Charles Bahr: “Botschafter zwischen den Generationen”

Ein Gespräch über Fehlerkultur in der Kommunikationsbranche

Noch in der Schulzeit die erste Agentur gründen, auf der Republica Vorträge halten und zahlreiche Interviews mit deutschen Leitmedien - klingt verrückt? Nicht für Charles Bahr. Der heute 16-Jährige berät mit “Tubeconnect” namhafte Firmen, wie Allianz oder Eventim, rund um das Thema Influencer Marketing und die Generation Z. Gina Cimiotti, ehemaliges Vorstandsmitglied des LPRS und Studentin des Master Communication Management an der Universität Leipzig, und Annett Bergk, Redakteurin des PR-Journals, haben mit Deutschlands jüngstem Agentur-Gründer gesprochen.

Charles Bahr

Cimiotti: Sie haben mit sehr jungen Jahren ein eigenes Unternehmen gegründet – alles ohne Ausbildung oder Studium, parallel gehen Sie noch in die Schule. Hatten Sie nie Angst davor, zu scheitern?

Bahr: Wir haben damals festgestellt, dass die ganze Youtube Szene nicht aus Professionals aus dem Marketingumfeld entstanden ist, sondern aus vorwiegend jungen Leuten, die Lust hatten, kreativ zu sein, Inhalte zu erstellen und sie online zu teilen. Da hat sich zunächst auch keiner gefragt “Was ist, wenn keiner meine Videos schaut oder ich negative Kommentare bekomme?”, sondern einfach gemacht. Warum also sollte das nicht auch für uns gelten? Ich glaube, dass die Angst vor etwas öfter hemmt, als dass sie hilft. Scheitern kann man immer, aber erfolgreich sein nur, wenn man etwas wagt.

Bergk: Jetzt gehört zu einer eigenen Agentur noch etwas mehr als zu einem Youtube-Kanal. Wie schaffen Sie das?

Bahr: Dabei ist Angst – oder vielleicht besser: Demut – tatsächlich hilfreich. Es bewahrt mich davor, unvorsichtig und übermütig zu werden, und zeigt mir andererseits, dass es Dinge gibt, mit denen ich mich noch nicht auskenne, wo ich lernen muss und Unterstützung brauche; seien es betriebswirtschaftliche Kenntnisse oder der Umgang mit Geschäftspartnern im Kundengespräch. Da bin ich froh, dass ich mit unserem Geschäftsführer Björn Wenzel einen erfahrenen Partner an meiner Seite habe, der mich coacht und berät. Zusätzlich tausche ich mich immer wieder mit unserem Team aus und hole mir dort Input.

Cimiotti: Stehen Sie mit Ihrem jungen Team nicht auch unter besonderem Druck, sich ständig zu beweisen, perfekt zu sein?

Bahr: Ich denke, wir stehen genauso unter Druck wie jede andere Firma, die neu im Markt ist. Man muss auf sich aufmerksam machen und vom eigenen Portfolio überzeugen. Klar: Wir sind jung. Aber genau darin liegt ja unsere Stärke. Wir sind mit dem Internet, den Sozialen Medien groß geworden und haben ein sehr gutes Gespür für Themen und Trends. Natürlich reicht es nicht, einfach nur Teil der Zielgruppe zu sein, und davon auszugehen, anderen deshalb die Welt erklären zu können. Es braucht handfeste Argumente und wir sehen, dass Studien und Ergebnisse aus der Marktforschung uns da oft bestätigen. Was unseren eigenen Anspruch betrifft: Wr wollen sehr gute Arbeit machen, aber niemand ist zu 100 Prozent fehlerfrei. Verbissener Perfektionismus hat genauso eine hemmende Wirkung wie die Angst zu Scheitern, beides liegt nahe beieinander.

Cimiotti: Der Generation Z, auf die Sie sich spezialisiert haben, wird hin und wieder zu viel Selbstbewusstsein, Arroganz und Überheblichkeit vorgeworfen. Sind damit Fehler nicht vorprogrammiert?

Bahr: Gegenfrage: Gibt es zu viel Selbstbewusstsein? Solange man nicht in Arroganz und Überheblichkeit verfällt, ist das meiner Meinung eine sehr positive Eigenschaft. Sich und seine Fähigkeiten zu kennen und zu ihnen zu stehen hilft unheimlich in der Teamarbeit, weil dann jeder weiß, wer welche Kompetenzen mitbringt und auf was man sich verlassen kann. Was die beiden anderen Punkte betrifft, glaube ich, dass das Interpretationen älterer Generationen sind, vor allem in Bezug auf “unser Verhalten” auf Social Media Plattformen. Während der Hang zur Selbstdarstellung früher kritisch betrachtet wurde und allenfalls in Ordnung war, wenn man ein Talent besaß oder eine Leistung erbracht hat, kann sich mittlerweile jeder selbst darstellen. Dabei geschieht das aber weniger aufgrund von Arroganz, sondern ist für meine Generation einfach etwas ganz Alltägliches. Ich glaube die Altersschere trägt zu diesen Missverständnissen bei, weshalb wir uns mit unserer Agentur auch als Botschafter zwischen den Generationen verstehen – nicht zuletzt um Marken zu erklären, was junge Leute bewegt.

Bergk: Wie gehen Sie konkret als Agenturchef mit Fehlern um?

Bahr: Für mich sind Fehler immer wieder die Möglichkeit, etwas zu lernen und es beim nächsten mal besser zu machen. Ich bin niemandem böse, wenn mal etwas nicht rund läuft. Vielmehr geht es doch um die Personen hinter dem Fehler, um die Personen hinter dem Projekt. Wenn jemand mit und aus seinen Fehlern lernt, dann ist das für mich sehr viel wert. Jemand, der bei jeder Unsicherheit nachfragt, kommt nicht vorwärts und hindert damit irgendwo auch den Betrieb. Ich bin überzeugt, dass der richtige Umgang mit Fehlern das Potenzial bietet, eigenständiger und selbstbewusster zu arbeiten.

Seitennavigation

Personalien

Zuwachs für Boldt in Berlin und Köln

Wehrs Julia SenCons Boldt 2024Bienias Marius SenCons Boldt 2024Julia Wehrs (Foto l.) und Marius Bienias (r., © Boldt) sind als Senior Consultants neue Mitglieder im Team der internationalen Kommunikationsberatung Boldt. Bienias ergänzt seit März das Team in Köln. Zuvor arbeitete er unter anderem als Senior Account Manager bei den Agenturen Team Lewis und Edelman. Wehrs unterstützt seit April den Bereich Corporate und Public Affairs in Berlin. Zuletzt war sie Account Managerin im Public Affairs-Team von BCW (Burson Cohn & Wolfe) Deutschland.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Autoren-Beiträge

Rechte Kommunikation erkennen und bekämpfen

Felix Meyer-WykUnsere Vorstellung von Rechtsextremen beschränkt sich oft auf offensichtliche Verfassungsfeinde: Glatzen mit Springerstiefel oder „Ausländer raus“-Rufe. Keine Frage, diese Gruppen sind gefährlich. Deutlich unauffälliger, aber mindestens genauso gefährlich sind die Neuen Rechten. Für uns als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Denkmuster und Strategien zu kennen, denn mit ihren Auftritten werden wir es vermehrt zu tun haben.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Harte Fakten und Kennzahlen fehlen

Schriftzug CR BenchmarkNachhaltigkeitskommunikation ist auf den Corporate Websites zentral positioniert. Immer mehr Unternehmen verknüpfen den Geschäftserfolg inhaltlich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Bedenklich ist aber die seit mehreren Jahren rückläufige Transparenz. Wichtige Kennzahlen verschwinden allmählich aus der Nachhaltigkeitskommunikation. Der neue CR Benchmark von NetFed zeigt die aktuellen Entwicklungen.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.