Kommentar: Generation Corona-Party

Markus Kiefer (60, Foto) lehrt als Professor an der FOM – Hochschule für Oekonomie und Management BWL mit dem Schwerpunkt der Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Darüber hinaus arbeitet er in Seminaren, Vortragsveranstaltungen und Workshops für Weiterbildungs-Akademien der Wirtschaft. Außerdem berät er Unternehmen in Fragen der Kommunikationsstrategie, der PR, Mitarbeiterkommunikation, Social Media und Krisenkommunikation. Den Leserinnen und Lesern des „PR-Journals“ ist er bekannt durch seine monatlichen Rezensionen von Fachbüchern. Im Zuge der aktuellen Corona-Krise hat sich Kiefer ausführlich mit der Kommunikationsstrategie der Bundesregierung auseinandergesetzt. Lesen Sie nachfolgend seinen Kommentar.

Von Markus Kiefer, Heiligenhaus

Während Bundeskanzlerin Merkel ihre erste Fernsehrede außerhalb der Weihnachtszeit an die Nation hielt, tummelten sich Jugendliche und junge Erwachsene auf den Düsseldorfer Rheinwiesen und an vielen andern Orten in Deutschland und feierten, eng beieinander und eng umschlungen sogenannte "Corona-Parties". Der Vorgang ist an sich schon unfassbar - und er wirft Fragen nach der Wirksamkeit politischer Kommunikation auf.

Zugestanden, viel Zeit hatten die Krisenmanager in Berlin nicht, um die erste Fernsehrede der Bundeskanzlerin außerhalb von Weihnachtszeiten vorzubereiten. Angela Merkel gab sich alle Mühe, die Deutschen auf umsichtiges Verhalten zur Eindämmung des Corona-Virus einzustimmen. Aber wenn man kritisch auf die vielerorts ausbleibende Wirkung der Rede blickt - schon zwei Tage später mussten vielerorts Ausgangsbeschränkungen angekündigt werden -, dann kommen hier doch Fragen nach der grundsätzlichen Kommunikationsstrategie auf.

Damit ist ausdrücklich nicht die Kanzlerin gemeint. Sie blieb sich treu und im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Eine Fernsehansprache ist sicher nicht das Medium, in dem sie ihre Stärken ausspielen kann.

Fraglich ist jedoch etwas ganz anderes. War es richtig, fast allein auf das Mittel einer Fernsehansprache durch Angela Merkel zu setzen, ausgestrahlt über klassische Medien? Während sie sprach, tummelten sich desinteressiert nicht geringe Teile der jungen Generation auf Plätzen, an Ufern, auf Wiesen und feierten ignorant die sogenannten "Corona-Parties". An ihnen ging die Botschaft völlig vorbei. Und das, obwohl den ganzen Tag in, wiederum klassischen Nachrichten-Medien", der Auftritt der Kanzlerin angekündigt war. Bei den Jungen stieß das auf: Desinteresse, Ignoranz. Die Folge: soziales Fehlverhalten in großem Maßstab, zum Schaden der Restgesellschaft.

Da lässt sich nur ein Schluss ziehen. Die Politik hat aus dem Desaster mit dem "Rezo"-Video nichts gelernt! Die junge Generation erreicht man bei politischer Kommunikation nicht über klassische Kanäle, schon gar nicht über lineares Fernsehen im öffentlich-rechtlichen Bereich. Sie hält sich bei Netflix, You Tube, Instagram, Snapchat, TikTok und Instagram auf. Und wenn Sie klassisches oder möglicherweise sogar lineares Fernsehen schaut, dann sind es Formate von Joko und Klaas, dann sind es DSDS, Dschungel und Germanys Next Top Model und Fußballspiele über Sky.

Das mag man kritisch sehen. Aber es ist die Wirklichkeit. Und die Strategen der politischen Kommunikation müssen von der Wirklichkeit ausgehen. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen leben in einer völlig anderen Medienwelt als die von der Kanzlerin Adressierten. Will man die Jungen erreichen, dann sollte man solche ernsthaften Botschaften ganz anders verbreiten. Über Influencerinnen und Influencer in Social Media, über You Tube Stars, über Joko und Klaas, über Heidi Klum und Dieter Bohlen, und der ein oder andere weibliche Popstar oder männliche Rapper käme auch in Frage. Mega-Sportstars sowieso. Auf diese Leute würden die Jungen hören. Nicht auf eine Kanzlerin im fernen Berlin in einer starren Studio-Ansprache mit Reichstags-Hintergrund über das ZDF und die ARD. Und leider wohl auch nicht auf die Professoren und andere Gesundheits-Experten, die auf Podien in Pressekonferenzen ihre Statements verlesen oder spätabends in Fernseh-Talkshows reden.

Die Kanzlerin hat sich über klassische Medien an die Generationen mit klassischer Mediennutzung gewandt. Zielgruppen, von denen man sich durchaus Erfolg bei einer Ansprache an Herz und Vernunft versprechen konnte. Jetzt gilt es aber vielmehr, ganz schnell neue Medienformate mit ganz andersartigen Botschaftern zu entwickeln, um die Jungen, die den Schuss nicht gehört haben, noch mit auf den Zug zu nehmen. Das ist dringend erforderlich. Und dies erst recht in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen oder Ausgangssperren. Auch die müssen ja erst einmal verstanden, gedanklich und emotional durchdrungen und erst recht eingehalten werden. Alles keine Selbstläufer. Erst recht nicht, wenn man, über die junge Generation hinaus, den hohen Anteil der Egoisten in einer Gesellschaft beachtet, die selbst in Krisenzeiten ausschließlich ihren eigenen Vorteil und Nutzen suchen. Auf erschreckende 40 % der Bevölkerung beziffert der Dortmunder Soziologe Johannes Weyer in einer aktuell vorgelegten Studie diese Gruppe für Deutschland. Nur ein Beispiel: Am Samstag, 27. März, am 6. Tag der Ausgangsbeschränkungen , sah sich die die Münchener Polizei mittags zu diesem Tweet genötigt: "Aktuell stellen wir fest, dass es in den Münchener Parks und an der Isar ziemlich zugeht. Aus diesem Grund nochmals die dringende Bitte an Euch #Bleibtzuhause." Und so ähnliche Situationen gab es an vielen Stellen in unserem Land.

Persönlichkeiten wie die Genannten würden ganz sicher in so dramatische Situationen wie der derzeitigen Krise helfen. Niemand würde sich entziehen, wenn die Kanzlerin oder ihre Minister sie um Mitwirkung bitten. Und diese Meinungsführer und Influencer wüssten auch sofort die richtigen Medienformate, die bei den jungen Jahrgängen wirken würden. Man sollte diese Medienmacher und Social Media Stars dringend zur Mitwirkung einladen. Jetzt.

Die Veröffentlichung des obenstehenden Kommentars geschieht mit freundlicher Genehmigung des Autors. Die Erstveröffentlichung erfolgte am 1. April zuerst auf der Website von Professor Markus Kiefer.

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