Thomas Wilde (Foto), München

Grenzen dicht, weltweite Reisewarnungen, Flüge gestrichen, Hotels geschlossen – es fühlt sich an wie ein „kalter Entzug“. Die Reiseindustrie kämpft ums Überleben. Die Welt im Leerlauf, Deutschland in Kurzarbeit, Ende nicht absehbar. All diese Nachrichten treffen auf zutiefst verunsicherte Konsumenten. "Kommunikation muss jetzt Vertrauen wiederherstellen", schreibt PR-Profi und „Reise-vor9-Herausgeber“ Thomas Wilde. Außerdem ist er der Auffassung, dass nach Corona die Anforderungen an die Kommunikation andere sein werden.

Von Thomas C. Wilde, München

2020 wird in die Geschichte der Menschheit als Jahr eingehen, in dem sich das Miteinander in wenigen Wochen ebenso dramatisch wie nachhaltig verändert hat. Mit heute noch ungeahnten Folgen. Angesagt wäre jetzt aus dem Stand ein radikal neues Denken – rund um den Globus. Wir sind doch flexibel, oder? Eben nicht – denn die Erfahrung aus den vergangenen Tagen zeigt erschreckend eindeutig, wie festgefahren wir sind, wie sehr wir uns an unsere Rituale klammern.

Vielen Akteuren der Industrie fehlt die Bereitschaft, auch ihre Kommunikation den neuen Spielregeln anzupassen. Motto: Was früher reibungslos funktioniert hat, das wird auch in Zeiten der Krise greifen. Doch wir erfahren auch: Diese Denke befindet sich auf dem Irrweg. Deutlich wird dies in der Touristik, der Gastronomie und der Hotellerie. Diese Unternehmen zählen nicht nur zu den Branchen, die von der Corona-Krise am härtesten gebeutelt sind. Schon heute lässt sich erahnen, dass diese Industriezweige vor grundlegenden und durchaus schmerzlichen Veränderungen stehen.

Keine Frage: Er wird stressig, der Umgang mit Kunden, Gästen oder Passagieren wird zwangsläufig ein anderer sein. Die Menschen haben sich in den vergangenen Wochen in der Isolation ihren ganz persönlichen Sicherheitsabstand geschaffen – in den eigenen vier Wänden: My Home is my Castle.

Sobald der Lockdown allerdings aufgehoben wird, gehen eben diese Kunden, Gäste und Passagiere mit dem neuen Anspruchsdenken vor die Tür, das ihnen verordnet wurde. Und sie wollen mehr wissen als bisher, werden ein neues Recht auf umfassende Aufklärung einfordern. Falsche oder unsachgemäße Informationen erfüllen in der Welt danach nahezu den Strafbestand der Körperverletzung.

Neue Bedürfnisse in der „Zeit danach“

Das neue Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit wird zwangsläufig in die Buchung einer Reise übertragen. Der Reisende in der „Zeit danach“ wird vor dem Urlaub mehr erfahren wollen als ihm bislang die Kataloge vermitteln. In der Gastronomie werden die Gäste peinlich genau darauf achten, dass der Abstand zum nächsten Tisch gewahrt ist, dass die Servicekräfte entsprechend geschult sind.

Und mehr noch: Bereits bei der Reservierung wird der Gast durchaus gerne wissen wollen, wo er zu zweit oder mit Freunden beziehungsweise der Familie sitzen wird. Hotelgäste werden nicht akzeptieren und laut aufschreien, wenn die neuen und notwendigen Hygienevorschriften an irgendeiner Stelle missachtet werden.

Kreuzfahrtgesellschaften werden sich der Herausforderung zu stellen haben, in neue Technik und Serviceeinrichtungen wie Buffets zu investieren und ihren Passagieren ein Gefühl von Sicherheit glaubwürdig mit auf die Reise zu geben. Wird es der Kreuzfahrtbranche nicht gelingen, ihr heftig ramponiertes Image wiederherzustellen, dann gehört sie als einstige Boom-Industrie zwangsläufig ein für alle Mal zu den größten Verlierern.

Transparenz, Vertrauen und Verbindlichkeit heißt die neue Währung

Die Währung für die Zeit nach Corona heißt Transparenz, Vertrauen und Verbindlichkeit! Es ist unstrittig: Im Marketingmix beim Kampf um die Gunst des Kunden, den Gast oder den Passagier kommt einer glaubwürdigen Kommunikation ein weitaus wichtigerer Stellenwert zu.

Schon in den vergangenen Wochen hat die Branche schweren Imageschaden genommen: Airlines wie Reiseveranstalter waren für Verbraucher nicht mehr erreichbar, Stornierungen wurden – trotz weltweiter Reisewarnung, geschlossenen Grenzen und ausgefallener Flugreisen – schlicht und ergreifend einfach nicht mehr angenommen. Ganz zu schweigen von der Rückerstattung des Reisepreises, um den so mancher Kunde jetzt zu kämpfen hat.

Nicht nur ein Land im Stillstand – die Kommunikation fand vielerorts einfach nicht mehr statt. Und bei allem Verständnis für die katastrophale wirtschaftliche Situation infolge von Corona: Unternehmen aus der Reiseindustrie und Hotellerie sind dabei, Vertrauen weiter zu verspielen, wenn sie jetzt mit Angeboten auf den Markt kommen, die den neuen Ansprüchen der Reisenden nicht entsprechen und aufgrund der gegenwärtigen Reisebeschränkungen für jedermann nachvollziehbar noch weit in den Sternen stehen.

Keine Frage: Die Branche ist gefordert, ihre Situation gegenüber der Politik laut und deutlich zu artikulieren. Und sie ist gut beraten, grundsätzlich auf Zuversicht zu setzen und dabei Optimismus auszustrahlen. Wer heute jedoch gegenüber seinen Kunden, Passagieren und Gästen fahrlässig kommuniziert und den Ernst der Lage in seinen Botschaften an die Kunden missachtet, der erweist der gesamten Branche einen Bärendienst und verspielt das Vertrauen, auf das insbesondere die Reiseindustrie jetzt mehr denn je angewiesen ist.

Über den Autor: Thomas C. Wilde ist PR-Profi und hat die Reisebranche über 30 Jahre lang begleitet und bei vielen Krisen beraten. Er ist Gründer der Münchner Kommunikationsagentur Wilde & Partner und hat sich Ende 2019 aus dem Tagesgeschäft und der Geschäftsleitung zurückgezogen. Wilde ist einer der Herausgeber von „Reise vor9“. Dort ist dieser Beitrag am 28. April zuerst erschienen. Die Veröffentlichung im „PR-Journal“ geschieht mit freundlicher Genehmigung des Autoren.


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