Mann kann mehr als Knöpfe streicheln: Überlegungen zur neuen Media Markt Kampagne

Es gibt Menschen, die haben auch heute noch eine Vorliebe fürs Archaische, für Männer, die jagen, ihre Familie ernähren, Frauen, die im Heim das Fleisch zubereiten, für Sex und Fortpflanzung zur Verfügung stehen. Die neue Media Markt Kampagne ist diesbezüglich und vordergründig eher fortschrittlich: Sie basiert auf dem Insight, dass Männer auch mal an Stimmungsschwankungen leiden, also genauso wie Frauen „ihre Tage haben“.

Cornelia Kunze

Dann sind sie anders drauf, sprayen auch mal ein männliches Geschlechtsteil auf den Asphalt und kurieren ihren Frust per Shopping-Therapie im Media Markt. Wir lernen: Frau und Mann sind nicht so verschieden, wie wir das immer glaubten. Die #Männertage erscheinen nicht nur als Plakatkampagne oder als Film, sondern sollen den potenziellen Kunden auch im Netz erreichen: eine Umfrage mit vielen „PR-Aufhängern“, einen Schnäppchentag für Singles, Selbst-Test, Promifaktor, eine Prise Selbstironie, ein bisschen Zunder zum Diskutieren für die Netzgemeinde. So weit, so gut.

Wenn da nicht das Werbemotiv mit Sophia Thomalla wäre. „An diesen Tagen streichelt er einfach alles, was Knöpfe hat.“ Welche beiden Knöpfe gemeint sind, ergibt sich aus dem Bild. Es wird wohl zurecht angenommen, dass sich die meisten Käufer noch an die Zeit erinnern, in denen Haushaltselektronik mit „Knöpfen“ verkauft wurde. Daraus ergibt sich dann der Lacher.

Vielleicht hätte ich die Kampagne gar nicht wahrgenommen, wenn diese nicht qua „Shitstorm“ in meine Filterblase eingedrungen wäre. Und plötzlich erinnere ich mich an Mario Barth: „Da kannste alles anfassen, ohne eine geknallt zu kriegen!“, die Mediamarkt Kampagne, die sich schon lange vor Donald Trump Gedanken machte, wie man ungestraft grapschen kann.

Nun bin ich nicht Mitglied des Werberats, der angerufen wurde, darüber zu entscheiden, ob das Thomalla-Motiv der #Männertage Kampagne von Media Markt sexistisch und diskriminierend ist. Die Kriterien sagen in etwa, dass weibliche Brüste und das Anfassen derselben nicht zwingend mit den Produktvorteilen von Unterhaltungselektronik verbunden sind, der Verdacht liegt nahe, dass Frau als Objekt degradiert wird, um über das unterbewusste archaische Männer-Ich an die Brieftasche zu kommen.

Im Gegensatz zu beispielsweise der Wäsche-Marke Victoria Secret können elektronische Geräte durchaus ohne die Darstellung von leichtbekleideten, attraktiven Frauen die Einzigartigkeit und Relevanz ihrer Produkte bewerben. Die Frage ist: Warum tun sie`s dann doch?

Die Verteidiger des Motivs in den sozialen Netzwerken sagen: Media Markt habe alles richtiggemacht, wie die Aufregung zeige. Sex sells. Die Kampagne bekomme unbezahlte und unbezahlbare PR. Diese hilft Kunden zu gewinnen und zu halten.

Liebe Leute, so einfach ist es leider eben nicht. Dafür bräuchte man keine einigermaßen gut bezahlten Marketing-Manager, Werber, PR-Experten, die sich über Monate Gedanken machen, wie man sich von Amazon ein paar Marktanteile zurückholt. Ob des Resultats dieses Denkprozesses kann ich mir fünf Anregungen nicht verkneifen.

  • Insight: Männer haben auch Stimmungsschwankungen? Glaub ich aufs Wort. Aber ist das wirklich soooo relevant, dass man daraus eine ganze Kampagne bastelt? Warum setzen sich überhaupt heute noch Leute ins Auto und fahren in ein Geschäft, statt sich die Sachen von Amazon frei Haus liefern zu lassen? Weil sie Spaß haben wollen? Oder weil sie nach Beratung suchen, nach Fachkompetenz und Menschen, die Kunden-Bedürfnisse und nicht Stimmungsschwankungen verstehen.
  • Amplifizierung: Umfrageergebnisse versprechen unbezahlte Berichterstattung in den Medien. Wenn die dann aber nicht so richtig authentisch und ein bisschen flach sind, dann kann auch die fleißigste PR-Agentur und deren ergebnisorientierte Bezahlung nicht viel ausrichten…Langfristigen Rückenwind bekommen nur Kampagnen, die den Nerv der Menschen und der Zeit treffen.
  • Zielgruppe: Man will sich auch um Frauen bemühen. Sowas geht aber anders. Ich weiß, wenn so eine Kampagne mal raus ist, dann tröstet man sich gern mit den Stimmen wohlgesonnener Einzelner und zitiert diese bei internen Meetings. Aber wenn wir mal ehrlich sind: diese Motive wurden doch von einigen Männern für einige oder meinetwegen auch viele Männer gemacht, oder? Wer mehr O-Töne von Frauen hören will, schaut mal auf Twitter unter #sexistischekackscheisse (sorry – aber so lautet der hashtag).
  • Kreativer Anspruch: Das Motiv mit Frau Thomalla ist von vorgestern. Generationen von Kreativen haben uns mit ähnlichen Bild-Motiven gelangweilt, eine neue Headline mit Doppeldeutigkeit macht es nicht besser. Die Marke soll Spaß machen. Da müsste den Kreativen doch mehr einfallen.
  • Wertbeitrag von Werbung: Seit Don Draper hat sich einiges getan in der Werbung. Werbung zeigt Haltung, stößt Veränderungen an, mobilisiert und ist mittendrin als wichtiger Player im gesellschaftlichen Veränderungsprozess. Unilever’s Dove Kampagne für wahre Schönheit läuft seit 2004. Wir haben damals versucht, mit Frauen gemeinsam etwas zu verändern – und darüber Millionen von Frauen für die Marke zu gewinnen. „Always like a girl“ – für eine klischeefreie Erziehung von Mädchen. Unilever`s Initiative #Unstereotype: ein ganzes Unternehmen verpflichtet sich dazu, zukunftsorientiert zu werben, statt auf in der Vergangenheit erworbene Vorurteile einzuzahlen.

Zum Schluss noch eine kleine Anmerkung für die Media Markt Community Manager: Könntet Ihr Euch vorstellen, Eure Kritiker zu respektieren? Ihr wollt ein Beispiel? „Hast Du Deine Tage?“ zu jemandem zu sagen, der sich über Eure Kampagne beschwert: das hilft Eurer Kommunikationsabteilung nicht, den Shitstorm einzudämmen.

Über die Autorin: Cornelia Kunze leitet die deutsche Sektion von „Global Women in PR“ (GWPR). Das Netzwerk erfahrener Kommunikatorinnen will Frauen ermutigen und sie dabei unterstützen, Führung in Kommunikationsberufen zu übernehmen. Hauptberuflich führt sie ihre Markenberatung i-sekai in München. Zuvor war sie mehr als 19 Jahr für Edelman tätig, darunter einige Jahre als Deutschlandchefin.

Seitennavigation

Personalien

Zuwachs für Boldt in Berlin und Köln

Wehrs Julia SenCons Boldt 2024Bienias Marius SenCons Boldt 2024Julia Wehrs (Foto l.) und Marius Bienias (r., © Boldt) sind als Senior Consultants neue Mitglieder im Team der internationalen Kommunikationsberatung Boldt. Bienias ergänzt seit März das Team in Köln. Zuvor arbeitete er unter anderem als Senior Account Manager bei den Agenturen Team Lewis und Edelman. Wehrs unterstützt seit April den Bereich Corporate und Public Affairs in Berlin. Zuletzt war sie Account Managerin im Public Affairs-Team von BCW (Burson Cohn & Wolfe) Deutschland.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.