Jörg Forthmann

Apple steht seit Jahren in der Kritik: Die Produkte unausgereift und zu teuer. Schlechte Arbeitsbedingungen in China. Mobbing der Betriebsräte. Apple-Chef Tim Cook setzt jetzt offensiv auf den Schwiegersohn-Trick: Der sündige Lebensstil bleibt, aber die kritische Schwiegermama wird mit Blumen bezirzt. Lesen Sie hier, wie Apple eine neue Agenda setzt und damit sehr kluge Krisenkommunikation betreibt.

Manchmal ist es geradezu unmöglich, Krisenthemen endgültig aus der Welt zu schaffen – gerade wenn das Unternehmen ein weltumspannender Konzern ist. So wird Apple es nie hinbekommen, dass es keine schlechten Nachrichten mehr zu den Arbeitsbedingungen in China gibt – weil es so gut ins gewohnte Bild passt. Ebenso ist es mit Designmängeln und Anwendungsproblemen bei den Kultgeräten – der ewige Vergleich mit dem Apple-Gründer Steve Jobs mit seinem legendären Hang zur Perfektion ist nicht zu gewinnen. Apple geht deshalb seit geraumer Zeit einen anderen Weg, den sich Krisenkommunikatoren mal genauer anschauen sollten: Der US-Konzern setzt eine neue Agenda.

Erfolgsfaktor Nr. 1: klare Positionierung mit der neuen Agenda

Privatsphäre sei ein "grundlegendes Menschenrecht", postuliert Apple und positioniert sich damit eindeutig. "Der Kunde ist nicht unser Produkt", betont das Unternehmen an anderer Stelle.

Erfolgsfaktor Nr. 2: Feindbilder aufbauen

Deshalb würden Apple-Geräte nur ganz wenige Daten erfassen – anders als andere IT-Konzerne. Das darf man gerne als Seitenhieb auf Google und Facebook verstehen. Auch wenn es nicht ganz fair ist: So baut der Apfel-Konzern gezielt ein Feindbild auf. Es genügt eben nicht, sich als Guter zu positionieren. Das Publikum muss auch erfahren, wo die Bösen sind. Außerdem kommen so die Nachrichtenfaktoren "Drama" und "Konflikt" ins Spiel, die der neuen Botschaft medialen Rückenwind verleihen. Google und Facebook haben in diesem Spiel selbst Schuld, in die Verliererrolle gedrängt zu werden. Schließlich ziehen sie seit Jahren massiv Kritik in Sachen Datenschutz auf sich. So baut man sich selbst zum Opfer auf.

Erfolgsfaktor Nr. 3: kein potemkinsches Dorf

In Apple-Geräten befinden sich viele private Daten. Angefangen von der Herzfrequenz beim Laufen über den Standort des Anwenders bis hin zu den letzten iMessages. Apple behauptet von sich, Privatsphäre und Sicherheit problemlos mit dem intuitiven Nutzungserlebnis verbinden zu können. Und tatsächlich: Die Datenschutzeinschränkungen finden sich leicht in den Geräteeinstellungen und lassen sich mit Schiebeschaltern regeln. Hinzu kamen in der letzten Zeit Touch ID, Face ID und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Was aber viel wichtiger ist: Das Geschäftsmodell von Apple beruht nicht auf individualisierter Werbung und Datenverkauf, sondern auf dem Verkauf von Produkten und Services. Ganz sicher analysiert Apple dafür fleißig Nutzerdaten, doch – immerhin – sie verlassen nicht das Haus und werden auch nicht verkauft. Apple hat damit eine gesunde Basis, um sich mit Datenschutz zu positionieren. Doch Vorsicht! Wer hier lügt, hat sich selber die Fallhöhe gebaut, die für eine ausgewachsene Krise vonnöten ist.

Erfolgsfaktor 4: offensiv sein

Mit diesen Vorarbeiten im Rücken geht Apple mit seiner Datenschutz-Positionierung offensiv raus. Das Unternehmen lobt den europäischen Datenschutz, der hierzulande als DSGVO-Verordnung verschrien ist. Apple-Chef Tim Cook fordert in seinem jüngsten „Time-Magazin“-Beitrag eine amerikanische Datenschutzbehörde und wirft die Idee in den Ring, dass private Nutzerdaten künftig nur noch über eine offizielle Plattform gehandelt werden dürfen, die gleichzeitig dem Nutzer volle Transparenz über die gehandelten Daten bietet. Also keine verstohlenen Datendeals mehr in Hinterzimmern der US-Konzerne. Mit diesen Forderungen stellt sich Apple an die Spitze der Bewegung. Chapeau! Davon können sich viele Vorstände eine ganz dicke Scheibe abschneiden.

So liefert Apple ein Musterbeispiel, wie die öffentliche Wahrnehmung durch das Setzen einer neuen Agenda gezielt verändert werden kann.

Über den Autor: Jörg Forthmann ist seit 30 Jahren Kommunikator, anfangs als Journalist, später in den Pressestellen von Nestlé und Mummert Consulting, heute als Geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsberatung Faktenkontor in Hamburg. Im Faktenkontor verantwortet Forthmann die Analyse und die Konzeption. Der oben stehende Beitrag wurde zunächst im Krisen-PR-Blog von Forthmann veröffentlicht.


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