Bayer, Monsanto und Publicis: Viel Lärm um Nichts

Manchmal reibt man sich selbst als alter Fahrensmann der PR-Branche ungläubig die Augen und fragt sich: Kann das denn alles wirklich wahr sein? So geht es mir zumindest beim aktuellen Sturm im Wasserglas rund um die Bayer AG, ihrer Tochterfirma Monsanto und deren PR-Agentur Publicis.

Frank Zimmermann

Zur Erinnerung: Darum geht’s

Nach Lage der derzeit öffentlich bekannten Dinge hat die PR- und Werbeagentur Publicis im Jahr 2016 in Frankreich für ihren Kunden Monsanto Listen erstellt, die die für Monsanto relevanten Stakeholder in potenzielle Unterstützer, eher neutrale Player und solche unterteilt, die Monsanto vermutlich oder sicher kritisch gegenüberstehen. So what?

Unehrliche, scheinheilige und naive Debatte

Über diese völlig marktübliche PR-Dienstleistung haben sich jetzt französische Medien ereifert und öffentlichkeitswirksam rausposaunt, dass diese Listen „gegen ethische Grundsätze, möglicherweise aber auch gegen gesetzliche Regelungen verstoßen haben könnten“, wie es in einer Stellungnahme der Bayer AG heißt. Bei diesem Vorwurf bekomme ich offen gestanden Schnappatmung. Dieser Vorwurf ist unehrlich, scheinheilig und realitätsfern, um nicht zu sagen total naiv.

Segmentierung der Stakeholder ist Aufgabe der Public Relations

Es gehört doch in vielen Teildisziplinen der Public Relations – genannt seien zum Beispiel die Public Affairs, das Issues Management und die Krisenkommunikation – zu den grundlegenden Aufgaben einer jeden guten und professionell arbeitenden PR-Agentur, das Kommunikationsumfeld zu identifizieren und auch zu bewerten. Das mache ich seit mehr als 20 Jahren so. Und das erwarten die Kunden auch. Womit? Mit Recht!

Gerade wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Player aus dem Ausland in einen ihm zumindest teilweise unbekannten Markt kommt, also die amerikanische Monsanto nach Frankreich, ist es doch die berechtigte Erwartung des Auftraggebers, von den fundierten Kenntnissen der im Zielmarkt gut verwurzelten und vernetzten heimischen PR-Agentur zu profitieren.

Da möchte man als Unternehmen von den lokalen PR-Experten doch wissen, welche Stakeholder im jeweils betreffenden Kommunikationsumfeld einflussreich oder weniger relevant sind, welche gegenüber dem eigenen Geschäftsmodell oder Produkt aufgeschlossen sind und welche nicht und noch einiges mehr. Das ist völlig normal und auch berechtigt.

Oder was würden Sie als europäische Klimaschutzorganisation, die in den USA kommunizieren möchte, von einer US-PR-Agentur halten, die Ihnen empfiehlt, zur Einführung des Themas am besten erstmal mit den Leugnern des Klimawandels von Breitbart zu sprechen und dann von denen – ganz egal, was Sie denen erzählt haben – gnadenlos runtergeschrieben werden? Da käme dann doch wohl der gute, alte Präsi-Spruch: „You’re fired!“

Das wahre Problem von Monsanto liegt an ganz anderer Stelle

Die aktuelle Empörung über die bösen Listen ist also viel Lärm um Nichts. Der sehr wahrscheinliche Grund für den Aufschrei sind nämlich gar nicht besagte Listen, sondern ist der Fakt, dass diese im Auftrag von Monsanto erstellt wurden. Denn diese Firma genießt in breiten Teilen der Öffentlichkeit Sympathiewerte, die in etwa mit denen einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt zu vergleichen sind.

Ich habe zwar eine persönliche Meinung dazu, ob der Monsanto-Block-Buster Glyphosat krebserregend ist oder nicht. Doch das spielt hier gar keine Rolle. Fakt ist, dass das Unternehmen über Jahrzehnte kommuniziert hat wie die sprichwörtliche Axt im Walde. Das Ergebnis dieser langwierigen Fehlleistung ist ein verheerendes Image. Denen traut man, wie man so schön sagt, Alles zu – nur nichts Gutes.

Was lernen wir aus der Causa Monsanto/ Publicis?

Jede Kollegin und jeder Kollege aus der PR-Branche lernt bereits im Volontariat, dass die beste Vorsorge dagegen, in Krisenzeiten aus geringsten Anlässen kommunikativ öffentlich skalpiert zu werden, ist, kontinuierlich, offen, ehrlich und professionell mit den relevanten Stakeholdern zu kommunizieren – und zwar bevor die sprichwörtliche Kacke vielleicht mal am dampfen ist. Es ist schon erstaunlich, dass dieses PR-Basiswissen bei Monsanto nicht vorhanden ist oder, das ist meine Überzeugung, über Jahrzehnte bewusst ignoriert worden ist. Das Ergebnis sehen wir jetzt. Und das wiederum ist im Grunde genommen eine gute Nachricht für unsere Branche.

Hinweis: Auch der Deutsche Rat für Public Relations mahnt zur Besinnung im vorliegenden Fall. Die Statements des DRPR finden Sie hier im "PR-Journal".

Über den Autor: Frank Zimmermann ist seit 2003 als Gründer und Inhaber der Agentur FCZ PR als Kommunikationsberater und Krisenkommunikator aktiv. Zuvor arbeitete er als Managing Director am Standort Frankfurt für die PR-Agentur Weber Shandwick.

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Personalien

Zuwachs für Boldt in Berlin und Köln

Wehrs Julia SenCons Boldt 2024Bienias Marius SenCons Boldt 2024Julia Wehrs (Foto l.) und Marius Bienias (r., © Boldt) sind als Senior Consultants neue Mitglieder im Team der internationalen Kommunikationsberatung Boldt. Bienias ergänzt seit März das Team in Köln. Zuvor arbeitete er unter anderem als Senior Account Manager bei den Agenturen Team Lewis und Edelman. Wehrs unterstützt seit April den Bereich Corporate und Public Affairs in Berlin. Zuletzt war sie Account Managerin im Public Affairs-Team von BCW (Burson Cohn & Wolfe) Deutschland.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Autoren-Beiträge

Rechte Kommunikation erkennen und bekämpfen

Felix Meyer-WykUnsere Vorstellung von Rechtsextremen beschränkt sich oft auf offensichtliche Verfassungsfeinde: Glatzen mit Springerstiefel oder „Ausländer raus“-Rufe. Keine Frage, diese Gruppen sind gefährlich. Deutlich unauffälliger, aber mindestens genauso gefährlich sind die Neuen Rechten. Für uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Denkmuster und Strategien zu kennen, denn mit ihren Auftritten werden wir es vermehrt zu tun haben.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

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Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

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„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.