SMWHH 2020 und ein Blick in die Kristallkugel

Schwerpunkt Social Media - Die Social Media Week Hamburg gehört seit Jahren zu den wichtigsten deutschen Konferenzen rund um digitale Kommunikation, Social Media und gesellschaftliche Themen. Seit 2017 ist der obligatorische Blick in die Kristallkugel mit Daniel Rehn ebenso ein fester Teil des Programms. Für das "PR-Journal" fasst der Digital Trend Scout der Hamburger Kommunikationsagentur achtung! in einem Autorenbeitrag drei zentrale aktuelle wie kommende Entwicklungen noch einmal zusammen.

Daniel Rehn, Digital Trend Scout bei achtung!

Mein diesjähriges Trend-Scouting ist pessimistischer als in den letzten Jahren. Es ist auch weniger Tech-getrieben. Es bewegt sich noch stärker auf einer Metaebene, die sich durch gesellschaftliche Entwicklungen beeinflusst sieht.

Egal welche Diskussion: "Alles ist Lava"

Das größte Problem unserer Zeit: Wir befinden uns in einem Sog aus immer höherer Geschwindigkeit, bewusster Zuspitzung bis hin zur Verfälschung und einem Kontextkollaps, der kaum mehr als Schwarz oder Weiß zulässt, da für viele nur noch Aufmerksamkeit als die absolute Währung unserer Zeit zu zählen scheint.

Nicht erst seit "Fridays For Future" erleben wir einen Clash der Generationen, der sich durch die Gesellschaft und damit auch das Netz zieht. Was aktuellen und kommenden Generationen wichtig ist, wird eher gegeneinander ausgespielt, denn miteinander besprochen und verwoben. Je lauter die Proteste und das Drängen der einen Seite wird, umso verhärteter und ablehnender fallen die Reaktionen der anderen Seite aus. Wir bewegen uns in fast allen wichtigen Diskussionen nicht mehr vom Fleck, sondern verharren auf unserem jeweiligen Standpunkt.

Schlimmer noch: Wir führen kaum eine Diskussion, ohne dass diese in kürzester Zeit entgleist. Das nie gelernte Diskutieren im Digitalen rächt sich, während uns das Diskutieren im Analogen - Zuhören wie auch Akzeptieren anderer Meinungen inklusive - mehr und mehr entgleitet. Kaum ein Thema hält eine andere Meinung als die eigene aus. Kaum ein Thema beschäftigt uns dabei tatsächlich länger als ein paar Tage. Ist das Hashtag zum jeweiligen Anlass aus den Trending Topics verschwunden, haben wir denselben fast schon wieder vergessen. Allein die Themen der letzten vier Wochen hätten früher ganze Jahresrückblicke gefüllt. Klimademos, Brexit, die ausgehobene rechte Terrorzelle "Gruppe S", die Wahlen in Thüringen und Hamburg, Hanau, Corona, … all das hat uns für den Moment bewegt. Vielleicht sogar für mehr als 24 Stunden. Doch dann? Kaum ein Post geht heute noch online, ohne dass innerhalb weniger Minuten nicht mindestens eine Relativierung, Abwertung oder Geringschätzung eintrudelt. Erst recht, wenn man nicht das Privileg hat, ein weißer Mann zu sein.

War das Meme "The Floor is Lava" vor drei Jahren noch ein Spaß im Netz, könnte man nun meinen, dass heute jedes Thema Lava ist. Man verbrennt sich. Egal was man sagt oder nicht sagt, tut oder nicht tut.

Zwischen „OK, Boomer“, Vertrauensverlust und verhärteten Fronten

Die Reaktion einer jungen Generation, die sich nach allem Bitten und Flehen, sich endlich auf Experten zu verlassen und die eigenen Anliegen ernst zu nehmen – auch hier ist FFF die Speerspitze – fällt immer zynischer aus. Dass mit „OK, Boomer“ ein weiteres Meme den Jahreswechsel dominierte, das einer kompletten älteren Generation das Verständnis für das Hier und Jetzt abspricht, ist nur ein Beispiel von vielen.

Kombiniert mit maximalem Vertrauensverlust in die Anführer der freien Welt bleibt kaum mehr übrig als Galgenhumor. Doch das löst die Fronten auch nicht auf. Im Gegenteil. Auf jede Aktion folgt eine Reaktion. Auf jeden Appell einer Greta Thunberg folgt eine Gegenattacke eines Donald Trump. Auf jeden Schritt eines Unternehmens für vermeintlich mehr Nachhaltigkeit und mehr "Purpose" folgt ein weiteres aufgedecktes Problem oder ein Deal, aus dem man dann doch nicht so einfach aussteigen kann, was den vorherigen Schritt konterkariert. Siehe Siemens und Adani.

Und dazwischen suchen wir immer noch Antworten auf Fragen, die Teile unserer Gesellschaft im Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes zu lösen versuchen. Welches Verständnis bringt man in puncto Inklusion, Gleichstellung, Solidarität, Sexualität, Geschlechterrollen und Rollenbilder auf? Wie geht man gemeinsam gegen Rassismus, Diskriminierung, Rechtsruck, Ausbeutung und Ungleichbehandlung vor?

Gefühlt bewegen wir uns in fast all diesen Gesprächen rückwärts, weil wir immer weniger gewillt sind, einander zuzuhören. Zumindest, wenn man sich abseits der eigenen Filterblase begibt.

Neue Bewertungsmaßstäbe für Unternehmen

Aus Sicht eines Kommunikationsmenschen, der Unternehmen und die dortigen Ansprechpartner/innen berät, ist der Spagat kaum zu schaffen. Denn natürlich werden Unternehmen in diesem komplexen Spannungsverhältnis heute ganz anders betrachtet als noch vor wenigen Jahren.

Der sonst geflissentlich ignorierte und oft bei den Quartalszahlen als Fußnote behandelte CSR-Bericht hat auf einmal das Potential zum großen Trumpf zu werden. Jedwede Handlung und Ankündigung, die gerade auf die eigene Nachhaltigkeit einzahlt, ist eine zusätzliche Meldung wert. Nur sind die wenigsten Marken auch nur ansatzweise so glaubhaft wie etwa die Premium-Outdoor-Marke "Patagonia", deren Kernaussage durchaus mit "Kauft unsere Produkte nicht, weil ihr sie sonst in der Natur einsetzt, die wir schützen wollen" zu übersetzen ist.

Wenn Adidas etwa kurz vor dem "Super Bowl" US-amerikanischen Highschools Kunstrasenplätze aus recyceltem Granular spendiert oder mit einer NGO Schuhe aus Plastik herstellt, das man aus dem Ozean gefischt hat, dann ist das ein schöner Move. Das ändert aber aus der Sicht der Kritiker nichts daran, dass es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist - die "Sweat Shops" in Südostasien bleiben. Gemäßigtere Beobachter würden aber immerhin die Bemühungen wertschätzen. Wie gesagt, als Fußnote im CSR-Bericht macht sich das durchaus richtig gut.

Darüber hinaus werden Unternehmen nun aber viel kritischer betrachtet. Wer A sagt, muss auch B sagen. Haltung muss mehr sein als motivierende Plakate in der Firmenzentrale und schick anzusehende Spots für die nächste Kampagne. Es müssen Taten folgen, die sich für Marken zu einer Lebensversicherung im Angesicht der kommenden Generationen entwickelt, die an vielen Stellen wichtiger sein dürfte als der Shareholder Value zum nächsten Quartalsbericht. Vielleicht sogar wichtiger sein muss, damit es in Zukunft überhaupt noch etwas auszuschütten gibt.

SMWHH 10 DTS2020

Anmerkung: Diese Ausführungen sind nur ein Teil der gesamten Session, die überdies vom Aufstieg und Fall der Corporate Influencer über den bereits laufenden "Context Collapse" bis hin zum Erwachsenwerden von Instagram als neuer Meinungs- oder gar Haltungsplattform berichtet. Ein Live-Mitschnitt der Session ist bereits online (Start bei 3:32:09 Stunden im Video).

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Personalien

Zuwachs für Boldt in Berlin und Köln

Wehrs Julia SenCons Boldt 2024Bienias Marius SenCons Boldt 2024Julia Wehrs (Foto l.) und Marius Bienias (r., © Boldt) sind als Senior Consultants neue Mitglieder im Team der internationalen Kommunikationsberatung Boldt. Bienias ergänzt seit März das Team in Köln. Zuvor arbeitete er unter anderem als Senior Account Manager bei den Agenturen Team Lewis und Edelman. Wehrs unterstützt seit April den Bereich Corporate und Public Affairs in Berlin. Zuletzt war sie Account Managerin im Public Affairs-Team von BCW (Burson Cohn & Wolfe) Deutschland.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.