DPRG-Jahresauftakt: Imran Ayata fordert mehr Haltung in der Branche

Das Thema „Haltung“ geht nicht wenigen PR-Verantwortlichen bereits wieder auf die Nerven. Andere sind verzückt: endlich inhaltliche Tiefe! Kommunikation hat einen Sinn! Beim Jahresauftakt der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) in der Berliner Repräsentanz der Deutschen Bank setzte die DPRG als Veranstalter ganz auf dieses Trendthema. „Kommunikation braucht Haltung“ lautete das Motto, „Kommunikatoren als Mutmacher und Lotsen“ der Untertitel.

Imran Ayata, Chef der Berliner Agentur Ballhaus West, kritisiert, dass „in unserer Branche so wenig Haltung festzustellen“ sei. (© Stageview Pedro Becerra)

Demokratie, Toleranz, Umwelt- und Klimaschutz, Diversity, Geschlechtergerechtigkeit, Familienfreundlichkeit, Digitalisierung, Inklusion – die Liste an Themen, bei denen Teile der Öffentlichkeit von Unternehmen eine Positionierung erwartet, ist lang. Politisch verortet haben diese Themen eher eine Links-Tendenz. Bei Haltung schwingt stets ein moralischer Anspruch mit: Die Aufforderung an Unternehmen, sozial zu sein, sich in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen und Gutes zu tun. Hardcore-Realisten ist so viel Sentimentalität zuwider. Glückliche Eisbären oder die gleiche Bezahlung von Frau und Mann sind nicht für jeden eine Herzensangelegenheit.

Wie ist es um die Haltung der Kommunikationsbranche zu gesellschaftlichen Entwicklungen bestellt? Aus Sicht von Imran Ayata, Geschäftsführer der Berliner Kampagnenagentur Ballhaus West und Initiator der Free-Deniz-Kampagne für den in der Türkei inhaftierten „Welt“-Journalisten Deniz Yücel, nicht besonders gut. In seiner Keynote kritisierte er, dass „in unserer Branche so wenig Haltung festzustellen“ sei.

Ayata hält es für ein Armutszeugnis der Branche, wie tatenlos sie der „tektonischen Rechtsverschiebung in Deutschland“ zusehe. Er wünsche sich von mehr Kommunikatoren, dass sie sich gegen rechts positionieren und nannte als Beispiel das Schweigen der Agenturchefs, als CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Begriff der „Anti-Abschiebe-Industrie“ verwendete – inzwischen Unwort des Jahres.

„Unsere Skills und Talente sind gefragt, wenn es darum geht, der gesellschaftlichen Spaltung entgegenzuwirken“, sagt Ayata. Mut und Radikalität in Kampagnen seien das Gebot der Stunde. Nicht nur im Aufstehen gegen rechts. Ebenfalls kein Verständnis hat Ayata für den Sexismus, wie er sich zuletzt in der #Männertage-Kampagne von MediaMarkt zeigte. „Was sagt das über Agentur und Kunde aus?“, fragt Ayata, der andere Agenturgeschäftsführer auffordert, sich endlich zur gleichen Bezahlung von Frauen zu bekennen und diese umzusetzen.

Wieviel Haltung besitzt die Branche?

Sind Kommunikatoren wirklich dermaßen haltungslos? Dirk Benninghoff, Chefredakteur von fischerAppelt, meinte nach dem Kommunikationskongress 2018 zumindest eine gewisse Mutlosigkeit zu erkennen: „Kommunikatoren rufen voller ‚Mut‘ dazu auf, beruflich ständig Neuland zu betreten. Vor wirklichen Mutproben wird gekniffen. Wer weiß, wie es beim Kunden ankommt.“ Für die „Ausrufezeichen“ lade man sich lieber Journalisten ein – wie Dunja Hayali.

Beispiele für klare Kante gibt es: „Als Agenturgeschäftsführer in Deutschland kann ich nur sagen: Migration ist die Mutter unseres Erfolges. #diversity“, twitterte zum Beispiel Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, CEO von Burson Cohn & Wolfe, nach den Ereignissen in Chemnitz und Horst Seehofers Äußerung zur Migration als „Mutter aller Probleme“. Ein „!“ gab es dafür von Ressourcenmangel. Die Agentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr war beim „Wir-sind-mehr“-Konzert in Chemnitz fast mit der halben Belegschaft vertreten. Das „Nicht jedes Fake muss falsch sein“ von Patrick Kammerer, Director Public Affairs & Communications bei Coca-Cola, über ein gefälschtes Coke-Plakat mit AfD-Bezug brachte ihm fast 2.800 Retweets und 10.000 Likes ein; der Marke viel Zuspruch.

Andere PR-Profis zeigen recht offen, welcher Partei sie sich zugehörig fühlen: achtung!-CEO Mirko Kaminski der SPD. Die Campaigner und Wahlkampfberater Frank Stauss und Mathias Richel sind ebenfalls Sozialdemokraten. Die MSL-Frontmänner Wigan Salazar und Axel Wallrabenstein sympathisieren mit der CDU. Wallrabenstein ist bekennender „Merkel-Fan“. Eine bestimmte Meinung zu Politik und Gesellschaft ist damit vordefiniert.

Fest steht: Dem Image von Unternehmen und Marken kann Haltung eine ganz neue Richtung geben. Nike mit der Kaepernick-Kampagne und aktuell Gillette sind die besten Beispiele. Negative Kommentare im Internet? „Proteste und Shitstorm sind ein kalkuliertes Risiko – und nicht wirklich riskant“, meint Imran Ayata. Alles in allem ist Haltung ein Gewinner-Thema.

Schwierig ist es für diejenigen Unternehmen, die beispielsweise mit Betrug, Mitarbeiterausbeutung, Steuervermeidung, Umweltzerstörung oder Schmutzkampagnen negativ von sich reden machen. Journalisten und Öffentlichkeit dürften in diesen Fällen genau hinschauen, wenn plötzlich Moral im Vordergrund steht. Aufgrund von Green- oder Whitewashing als unglaubwürdig entlarvt zu werden, kommt einem Reputationsschaden gleich. Akzeptiert wird Haltung von der Öffentlichkeit bislang nur in eine Richtung: Gewinnorientierung und Zwänge der globalen Wirtschaft kennt das Konzept nicht.

Welche Haltung ist die richtige?

Rogl Magdalena Microsoft c Stageview Pedro BecerraMagdalena Rogl (Foto © Stageview Pedro Becerra), Head of Digital Channels bei Microsoft Deutschland, widmete sich in ihrer Keynote unter anderem der Frage, ob es eine Haltung gebe, die die Richtige ist. „Wir können nicht alle die gleiche Haltung haben“, sagt sie. Ohne gehe es auch nicht. Kommunikatoren ohne Haltungen seien „ein Fähnchen im Wind“. Rogl hält es für wichtig, dass eine Haltung „authentisch und verlässlich ist“, auch wenn sie „manchmal ganz einfach langweilig“ sei. Auf jedes Thema aufzuspringen, sei jedenfalls der falsche Weg. Stattdessen gelte es, zu seinen Werten und seiner Persönlichkeit zu stehen: „Haltung zur Menschlichkeit“ könne eine Prämisse sein, so Rogl. Ganz konkret fordert sie von Kommunikatoren eine positive Haltung zur Digitalisierung. „Ich habe keine Lust mehr auf diese Angstmacherei!“

Neben den Keynotes gab es für die etwa 200 Teilnehmer – die Begrüßung übernahm Sabine Clausecker, Mitglied des Bundesvorstands der DPRG – noch reichlich Diskussionsmöglichkeiten in den zehn Arbeitsgruppen. Themen waren unter anderem die Einführung eines Lobbyregisters, die Rolle von Social Media in der CEO-Kommunikation und die Bedeutung von Kommunikationskodizes für die PR.

In einer Arbeitsgruppe mit Podiumsdiskussion kam es auch zur Ansage des Tages: Axel Wallrabenstein, Teilnehmer einer anfangs rein männlich besetzten Runde zum Thema Lobbying, machte zur Bedingung für sein Mitwirken, dass mindestens eine Frau mitdebattiert. Es fand sich eine Teilnehmerin, die dem Stuhlkreis beiwohnen wollte. Die Zukunft der Branche ist ja weiblich. Es konnte mit Wallrabenstein weitergehen.

Seitennavigation

Personalien

Michael Schattenmann folgt auf Stefan Caspari

Michael SchattenmannMichael Schattenmann (49) wird zum 1. Juni 2024 neuer Leiter der Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei der Andreas Stihl AG & Co. KG in Waiblingen. Er übernimmt die Position von Stefan Caspari (61), der den Bereich über zwei Jahrzehnte geleitet hat und nun die passive Phase seiner Altersteilzeit antritt. Er berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden Michael Traub.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Von wegen Mittelmaß! Deutsche Marken im Siegermodus

Top 10 Grafik mit UnternehmenslogosAlle deutschen Top 10 Marken sind zweistellige Markenmilliardäre und bringen zusammen über 350 Milliarden Markenwert auf die Waage. Das schafft mit weitem Abstand kein anderes Land in Europa. Das geht aus dem aktuellen „Brand Finance Report“ 2024 hervor. Interessant: Die Händlermarken Lidl (9) und Aldi Süd (10) sind nun beide in den Top 10, da Aldi Süd den Vorjahreszehnten adidas überholt hat.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Interne Kommunikation: Weniger ist mehr

Eine Umfrage der Hamburger Agentur nwtn bringt es an den Tag, weniger – und seltener – ist in der internen Kommunikation mehr. Die Nachrichtenflut und die vielen Kanäle lösen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Der Wunsch aus der Belegschaft: Lieber nur wöchentlich und dann eine Information, wenn es wirklich etwas Neues gibt. Die Befragung von bonsai Research im Auftrag von nwtn zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der internen Kommunikation zunimmt.

Aus- und Weiterbildung

Neues Intensivtraining

Karen HoffmannDie Deutsche Akademie für Public Relations dapr, Düsseldorf, startet ihr neues Intensivtraining Corporate Community Manager am 18. September 2024. Ab sofort können sich Interessierte dazu anmelden. Im dreitägigen Seminar lernen Mitarbeitende und Führungskräfte aus Kommunikation, Marketing, PR, HR sowie Change-Management, wie sie interne Gemeinschaften aufbauen und managen.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Das Königshaus und seine PR

Kate, Prinzessin von WalesEine Frau, eine Parkbank, eine Botschaft. In der vergangenen Woche machte die Prinzessin von Wales persönlich in einem Video ihre Krebskrankheit öffentlich. Auch das ist Public Relations. „Kate hat Krebs“ – diese Alliteration zieht sich seither durch die Berichterstattung. Beiläufig wird darüber diskutiert, ob das Königshaus mit guter oder schlechter PR glänzte, worüber sich streiten lässt.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Auszeichnung für zwei Gewinnerinnen

Caroline Siegel, Lina Blenninger und Günter BenteleLina Blenninger und Caroline Siegel sind die Gewinnerin des Günter-Thiele-Preises 2024 und werden mit dem gleichnamigen Forschungsstipendium 2024 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 12. April 2024 im Rahmen der Veranstaltung „Refresh“ des Lehrbereichs Communication Management an der Universität Leipzig statt. Der Jury-Vorsitzende ist Professor Günter Bentele.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.