In zwei Drittel der Projekte hat die freiwillige Kommunikation das Projekt positiv beeinflusst. (Grafik © Universität Hohenheim / Wikopreventk)

Auf die richtigen Instrumente kommt es an: Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart und das österreichische Beratungsunternehmen wikopreventk haben 97 deutsche und österreichische Großprojekte mit einem Investitionsvolumen von 85 Milliarden Euro unter die Lupe genommen. Ihr Ergebnis: Der Nutzen einer transparenten, frühzeitigen und dialogorientierten Kommunikation übersteigt die Kosten – und lohnt sich vor allem, um Konflikte zu vermeiden.

Bau- und Infrastrukturprojekte stoßen immer wieder auf Proteste von Teilen der Gesellschaft. Stets artikulieren lokale Bürgerinitiativen ihren Unmut, Umwelt- und Naturschutzverbände springen ihnen bei. Und auch von Parteien werden die Konflikte oft aufgegriffen, teilweise für die eigene Wahlwerbung genutzt.

Brettschneider Frank Professor Kom Wissensch Uni HohenheimDie Protestgründe sind dabei vielfältig: Zum einen spielen sachliche, projektbezogene Kritik und Argumente eine Rolle. Aber eben auch das sogenannte NIMBY-Phänomen – Not in my Backyard. Hier sind die Bürger beispielsweise für die Energiewende – solange das Windrad oder die Stromtrasse nicht vor der eigenen Haustüre stehen. Auch das mangelnde Vertrauen in die Politik und die Projektverantwortlichen können zu heftigem Gegenwind und Protesten führen.

Hinzu kommt oft eine falsche Kommunikation. „Zu spät, zu intransparent und von oben herab“, betont Frank Brettschneider (Foto; © Uni Hohenheim), Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim.

Freiwillige Kommunikation zahlt sich aus

Die Studie der Universität Hohenheim und des österreichischen Beratungsunternehmen wikopreventk analysiert diese Kommunikationsprobleme von Bau- und Infrastrukturprojekten. Die Kommunikationsexperten haben dazu die Projektleiter von 97 Projekten – 35 davon in Österreich – mit einem Investitionsvolumen von 85 Milliarden Euro befragt.

Knapp die Hälfte der Projekte kommt aus dem Bereich Verkehr (z.B. Bahntrassen, Autobahnen, Umgehungsstraßen), ein Viertel aus dem Energiesektor (z.B. Stromüberlandleitungen, Windenergieanlagen). 20 Prozent der Projekte sind im Bereich Stadtentwicklung angesiedelt (z.B. Sportstadien, Opern- und Schauspielhäuser, Schwimmbäder) und neun Prozent im Bereich Landwirtschaft und Naturschutz (z.B. Schweinezuchtanlage, Hochwasserschutz, Naturschutzprojekte).

„Eines der zentralen Ergebnisse: In fast drei Viertel der Projekte ist der Nutzen der freiwilligen Kommunikation größer als die Kosten dafür. Kommunikation und Beteiligung sind also nicht nur gesellschaftlich sinnvoll, sie zahlen sich auch für die Projektverantwortlichen aus“, sagt Brettschneider.

Freiwillig und transparent: Das kommt an

Darüber hinaus hat die freiwillige Kommunikation in zwei Drittel der Fälle das Projekt auch positiv beeinflusst, erklärt der Professor weiter: „Die befragten Projektleiter gaben an, dass die Akzeptanz und das Vertrauen der Bürger gegenüber den Projekten gestiegen sind. Kritische Themen konnten dadurch frühzeitig gelöst werden. Auch wurde Gerüchten und Ängsten entgegengewirkt.“

Die Hälfte der Projektleiter gibt an, dass die Einbindung aller wichtigen Gruppen die Diskussion versachlicht habe, 64 Prozent sagen sogar, dass die Akzeptanz gesteigert werden konnte.

Am wichtigsten für den Kommunikationserfolg sind nach Ansicht der Projektleiter eine transparente Kommunikation (99 % geben dies als wichtig an) und die eigene Glaubwürdigkeit (96 %). „Dazu gehört auch, dass der Bauherr einhält, was er öffentlich verspricht“, sagt Brettschneider.

Bei den eingesetzten Kommunikationsmaßnahmen ist die klassische Pressemitteilung (91 %) meistgenutztes Mittel. Dann folgen Info-Veranstaltungen (83 %), Pressekonferenzen (74 %) sowie Visualisierungen (66 %) und Projekt-Websites (65 %).

Konfrontationen vermeiden und sachliche Auseinandersetzung fördern

Die Studie erbringe erstmals auch den wissenschaftlichen Nachweis, dass sich Beteiligung und Kommunikation für den Vorhabenträger auszahlt, so Brettschneider. Bisherige quantitative Studien hätten in erster Linie auf die Zufriedenheit der Beteiligten beziehungsweise der Öffentlichkeit abgestellt, nicht aber auf die Zufriedenheit der Investoren selbst.

Viele Ergebnisse der Befragung würden die Erfahrungen aus der Praxis bestätigen, etwa dass die Kommunikationsmaßnahmen im Laufe des Projektes angepasst werden. „Der momentane Trend ist, dass frontale Formate und Großveranstaltungen verringert und persönliche Gespräche intensiviert werden“, erklärt Ulrich Müller, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens wikopreventk.

Die Strategie dahinter: Konfrontationen und jedes Format, das starke Emotionen begünstigt, meiden und die sachliche Auseinandersetzung fördern. „Dazu passt auch, dass Social Media in der Kommunikation der Projektwerber so gut wie keine Rolle spielen“, sagt Müller.

Beteiligung und Kommunikation gehen Hand in Hand

Ein Drittel der Projekte ist aus Sicht der Projektleiter durch diese Beteiligung besser geworden: 31 Prozent sagen, dass die Expertise der Stakeholder Alternativen aufgezeigt beziehungsweise das Projekt inhaltlich optimiert habe. Doch Ulrich Müller betont auch: „Ein Beteiligungsprozess alleine reicht aber nicht. Der Prozess muss auch durch Kommunikation nach außen verankert werden. Die Öffentlichkeit kann über die Legitimität des Vorgehens nur urteilen, wenn sie das Vorgehen kennt. Und wenn das Vorgehen als legitim angesehen wird, wird auch eher das Ergebnis des Beteiligungsprozesses akzeptiert.“

Beteiligung und Kommunikation gehen für Brettschneider und Müller daher Hand in Hand: Beides müsse strategisch geplant werden. Laut der Studie hat nur die Hälfte der Projektträger ein vollständiges Kommunikationskonzept.

Von der stolpernden zur dialogorientierten Kommunikation

Das Fazit von Ulrich Müller: „Viele Projektwerber stolpern immer noch in die Kommunikation ihres Vorhabens. Das verwundert vor dem Hintergrund des ansonsten so hohen Professionalisierungsgrades.“

„Mit durchschnittlich 0,1 Prozent des Projektvolumens liegt das Kommunikationsbudget weit unter dem vom Verein der deutschen Ingenieure (VDI) empfohlenen Wert von einem Prozent“, fügt Professor Brettschneider hinzu, der zugleich Vorsitzender des VDI-Richtlinienausschusses für die Richtlinie 7001 („Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung und Bau von Infrastrukturprojekte – Standards für die Leistungsphasen der Ingenieure“) ist.

Der Kommunikationsexperte fasst zusammen: „Man kann gesellschaftlich tragfähige Lösungen finden. Aber das geht nicht ohne Kommunikation zwischen Bürgern, Verbänden, Initiativen, Projektleitern sowie Politik und Verwaltung. Die Legitimation von Bau- und Infrastrukturprojekten beruht nicht nur auf gesetzlich vorgeschriebenen, formalen Rechtsverfahren. Sie braucht auch eine frühzeitige und dialog-orientierte Kommunikation“.

Die Studienergebnisse stehen auf der Website der Universität Hohenheim zum Download zur Verfügung.


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