Die Messe, ein Auslaufmodell? Was das Ende der CeBIT für Kommunikatoren bedeutet

Nachdem in der vergangenen Woche das Aus der einst weltgrößten Computermesse verkündet wurde, ist die gesamte IT-Branche in Aufruhr. Fest steht: Es wird keine CeBIT 2019 in Hannover geben. Ein harter, wenn nicht gänzlich unerwarteter Entschluss. Im Nachhinein denkt man gerne an die einstige Blütezeit und berühmte Momente wie den Auftritt von Bill Gates am 12. März 1995 zurück.

Technische Spielereien waren ein Markenzeichen der CEBIT. (© Deutsche Messe)

Die Debatte, die rund um das Scheitern der CeBIT entbrannt ist, erinnert uns schmerzlich daran, wie es um die Fehlerkultur in Deutschland bestellt ist. Scheitern ist nicht vorgesehen, schließlich werden wir an Erfolgen gemessen. Einen anderen Umgang lehrt der Auftritt von Bill Gates 1995. Während er auf der CeBIT noch überzeugt war, mit einem eigenen Microsoft Network dem Internet Konkurrenz machen zu können, erkannte er wenig später seinen Irrtum. Seine Entscheidung den Internet Explorer mit Windows zu bündeln und von der Entwicklung eines eigenen Netzwerks abzusehen, ließ Microsoft wieder mit dem Konkurrenten Netscape aufschließen. Sich irren, eine Entscheidung revidieren, aus den Fehlern lernen, andere an den gewonnenen Erkenntnissen teilhaben lassen und gemeinsam die Zukunft gestalten – für Gates selbstverständlich.

Was bleibt?

Das Ende der CeBIT in Hannover wirft viele Fragen auf: Welche Rolle können Messen im Kommunikations- und Marketingmix von Unternehmen noch spielen, wo sie es sich über Jahre hinweg gemütlich eingerichtet haben? Braucht es tausende Quadratmeter Standfläche, um die Produkte den relevanten Zielgruppen zu präsentieren? Stehen die hohen finanziellen Aufwände im Verhältnis zum Ertrag? Diese Fragen wird und muss jedes Unternehmen für sich beantworten.

Im Fall von Unternehmen wie Microsoft und der Telekom liegt die Schlussfolgerung nahe: 2017 entschied sich Microsoft gegen eine eigene Präsenz auf der Messe, war aber auf den Ständen seiner Partner vertreten. Parallel zur CeBIT lud das Unternehmen am 23. März 2018 zur Explained – die Digitalkonferenz von Microsoft – in Berlin ein. Die Telekom war 2018 erstmalig nicht auf der CeBIT vertreten, gab am 20. März 2018 in Köln aber den Startschuss für die Eventreiche Digital18. Ein prominentes Beispiel außerhalb des CeBIT-Kosmos ist Apple. Seit Jahren inszeniert das amerikanische Unternehmen seine Produkte gekonnt im Rahmen eigener Events, die Journalisten aus aller Welt anlocken.

Was alle drei Beispiele deutlich machen: Die Content-Hoheit und die Exklusivität sind die stärksten Argumente für Unternehmen, sich gegen einen Auftritt auf den noch verbliebenen Leitmessen und für ein eigenes Eventformat zu entscheiden. Vorausgesetzt sie verfügen über eine ausreichende Strahlkraft, das nötige Netzwerk und das Budget, um hochkarätige Speaker, Aussteller und Teilnehmer für sich zu gewinnen. Die Vorteile eigener Events liegen auf der Hand: meine Bühne, meine Spielregeln, meine Kommunikation, meine Berichterstattung.

Let me entertain you

CES Las Vegas c David BerkowitzNeben dem heiteren, ausgelassenen Festival-Flair der South by Southwest (SXSW) in Austin, dem Neuheiten-Feuerwerk der CES in Las Vegas (Foto; © David Berkowitz) oder dem Web Summit in Lissabon wirken viele (ehemalige) Leitmessen abgeschlagen und ergraut. Denn eines darf bei der Informationsfülle, den vielen Networking-Events und der Reizüberflutung in den Hallen nicht fehlen: Entertainment ist der Schlüssel, um die Teilnehmer von Events und Messen aus ihrem Alltag und der Lean-Back-Haltung herauszuholen. Messen und Events sind nicht aus der Mode gekommen, im Gegenteil. Sie verlieren allerdings ihre Daseinsberechtigung, wenn es den Anschein erweckt, als seien sie nicht der geeignete aber der „gelernte, althergebrachte“ Kanal.

Viele Wege führen zum Ziel

Messen und Events sind kein Selbstzweck für Unternehmen. Es gilt formulierte Unternehmensziele zu erreichen. Aber wie, wenn die Leitmesse nicht mehr da ist? Die eine Antwort gibt es nicht, aber es gibt Alternativen, die abhängig vom konkreten Ziel funktionieren können.

Social Selling hat bei der Neukundengewinnung großes Potenzial: Social Media Auftritte werden genutzt, um potenzielle Kunden zu identifizieren, mit ihnen in Kontakt zu treten, ihre Bedürfnisse zu verstehen und mit ihnen im Gespräch zu bleiben. Mit Social Listening wird im entscheidenden Moment der (Neu)Kunde angesprochen und bei seinem Problem aktiv unterstützt.

Nicht nur für den Vertrieb der eigenen Lösungen ist das Social Web ein Kanal, dem es Beachtung zu schenken gilt. Unabhängig von Events und Messen mit ihren Innovationplattformen – ehemals Code-N oder die ifa.next-Halle – ist beispielsweise LinkedIn ein Umfeld, wo sich Unternehmen und deren Repräsentanten durch relevanten Content und klare Botschaften positionieren können. Als eine der – wenn nicht sogar die – führende Plattform für Geschäftsbeziehungen, kürt das Unternehmen regelmäßig die Top Voices ausgewählter Branchen. Wer hier als Meinungsführer bezeichnet wird, liefert wichtige Impulse für seinen Wirtschaftsbereich und darüber hinaus.

Besonders für KMU oder Start-ups stellen Messen ein geeignetes Instrument dar, um sich einem größeren Publikum zu präsentieren und auf sich aufmerksam zu machen. Eine Reihe weiterer Kommunikationsmaßnahmen, wie zum Beispiel eine gemeinsame Außendarstellung und Partnerkommunikation mit etablierten Playern im Markt, branchen- und zielgruppenrelevante Awards und Auszeichnungen oder der Aufbau von Influencer Relations zahlen ebenfalls auf das Ziel ein, das Unternehmen bekannter zu machen. Bei Influencer Relations geht es weniger um kurzfristige Kooperationen, als um den Aufbau langfristiger Beziehungen mit ausgewählten Personen. Weniger die Reichweite, sondern eher die passende Zielgruppe ist entscheidend.

Design Thinking c UnsplashFür viele Unternehmen sind die Leitmessen auch eine Möglichkeit, sich das Feedback ihrer Kunden konsolidiert abzuholen. Auch hier gibt es Alternativen. Vielleicht sogar bessere, denn sie setzen viel früher im Prozess der Produktentwicklung an. Bei der wachsenden Konkurrenz im Markt, einer stärkeren Interaktion zwischen Kunde und Anbieter und der steigenden Kompetenz aufseiten der Kunden, zahlt es sich für Unternehmen aus, ihre Kunden noch früher in den Entwicklungs- und Innovationsprozess einzubinden. Co-Creation Formate können bei firmeneigenen Events Anwendung finden. Unternehmen profitieren von dem gemeinsamen Schaffensprozess, indem die Bedürfnisse der Kunden und die Produkterfahrungen der Influencer direkt in die Produktentwicklung einfließen und der Wissensaustausch (Foto; © Unsplash) die Produktentwicklung beschleunigt.

Die Zukunft gestalten

Kommunikatoren müssen in der Lage sein, schnell auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Das ist an manchen Tagen eine Herausforderung, macht unseren Beruf aber so abwechslungsreich. Der digitale Wandel hieße nicht digitaler Wandel, wenn er nicht mit maßgeblichen Veränderungen einher gehen würde. Aufgrund der Innovationsgeschwindigkeit können wir die Veränderungen, die uns in Zukunft beschäftigen werden, heute größtenteils noch nicht einmal erahnen. Nehmen wir, wie es Bill Gates 1995 tat, das gescheiterte Format CeBIT zum Anlass, bestehende Kommunikationsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit immer wieder zu hinterfragen und neue Methoden in unserem Kommunikationsmix zu etablieren. In diesem Sinne: „Let's go invent tomorrow rather than worrying about what happened yesterday."

Dingler Christine Fleishman HillardÜber die Autorin: Christine Dingler (Foto) ist als Account Supervisor bei der Kommunikationsagentur FleishmanHillard in Frankfurt im Bereich Creative, Strategy und Innovation tätig. Dingler hat knapp zehn Jahre Erfahrung im Bereich Corporate sowie PR und digitaler Kommunikation – mit einem starken Fokus auf Tech, IT und Telekommunikation. Zuletzt war sie beim Schweizer Smart Home Anbieter digitalSTROM in der Unternehmenskommunikation tätig.

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Personalien

Michael Schattenmann folgt auf Stefan Caspari

Michael SchattenmannMichael Schattenmann (49) wird zum 1. Juni 2024 neuer Leiter der Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei der Andreas Stihl AG & Co. KG in Waiblingen. Er übernimmt die Position von Stefan Caspari (61), der den Bereich über zwei Jahrzehnte geleitet hat und nun die passive Phase seiner Altersteilzeit antritt. Er berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden Michael Traub.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Von wegen Mittelmaß! Deutsche Marken im Siegermodus

Top 10 Grafik mit UnternehmenslogosAlle deutschen Top 10 Marken sind zweistellige Markenmilliardäre und bringen zusammen über 350 Milliarden Markenwert auf die Waage. Das schafft mit weitem Abstand kein anderes Land in Europa. Das geht aus dem aktuellen „Brand Finance Report“ 2024 hervor. Interessant: Die Händlermarken Lidl (9) und Aldi Süd (10) sind nun beide in den Top 10, da Aldi Süd den Vorjahreszehnten adidas überholt hat.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Interne Kommunikation: Weniger ist mehr

Eine Umfrage der Hamburger Agentur nwtn bringt es an den Tag, weniger – und seltener – ist in der internen Kommunikation mehr. Die Nachrichtenflut und die vielen Kanäle lösen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Der Wunsch aus der Belegschaft: Lieber nur wöchentlich und dann eine Information, wenn es wirklich etwas Neues gibt. Die Befragung von bonsai Research im Auftrag von nwtn zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der internen Kommunikation zunimmt.

Aus- und Weiterbildung

Neues Intensivtraining

Karen HoffmannDie Deutsche Akademie für Public Relations dapr, Düsseldorf, startet ihr neues Intensivtraining Corporate Community Manager am 18. September 2024. Ab sofort können sich Interessierte dazu anmelden. Im dreitägigen Seminar lernen Mitarbeitende und Führungskräfte aus Kommunikation, Marketing, PR, HR sowie Change-Management, wie sie interne Gemeinschaften aufbauen und managen.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Das Königshaus und seine PR

Kate, Prinzessin von WalesEine Frau, eine Parkbank, eine Botschaft. In der vergangenen Woche machte die Prinzessin von Wales persönlich in einem Video ihre Krebskrankheit öffentlich. Auch das ist Public Relations. „Kate hat Krebs“ – diese Alliteration zieht sich seither durch die Berichterstattung. Beiläufig wird darüber diskutiert, ob das Königshaus mit guter oder schlechter PR glänzte, worüber sich streiten lässt.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Auszeichnung für zwei Gewinnerinnen

Caroline Siegel, Lina Blenninger und Günter BenteleLina Blenninger und Caroline Siegel sind die Gewinnerin des Günter-Thiele-Preises 2024 und werden mit dem gleichnamigen Forschungsstipendium 2024 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 12. April 2024 im Rahmen der Veranstaltung „Refresh“ des Lehrbereichs Communication Management an der Universität Leipzig statt. Der Jury-Vorsitzende ist Professor Günter Bentele.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.