Autorinnenbeitrag: Reset yourselves – Krisenkommunikation in Coronazeiten

Kapitel für Krisenkommunikation beginnen gern mit der etwas gebogenen Weisheit, dass das chinesische Zeichen für "Krise" auch das Wort "Chance" beinhaltet. Wir PR-ler sind trainiert, in der Not die Gelegenheit, im Problem die Herausforderung und im Regen den Bogen zu sehen. Laut UN-Generalsekretär António Guterres stecken wir jedoch derzeit mitten „in der größten Krise nach dem zweiten Weltkrieg“ und einer Rezession, die „in der jüngsten Geschichte keine Parallele findet“. Einbrechende Umsätze, DAX-Absturz, Kurzarbeit und Unsicherheit dominieren unsere Ökonomie. Ist Corona nur ein als Virus verkleideter Anlass, die Zukunft weiter positiv zu malen? Definitiv nicht. In diesen Wochen kann auch der gewandteste Kollege nichts schönerklären, die Fakten sprechen für sich – diese Krise ist eine zu fette Kröte. Was heißt das für Berater? Die Standardwerke der Krisenkommunikation können wir nach ganz hinten ins Regal schieben. „Die Welt as we know it löst sich gerade auf“, schreibt Zukunftsforscher Matthias Horx. Für uns alle bedeutet dies: Reset yourselves.

Kathrin Behrens (© Karoline Wolf)

Die C-Levels sind gefragt

Der Corona-Virus definiert die PR-Welt neu. Wenn es früher darum ging, eine Krise zu entdramatisieren, ist Hübschreden derzeit keine Alternative. Das kommt einer Katharsis gleich: Alle Unternehmen dürfen ihr Drama in diesen Tagen so offen zur Schau stellen, wie noch nie. Mitten im Schlammassel zu stecken, ist nichts ehrenrühriges mehr. Kompromisslose Ehrlichkeit ist Trumpf und Echtzeitkommunikation. Die Mitarbeiter, Anleger, Zulieferer und die Öffentlichkeit in schneller Frequenz darüber informiert sein, was auf C-Level-Ebene ausgeheckt wird: Für wen ist Kurzarbeit geplant, welche Werke werden ganz stillgelegt, was passiert als nächstes?

Aber auch hier herrscht Toleranz, denn jeder weiß, dass so recht keiner weiß, wie es weiter geht – zumindest solange die Bundesregierung keine Exit-Strategie definiert hat. Auch das ist Bestandteil der neuen Kommunikation, man darf sein Nichtwissen offen präsentieren. Selbstredend sollte dies nicht mit dem Eindruck einer wirren Planlosigkeit einhergehen.

Wie gut ein Unternehmen kommunikativ aufgestellt ist, zeigt sich auf vielen Ebenen: Da sich die Faktenlage nahezu täglich ändert, müssen Infos schneller fließen als bisher, digital versteht sich. Auf Perfektion kommt es längst nicht mehr an. In Zeiten, in denen selbst „heute-journal“ und die „Tagesthemen“ Experten per Homeoffice-Videokonferenz zuschalten, dürfen Bilder flackern. Die Menschen erwarten kein Make-up, aber ehrliche Worte, am liebsten von „ganz oben“.

Also: Vorstände und CEO‘s des Landes, setzt Euch hemdsärmelig an Eure Schreibtische und sprecht mit Euren Stakeholdern. Christian Drosten, Leiter der Virologie der Charité, macht es Euch mit seinem täglichen Podcast vor: Ein verlässlicher, kurzer Informationstakt, eine schnelle Übersicht über die aktuellen Fakten, 24/7 abrufbar. So geht Kommunikation in Corona-Zeiten.

Solidarität first

Eine Gegenwart, in der Menschen Klopapier hamstern, braucht keine Floskeln. Die Inhalte, die Unternehmen kommunizieren, verlangen derzeit mehr Bodenständigkeit, als wir es sonst kennen. Es steht gerade niemandem der Sinn nach markigen Botschaften oder weitschweifenden Visionen. Das alles wird wiederkommen. Was die Menschen in der Corona-Krise brauchen, sind Fakten, einen sehr verbindlichen kommunikativen Grundtenor und das über allem schwebende Gefühl einer gelebten Solidarität.

Unternehmen wie H&M oder Deichmann und zwischenzeitlich auch adidas, die im März ihre Mietzahlungen stoppten, sind massiv in Misskredit geraten, weil sie andere benachteiligen. Das ist gerade gar nicht angesagt. Der Schaden für die teuer aufgebauten Markenwerte ist unermesslich und mit Kommunikation kurzfristig nicht aufzufangen. Wenn schon ein Virus im Lande wütet, jeder von uns gesundheitlich und existenziell bedroht ist, sehnen wir uns nach Menschlichkeit. Große Zeiten für Corporate Social Responsibility, auf die wir in der Krise besonders wohlwollend reagieren. Mitarbeiter, die Schutzmasken nähen, Logistikunternehmen, die lokale Gastronomien mit Lieferservices unterstützen, Global Player, die ihre Ressourcen für Krankenhäuser zur Verfügung stellen, bieten ideales Futter für inspiriertes, zeitgemäßes Storytelling.

Reset – auch nach der Krise

Krisen sind endlich. Wenn der Corona-Spuk vorbei ist, werden Takt und Ton sich schnell wieder ändern, auch wenn wir nie zum Ausgangspunkt zurückkehren werden. „Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung ändert“, weiß Horx. Konzepte, die vor der Pandemie entstanden, gehören in die Tonne. Rund um den Globus werden hoffentlich schon sehr bald neue unternehmerische und kommunikative Ziele definiert. Erwartungsvoll werden sich die Post-Krisen-Blicke der Share- und Stakeholder auf die Unternehmen richten: Wer wird wie Phönix aus der Asche steigen? Wenn man so richtig am Boden sumpfte, wird dies seine Zeit brauchen.

Umso wichtiger werden Konzepte: Wer hat die überzeugendste Strategie für den Schritt auf das neue Zukunftsparkett? Wir Berater werden hier gefragt sein. Es wird darum gehen, komplexe Pläne zu entwickeln, ganzheitlich zu denken und überzeugend zu kommunizieren. Mit unseren Erfahrungen der vergangenen Krise im Rücken werden Solidarität, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit zu zentralen unternehmerischen Ankerpunkten. Interne und externe Kommunikation werden digitaler und zeitnaher, das gesprochene Wort das glaubwürdigere.

Die Abteilungswände in den Kommunikationsetagen werden dabei vielleicht für immer zerschlagen. Wenn es um die Auferstehung von Marken nach einer solchen Krise geht, lässt sich Corporate nicht von Produkt- und Pressearbeit nicht vom Marketing oder Storytelling trennen. Alles muss überzeugend ineinandergreifen. Da ist sehr viel Erfahrung gefragt. Und sicher, ganz sicher, kommt mit dem großen Reset auch die zweite Komponente des chinesischen Krisen-Schriftzeichens zum Tragen: Die Karten werden neu gemischt, Unternehmen erhalten eine neue Chance. Diese sollten sie ergreifen. 

Über die Autorin: Kathrin Behrens ist freiberufliche Kommunikationsberaterin und Krisenexpertin mit Sitz in Potsdam. Seit rund 20 Jahren arbeitet sie als Beraterin und Inhaberin von KB2. Strategie und 360-Grad-Konzepte sind ihre Schwerpunktthemen. Derzeit unterstützt sie Unternehmen dabei, sich frühzeitig auf die Zeit nach der Krise vorzubereiten.

Seitennavigation

Personalien

Michael Schattenmann folgt auf Stefan Caspari

Michael SchattenmannMichael Schattenmann (49) wird zum 1. Juni 2024 neuer Leiter der Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei der Andreas Stihl AG & Co. KG in Waiblingen. Er übernimmt die Position von Stefan Caspari (61), der den Bereich über zwei Jahrzehnte geleitet hat und nun die passive Phase seiner Altersteilzeit antritt. Er berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden Michael Traub.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Von wegen Mittelmaß! Deutsche Marken im Siegermodus

Top 10 Grafik mit UnternehmenslogosAlle deutschen Top 10 Marken sind zweistellige Markenmilliardäre und bringen zusammen über 350 Milliarden Markenwert auf die Waage. Das schafft mit weitem Abstand kein anderes Land in Europa. Das geht aus dem aktuellen „Brand Finance Report“ 2024 hervor. Interessant: Die Händlermarken Lidl (9) und Aldi Süd (10) sind nun beide in den Top 10, da Aldi Süd den Vorjahreszehnten adidas überholt hat.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Interne Kommunikation: Weniger ist mehr

Eine Umfrage der Hamburger Agentur nwtn bringt es an den Tag, weniger – und seltener – ist in der internen Kommunikation mehr. Die Nachrichtenflut und die vielen Kanäle lösen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Der Wunsch aus der Belegschaft: Lieber nur wöchentlich und dann eine Information, wenn es wirklich etwas Neues gibt. Die Befragung von bonsai Research im Auftrag von nwtn zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der internen Kommunikation zunimmt.

Aus- und Weiterbildung

Neues Intensivtraining

Karen HoffmannDie Deutsche Akademie für Public Relations dapr, Düsseldorf, startet ihr neues Intensivtraining Corporate Community Manager am 18. September 2024. Ab sofort können sich Interessierte dazu anmelden. Im dreitägigen Seminar lernen Mitarbeitende und Führungskräfte aus Kommunikation, Marketing, PR, HR sowie Change-Management, wie sie interne Gemeinschaften aufbauen und managen.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Das Königshaus und seine PR

Kate, Prinzessin von WalesEine Frau, eine Parkbank, eine Botschaft. In der vergangenen Woche machte die Prinzessin von Wales persönlich in einem Video ihre Krebskrankheit öffentlich. Auch das ist Public Relations. „Kate hat Krebs“ – diese Alliteration zieht sich seither durch die Berichterstattung. Beiläufig wird darüber diskutiert, ob das Königshaus mit guter oder schlechter PR glänzte, worüber sich streiten lässt.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Auszeichnung für zwei Gewinnerinnen

Caroline Siegel, Lina Blenninger und Günter BenteleLina Blenninger und Caroline Siegel sind die Gewinnerin des Günter-Thiele-Preises 2024 und werden mit dem gleichnamigen Forschungsstipendium 2024 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 12. April 2024 im Rahmen der Veranstaltung „Refresh“ des Lehrbereichs Communication Management an der Universität Leipzig statt. Der Jury-Vorsitzende ist Professor Günter Bentele.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.