist

In einer globalisierten und vernetzten Welt sind die Konsequenzen individuellen Handelns oftmals schwer abschätzbar. Vieles, was rechtlich akzeptabel ist, kann aus moralischer Sicht fragwürdig sein. Studienleiter Professor Zerfaß erklärt: „Strategische Kommunikation beeinflusst die öffentliche Meinungsbildung und Realitätskonstruktionen in erheblichem Maße. Dies stellt Kommunikatoren in Organisationen und Agenturen vor immer neue moralische Herausforderungen, die wir in unserer Studie untersucht haben.“

Jeder zweite Kommunikationsverantwortliche (47 %) sah sich in der täglichen Arbeit im vergangenen Jahr mit mehreren moralisch herausfordernden Situationen konfrontiert, in 18 Prozent der Fälle gab es immerhin einen derartigen Vorfall. Im Vergleich zu früheren Erhebungen zeigt sich eine steigende Tendenz ethischer Probleme in den letzten Jahren. Die meisten Befragten begegneten diesen Herausforderungen, indem sie sich auf ihre persönlichen Werte und Einstellungen verließen (86 % Zustimmung). Ethik-Richtlinien der eigenen Organisation (77 %) und insbesondere Branchenkodizes (58 %) wurden dagegen deutlich seltener konsultiert. Neuere Kommunikationspraktiken wie Social Bots und Big-Data-Analysen werden aus ethischer Sicht kritisch bewertet (siehe Abb. 1) – möglicherweise auch deshalb, weil nur eine Minderheit der Befragten in den letzten drei Jahren an einer Ethik-Fortbildung teilgenommen hat.

ECM 2020 Ethische Herausforderungen Grafik Abb 1 Abbildung 1: Ethische Herausforderungen der digitalen Kommunikation: Vier von fünf Kommunikatoren zeigen sich besorgt über die Nutzung von Social Bots und Big Data. (Quelle: ECM 2020)

„Die digitale Kommunikation über alle Kanäle bietet neue Chancen zur genauen Adressierung von Zielgruppen und Stärkung der Reputation“, sagt Thomas Leitner, Vice President Cision D/A/CH, die die Studie als Partner unterstützt haben. „Die notwendige Infrastruktur gilt es abzusichern und Mitarbeiter zu sensibilisieren – auch im Hinblick auf die Spielregeln in rechtlich noch ungeregelten Bereichen.“

Gleichstellung in der Kommunikationsbranche – Status Quo und Problemfelder

Spätestens seit dem die Vereinten Nationen die Gleichstellung von Frauen und Männern als fünftes ihrer 17 Sustainable Development Goals (SDG) adressiert haben, wird dieses Thema auch in der Kommunikationsbranche verstärkt diskutiert. Der European Communication Monitor untersucht jährlich den Status Quo weiblicher Fach- und Führungskräfte in der PR – in der diesjährigen Erhebung mit einem besonderen Fokus auf die bereits erzielten Fortschritte sowie die weiterhin existierende „gläserne Decke“ für weibliche Kommunikatorinnen in der Branche.

Die Ergebnisse zeigen, dass zwar in drei von vier Kommunikationsabteilungen und -agenturen mehr Frauen als Männer arbeiten, aber nur jede zweite Abteilung/Agentur von einer Frau geleitet wird. Mehr als die Hälfte der Befragten konstatiert eine Verbesserung der Gleichstellung in der Branche. Nur eine Minderheit stimmt der Aussage zu, dass bereits genug getan sei (siehe Abb. 2) – dabei gibt es große Unterschiede sowohl zwischen Männern und Frauen als auch regional. Als die größten Karrierehürden für Frauen in der Kommunikation werden organisationsinterne Hürden genannt wie mangelnde Flexibilität, etwa zur Kinderbetreuung (62 % Zustimmung), sowie intransparente Beförderungsentscheidungen (58 %).

ECM 2020 Gleichstellung Frauen Grafik Abb 2 Abbildung 2: Unterschiedliche Fortschritte in der Gleichstellung von Frauen in der Kommunikationsbranche – Deutschland liegt im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld. (Quelle: ECM 2020)

Cybersicherheit in der Kommunikation

Digitale Infrastrukturen sind das Rückgrat moderner Kommunikation. Cybersicherheit wird damit zu einem erfolgskritischen Faktor für sämtliche interne und externe Kommunikationsvorgänge.

Knapp zwei Drittel der befragten Kommunikatorinnen und Kommunikatoren verfolgen die aktuelle Debatte um Cybersicherheit (63 %) und halten das Thema für ihre tägliche Arbeit in der Abteilung oder Agentur relevant (59 %). Befürchtet wird insbesondere, dass Hacker Webseiten oder Social-Media-Accounts angreifen könnten (42 % Zustimmung) oder digitale Infrastrukturen zum Absturz bringen könnten (29 %). Dabei sind öffentliche Institutionen und Non-Profit-Organisationen stärker gefährdet als Unternehmen. Mehr als die Hälfte der Befragten (54 %) hat schon einmal eine Cyber-Attacke auf die eigene Organisation erlebt, allerdings sind nur wenige in strukturelle Maßnahmen zur Cybersicherheit ihrer Organisation direkt involviert (siehe Abb. 3).

ECM 2020 Cybersicherheit Grafik Abb 3Abbildung 3: Kommunikationsverantwortliche sind nur selten in strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung der Cybersicherheit eingebunden. (Quelle: ECM 2020)

Kompetenzentwicklung: Lücken, Bedarf und Training

Das Kompetenzlevel der individuellen Kommunikatoren stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor von Kommunikationsabteilungen dar. Sie umfassen sowohl kommunikationsspezifische Fähigkeiten als auch darüber hinaus gehende Kompetenzen aus den Bereichen Management, Business, Technologie und Daten.

„Know-how bei der Analyse und Auswertung von Daten ist für PR-Profis heute unverzichtbar“, so Alexandra Groß, Vorstandsvorsitzende von Fink & Fuchs aus Wiesbaden, die Digitalpartner der Studie sind. „Dass die Studie hier Nachholbedarf aufzeigt, sollte ein Weckruf sein. Wer das volle Potenzial digitaler Kommunikation ausschöpfen will, muss kompetente Mitarbeiter und Berater an der Seite haben.“

Rund die Hälfte der Befragten (43 %) stimmt der Aussage zu, dass Kompetenzen und ihre Entwicklung ein zentrales Thema für die Branche sind, und fast alle (81 %) sind sich darin einig, dass die eigenen Kompetenzen einer steten Weiterentwicklung bedürfen. Kompetenzlücken wurden vor allem bei Technologiekenntnissen und Datenmanagement identifiziert. Die Hälfte aller Befragten fühlen sich in diesen Bereichen noch nicht ausreichend qualifiziert. Im Durchschnitt haben die Kommunikatoren in der Stichprobe 19 Tage im Kalenderjahr 2019 für Fortbildungen aufgewendet – für die Hälfte davon wurde Freizeit geopfert (Wochenenden, Urlaubstage, Feierabende) (siehe Abb. 4). Die meisten Befragten sehen die Kompetenzentwicklung im Verantwortungsbereich jedes Einzelnen (84 % Zustimmung), aber annähernd ebenso viele wünschen sich Fortbildungsprogramme seitens ihrer Organisation (83 Prozent).

ECM 2020 Weiterbildung Grafik Abb 4Abbildung 4: Mitarbeiter in Agenturen investieren deutlich mehr Zeit in die persönliche Weiterentwicklung als Kommunikatoren in Unternehmen, öffentlichen Institutionen und Non-Profits. (Quelle: ECM 2020)

Der Ergebnisbericht des ECM 2020 mit zahlreichen Detailauswertungen für Unternehmen, Non-Profit-Organisationen, öffentliche Institutionen und Kommunikationsagenturen sowie zentrale Länder ist über die Website zum ECM kostenlos verfügbar (PDF, 132 Seiten, englisch). Die Studie wird seit 2007 jährlich durchgeführt und durch parallele Erhebungen in Nordamerika, Lateinamerika und Asien ergänzt. Nach Angaben der Verfasser entspricht sie allen wissenschaftlichen Standards.


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