Thorsten Troge

Wie viel Kenntnis des deutschen Rechts brauchen professionell Kommunizierende heute? Natürlich: Es kommt darauf an. Aber gerade in Zeiten, in denen Unternehmensentscheidungen immer auch Kommunikationsentscheidungen mit sich bringen, in denen unternehmensweit nach Kommunikationsunterstützung durch Corporate Influencer gesucht wird und Wohnzimmer plötzlich zu Büroräumen werden – gerade dann müssen sich auch PR-Professionals verstärkt mit Rechtsthemen beschäftigen. In unserer Interview-Reihe spricht "PR Journal" Redakteurin Annett Bergk daher ab sofort monatlich mit Thorsten Troge, Partner bei der internationalen Full-Service-Kanzlei Taylor Wessing, über Themen der Unternehmenskommunikation in Verbindung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen.

PR-Journal: Die Corona-Krise hat vielerorts die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Home-Office befördert. Nun müssen wir unter diesen Umständen über die Wahrung von Betriebsinterna sprechen.
Troge: Im letzten Jahr ist dazu kaum bemerkt ein neues Gesetz in Kraft getreten. Das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) dient dem Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung. Und das Thema ist kein unrelevantes: Laut Bitkom entstehen jährlich über 100 Milliarden Euro Schäden durch Datendiebstahl, Industriespionage und Sabotage.

PR-Journal: Warum ist das für PR-Schaffende von Relevanz – abgesehen vielleicht von daran angebundener Krisenkommunikation?
Troge: Nicht nur, dass die Kommunikations- und Marketingabteilungen vorrangig mit den essentiellen Unternehmenswerten und sensiblen Informationen arbeiten. Sie können auch maßgeblich dazu beitragen, dieses Know-how, diese Strategien, Ideen, Kontaktinformationen usw. zu schützen. Der Schutz steigt nämlich schon dann, wenn die Awareness dafür innerhalb der Organisation steigt – wenn Kommunizierende ein Gefühl für die dem Unternehmen angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen bekommen, wie sie laut Gesetzt nun gefordert werden.

PR-Journal: Was ist denn im Normalfall unter „angemessen“ zu verstehen?
Troge: Die Maßnahmen müssen in dem richtigen Verhältnis stehen zum Wert der Geschäftsgeheimnisse. Sie orientieren sich an Wert und Wichtigkeit, aber auch an den Möglichkeiten des Unternehmens, das heißt an Größe und Wirtschaftskraft. Grundsätzlich gilt: Je wichtiger und wertvoller ein Geschäftsgeheimnis, desto umfassender müssen auch die getroffenen Schutzmaßnahmen sein. Letztlich sollte man die Schutzmaßnahmen wie die Werte selbst priorisieren. Von Geheimhaltungsvereinbarungen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Partnern über die Zugangsbeschränkung zu Büroräumen oder Passwörter zu Devices hin zu Alarmanlagen, protokollierter Zugangskontrolle und dem Safe.

PR-Journal: Ändern Corona und die Home-Office-Situation etwas an den geforderten Maßnahmen?
Troge: Nein. Grundsätzlich nicht. Home-Office-Regelungen oder eben das Fehlen von Regelungen bringen nur jetzt konkret und dringlich die Anforderungen an die Geheimhaltungsmaßnahmen auf den Tisch und zwingen Führungskräfte, sich mit dem Thema auseinander zu setzen.

PR-Journal: Ein bisschen konkreter vielleicht. Wenn kurzfristig Akten aus dem gesicherten Bereich des Unternehmens mit nach Hause genommen werden sollen, um dort produktiv arbeiten zu können, so muss es doch Ausnahmeregelungen geben?
Troge: Es kommt darauf an, wie das Unternehmen bislang mit dem Thema Home-Office verfahren ist. Wenn es Richtlinien oder gar Verbote gibt im Umgang mit bestimmten Unterlagen, dann kann es tatsächlich richtig sein, bestimmte Dinge jetzt physisch nicht mitzunehmen, weil sonst das angemessene Schutzniveau nicht gewährleistet werden könnte.

PR-Journal: Wie steht es um digitale Kopien unternehmenseigener Informationen zur Bearbeitung am privaten PC?
Troge: Viele Unternehmen setzen schon länger auf das Verbot von USB-Sticks oder anderen externen Speichermedien und sperren den Zugang zu privaten E-Mail-Accounts am Firmenrechner. Grundsätzlich muss sich die Unternehmensleitung also fragen, was Mitarbeitern erlaubt sein soll. Dabei geht es weniger um das persönliche Vertrauen, sondern vielmehr um technische Aspekte, die das Abgreifen von Daten durch Dritte vereinfacht: ungenügender Anti-Viren-Schutz, fehlende Updates oder auch unsichere Verbindungen zum Internet. Man muss auch bedenken, was passiert, wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder einfach nur ihren alten PC verkaufen.

PR-Journal: Nun haben sicherlich viele Kommunikatoren direkt Kopfkino und sehen ein Worst-Case-Szenario nach dem anderen: Beim Telefonieren auf dem Balkon hören Passanten zu, strategische Besprechungen werden durch zu dünne Wände vom Nachbarn belauscht ... Was können wir dem auf kommunikativer Ebene entgegen setzen?
Troge: Wichtig ist die Schulung der Mitarbeitenden. Und das rechtzeitig. Es geht um Information, Schaffen von Aufmerksamkeit und Sensibilisierung. Mancherorts setzt man auf eine Home-Office-Policy oder die Überarbeitung der Anweisungen im Rahmen des Dienstvertrages in Abstimmung mit dem Betriebsrat. Aber allein durch Aufklärung können wirtschaftliche Schäden abgewendet werden sowie durch ein durchdachtes On- und Offboarding von Mitarbeitern.

Dr. Thorsten Troge ist Partner der internationalen Full-Service-Kanzlei Taylor Wessing. Er berät in allen Fragen des Schutzes des geistigen Eigentums und des Wettbewerbsrechts. Seine Tätigkeit umfasst die Beratung und gerichtliche Vertretung auf dem Gebiet des Markenrechts, des Rechts des unlauteren Wettbewerbs und des Urheberrechts. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören die Begleitung von Werbekampagnen, die Beratung von Online-Shops und Internetdienstleistern sowie Lizenz- und F&E-Verträge.


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