Monsanto-Listen: Nicht die Listen sind das Problem … sondern die geistige Haltung dahinter

Forthmann Joerg Gf Faktenkontor klein querBereits am 14. Mai, wenige Tage nachdem bekannt wurde, dass Monsanto Listen über Befürworter und Kritiker führt, hat PR-Berater Frank Zimmermann im „PR-Journal“ die Aufregung als „Sturm im Wasserglas“ eingeordnet. Auch der Deutsche Rat für Public Relations meldete sich zu Wort und mahnte zur Besinnung und warnte vor einer medialen Hysterie. Doch trotz aller Beschwichtigung und Appelle an die Vernunft, das Thema bleibt heiß diskutiert. Inzwischen hat Bayer die Zusammenarbeit mit der Agentur Fleishman Hillard endgültig beendet und die internationale Anwaltskanzlei Sidley Austin beauftragt, die „Affäre“ zu untersuchen. Krisenexperte Jörg Forthmann (Foto) betrachtet den Fall für das „PR-Journal“ noch einmal aus einem anderen Blickwinkel. Er meint, nicht die Listen seien das Problem, sondern die geistige Haltung dahinter.

Von Jörg Forthmann, Hamburg

Aufregung um die Kritiker-Listen der Bayer-Tochter Monsanto ist riesengroß. Was für ein Quatsch! Selbstverständlich verschafft sich ein Unternehmen in der Krise einen systematischen Überblick über wichtige Multiplikatoren im Meinungsmarkt. Das Problem liegt woanders.

Durch den Blätterwald rauscht eine scheinheilige Debatte: Monsanto hat – so weit es jetzt bekannt ist – in sieben Ländern durch eine PR-Agentur Listen von wichtigen Multiplikatoren in der Glyphosat-Debatte angelegt und diese Personen im Hinblick auf ihre Meinung bewertet. Diese Listen gab es für Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Polen, Spanien und Großbritannien. Es ist also keine einsame Aktion, sondern ein grundsätzlicher Angang. Und dennoch: Das systematische Aufarbeiten, wer in einem Meinungsmarkt Befürworter und wer Kritiker ist, ist kein Problem.

Im Gegenteil. Schlimm wäre es, wenn eine professionelle Krisenkommunikation sich keinen Überblick über das Umfeld in einem kritischen Thema verschafft. Für ein Unternehmen ist es wichtig zu wissen, welche bedeutenden Multiplikatoren mit welchen Argumenten pro oder contra eingestellt sind. Wie sie miteinander vernetzt sind oder sogar zusammen wirken. Und auf welche Studien sie Bezug nehmen. Angesichts der Vielzahl von Multiplikatoren im Thema Glyphosat ist es klar, dass eine derartige Übersicht am Ende in einer Liste zusammengeführt wird.

Monsanto ist mit den Listen nicht allein – auch NGOs dürften sie führen

Derartige Listen dürfte es auch auf Seiten der Monsanto-Kritiker geben, denn auch sie schauen sorgfältig darauf, mit wem sie sich verbünden könnten oder auf wen sie sich in ihrer Argumentation berufen könnten. Doch das wird vorsichtshalber in dieser erhitzten Debatte nicht verraten.

Problematisch ist die geistige Haltung, die hinter den Listen zu Tage tritt. Was meint eine PR-Agentur, wenn sie vermerkt: “Stakeholders to be educated”? “Educated” kann unterschiedlich ins Deutsche übersetzt werden. In der Presse zirkuliert, dass die Kritiker “erzogen” werden sollen. Andere Übersetzungen könnten “informiert werden” oder “unterrichtet werden” sein. Wie auch immer, “to be educated” drückt aus, dass jemand erzogen oder informiert gehört. Ein derartiges Ansinnen gehört sich nicht! Unternehmen können den Kontakt suchen, einen Informationsaustausch oder eine Diskussion anstrengen. Eine wie auch immer geartete Zurecht- oder Einweisung zieht zu Recht Kritik auf sich – unabhängig davon, dass sich namhafte Multiplikatoren so niemals überzeugen lassen. Es sind schließlich keine unerzogenen Schulkinder.

Überwachen oder öffentliche Äußerungen verfolgen – ein großer Unterschied

Die öffentliche Debatte entzündet sich auch an einer weiteren Bewertung “Stakeholders to be monitored”. Hinter dieser Bezeichnung verbergen sich offensichtlich alle Kritiker, bei denen Monsantos PR-Agentur keine Chance sah, sie zu überzeugen. Auch hier ist es interessant, wie “monitored” in der Presseberichterstattung übersetzt wird: nämlich mit “überwachen”. Niemand will überwacht werden. Das klingt schrecklich und betont zugleich das Bild des gewissenlosen Konzerns. Eine andere Übersetzung ist “mithören”. Diese Übersetzung ist etwas ungelenk, weshalb sich in der Krisen-PR das “monitoren” etabliert hat. Es wird gemonitort, wie sich Multiplikatoren zu einem Thema äußern.

Dieses Monitoring von öffentlich (!) Gesagtem und Geschriebenem ist völlig unkritisch. Es ist für Krisenkommunikatoren eminent wichtig zu wissen, ob sich Befürworter oder Kritiker erneut zu einem kritischen Thema äußern, was sie sagen und ob sie irgendwelche Aktionen ankündigen. Auch hier gilt: Das tun NGOs im Kampf gegen Monsanto ebenfalls. Auch hier gilt: Und das sagen sie jetzt natürlich lieber nicht.

Es bleibt jetzt allein die Frage, ob die PR-Agentur von Monsanto eine Überwachung oder ein Monitoring von öffentlichen Äußerungen meinte. Üblich wäre letzteres.

Erstaunlich ist die auffällige Zurückhaltung, mit der die PR-Branche diese Diskussion an sich vorbeiziehen lässt. Aus meiner Sicht ist das ein Fehler, denn es geht um ein Austarieren mit der Gesellschaft, was in der Kommunikation legitim ist und was nicht. An dieser Diskussion haben Kommunikatoren ein außerordentliches Interesse – und selbstverständlich müssen wir diese Diskussion auch führen, wenn die öffentliche Stimmung gerade aufgeheizt ist.

Über den Autor: Jörg Forthmann ist seit 30 Jahren Kommunikator, anfangs als Journalist, später in den Pressestellen von Nestlé und Mummert Consulting, heute als Geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsberatung Faktenkontor in Hamburg. Im Faktenkontor verantwortet Forthmann die Analyse und die Konzeption. Der oben stehende Beitrag wurde zunächst im Krisen-PR-Blog von Forthmann veröffentlicht.

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