Entwicklung der Investor Relations: Vier Fragen an Manfred Piwinger

Manfred Piwinger (Foto, © NetFederation) ist Publizist und Unternehmensberater aus Wuppertal und gehört u.a. durch seine Pionierarbeit im Bereich Investor Relations zu den bekanntesten deutschen Persönlichkeiten in der Kommunikationsbranche. Bei unserem gemeinsamen Workshop mit dem DIRK (Deutscher Investor Relations Verband) in Köln konnten wir mit ihm über verschiedene Herausforderungen und Entwicklungen in der Finanzkommunikation sprechen.
Das Interview haben wir mit freundlicher Genehmigung von NetFederation, Köln übernommen. Link zum Blog.

Herr Piwinger, wie macht die Digitalisierung die Investor Relations transparenter?
Manfred Piwinger: Es werden heute viel mehr Informationen bereitgestellt als das in der Vergangenheit der Fall war. Schwieriger werden die Zuordnung, Einordnung und Bewertung dieser Informationen, auch zueinander. Hinzu kommt die schnelle Reaktion von außen. Ich würde zum Beispiel die Risikobetrachtung als ein starkes Feld sehen, wo man in Rechtfertigungssituationen kommt und schnell und ad hoc reagieren muss. Hier ist die Frage: Sind Unternehmen und entsprechende Abteilungen überhaupt darauf vorbereitet? Sie sind hier in einer Situation, wo sie die erlaubte, zuständige und richtige Antwort geben oder aber schweigen müssen. Die Reaktionszeiten haben sich also deutlich beschleunigt und sind dichter geworden.
Hinzu kommt, dass die ganze IR-Arbeit assertiv ausgerichtet ist. Man sieht hinterher sehr gut, was man eigentlich damit ausgelöst hat. Oder wenn sie die Potenzialanalyse nehmen: Was weiß ich überhaupt von meinen Adressaten? Habe ich im Vorfeld schon Kenntnisse über sie erworben? Das sind heute die Fragen, mit denen sich Investor Relations zunehmend beschäftigen.

Welche Vorteile hat die integrierte Berichterstattung?
Piwinger: Aktuell haben wir eine Aufsplittung der Reporting-Formate und auch bei der Art der Publikation. Die ersten DAX-Konzerne veröffentlichen beispielsweise keine gedruckten Geschäftsberichte mehr – das wird sich auch fortsetzen. Inhaltlich splittet sich die Berichterstattung auf in Geschäfts- und Quartalsberichte, Nachhaltigkeitsreporting sowie die nichtfinanzielle Erklärung. Das Modell des integrierten Reportings ist zum Teil von der neuen EU-Richtlinie eingeholt worden, die von Unternehmen verlangt, über nichtfinanzielle Aktivitäten und Faktoren eigenständig zu berichten.
Alle diese Berichte werden aktuell über verschiedene digitale Kanäle verbreitet. Was interessant dabei ist: Sie haben oft eigene Redaktionen und eigene Zuständigkeiten und erscheinen deshalb von außen betrachtet noch nicht ausreichend miteinander vernetzt. Man merkt das sprachlich und auch ideologisch, wenn Sie so wollen: Sobald ich einen CSR-Bericht lese, meine ich, ich sei in einem anderen Unternehmen, wenn ich den Haupt-Geschäftsbericht damit vergleiche. Teilweise gilt das auch für das nichtfinanzielle Reporting.
Das Modell des integrierten Berichts ist für mich die richtige Herangehensweise und es ist vor allem auch international anwendbar. Die Frage ist aktuell, ob es durch die neuen EU-Richtlinien zu einer weiteren Aufsplittung der Berichte kommt, wie es sich im Moment darstellt, oder ob sich eine neue Form des einheitlichen integrierten Reportings daraus entwickeln wird, das Geschäftsbericht, Nachhaltigkeitsreporting und nichtfinanzielle Erklärung vereint.

Gibt es Bereiche der IR, die von der Digitalisierung nicht beeinflusst werden?
Piwinger: Das persönliche Gespräch ist durch nichts zu ersetzen, zumindest auf der oberen Ebene, wenn Sie z.B. einen Hauptinvestor und einen Vorstandsvorsitzenden betrachten. Die Investorenseite bewertet immer auch die Fähigkeiten des Managements und wollen diesem entsprechend persönlich in die Augen gucken. Da reicht also ein Chat nicht aus. Im Alltagsgeschäft helfen solche digitalen Möglichkeiten, während Roadshows beispielsweise ganz klar die persönliche Präsenz des Finanzvorstands verlangen.

Wo sehen Sie die digitale Finanzkommunikation heute im Vergleich zu vor 5, 10 oder 20 Jahren?
Piwinger: Früher hat es eine große Langsamkeit gegeben. Sie hatten z.B. neun Monate Zeit, um den Geschäftsbericht, also den Jahresabschluss, zu veröffentlichen. Das ließ natürlich genügend Zeit, sich umfassend vorzubereiten, schon allein wegen der Sperrfristen, die damals noch gültig waren und inzwischen durch die Digitalisierung ganz weggefallen sind. Heute haben wir ein „Fast Closing“, also einen schnellen Abschluss, weshalb die meisten Unternehmen bereits 2-3 Monate nach Jahresende berichten.
Die Berichterstattung ist somit viel schneller geworden, was auch unternehmensintern einen riesigen Aufwand erfordert. Wenn Sie heute einen vollständigen Geschäftsbericht nehmen, kommen Sie auf durchschnittlich 300 bis 600 Seiten. Die Umfänglichkeit hat also zugenommen, was durch die Digitalisierung jedoch nicht stoppt. Insgesamt ist die Berichterstattung zahlenfixierter geworden. Ob das wiederum zu einem besseren Verständnis der Inhalte führt, ist jedoch die Frage. Als Unternehmen kann ich auch, bewusst oder unbewusst, überinformieren und dadurch den Kern der Aussage verwässern.
Zusammenfassend kann man sagen: Geschäftsberichte sind heute schneller und direkter verfügbar und vor allem auch für alle zugänglich geworden. Das ganze Thema rund um die gesellschaftliche Verantwortung interessiert heute beispielsweise auch weitere Zielgruppen – und nicht nur Investoren, Aktionäre oder Banken. Mit dem Bilanzeid kam außerdem eine weitere verpflichtende Erklärung hinzu, die die gesetzlichen Vertreter der Unternehmen unterzeichnen müssen und damit versichern, dass das jeweilige Reporting nach bestem Wissen und Gewissen erstellt wurde. Die Berichterstattung inklusive ihrer gesetzlichen Regelungen hat sich also in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verändert.
Es ist noch nicht abzusehen, wohin uns das Reporting führt, weil es auch funktional und hierarchisch innerhalb der Unternehmen oft ungeklärt ist. Hochinteressant dabei ist, dass die nichtfinanziellen Faktoren, über die nun berichtet werden muss und die teils bis zu 80 % des Unternehmenswerts einnehmen, zu einem neuen Denken in den Unternehmen führen. Sie müssen jetzt über Kundenbeziehungen, gesellschaftliche Funktion, Klimaschutz, Reputation etc. berichten und dafür auch eine entsprechende Form der Berichterstattung innerhalb der gesetzlichen Vorgaben finden. Das ist, denke ich, schon eine Revolution, die uns für die Geschäftsberichterstattung erwarten wird.

Vielen Dank für das aufschlussreiche, interessante Interview und Ihre offenen Antworten, Herr Piwinger!

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Personalien

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Design Thinking als faszinierende Lektüre

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