KKongress 2018: Mut zur offenen Fehlerkultur und weniger Schönfärberei in der Kommunikation

„Mut“ lautet das Fokusthema des diesjährigen Kommunikationskongresses, der am 27. September von Regine Kreitz, Präsidentin des Bundesverbands deutscher Pressesprecher (BdP), und Keynote-Rednerin Professor Marion A. Weissenberger-Eibl vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung eröffnet wurde. Zwei Tage lang trafen sich mehr als 1.500 Kommunikationsverantwortliche aus Unternehmen, Institutionen, Verbänden und NGOs sowie Agenturpräsentanten in Berlin, um aktuelle Entwicklungen der Branche zu diskutieren.

Rund 1.500 Teilnehmer begüßte Moderator Hajo Schumacher zur Eröffnung des Kommunikationskongresses 2018.

Weissenberger-Eibl wies in ihrem Vortrag „Innovation wird aus Mut gemacht“ darauf hin, dass Innovation nur möglich sei, wenn man „ausgetretene Pfade verlässt, um in unbekannte Bereiche vorzudringen“. Es brauche Mut, „um Neuland zu betreten“ sowie Offenheit gegenüber Technologien. Kommunikatoren könnten „Pioniere“ sein, da Fortschritt mehr Kommunikation voraussetze als jemals zuvor. „Lassen Sie uns die Kommunikation nutzen, um bessere Innovationen zu erreichen“, lautete Weissenberger-Eibls Appell. „Technologien dienen dem Menschen.“ Dass Deutschland zu einem Silicon Valley wird, hält die Professorin für unwahrscheinlich.

Sind deutsche Unternehmen zu ängstlich? Was zeichnet mutige Kommunikation 2018 aus?

Kunze Cornelia GWPRCornelia Kunze (Foto), Mitgründerin der deutschen Sektion von Global Women in PR (GWPR) und Beraterin von Markenkunden, sieht durchaus ein Sicherheitsdenken: „Um ein fünfprozentiges Risiko auszuschließen, wird eine 90-prozente Chance verpasst. Leider.“

Wo könnten Unternehmen mutiger sein? „In der Markenkommunikation und Veränderungskommunikation: Klar Position beziehen, nicht versuchen, es jedem recht zu machen – insbesondere nicht den Rechtsanwälten“, sagt die ehemalige Deutschland-Chefin von Edelman. „‚Das ist aber mutig!‘ ist in Deutschland nicht unbedingt ein Kompliment. Es meint eigentlich ‚Wie blöd kann man nur sein!‘ Oder ‚Wenn’s schief geht, bist Du schuld!‘.“ Unternehmen müssten sich hinter Mitarbeiter und Partner stellen.

Für Maximilian Heiler, Head of Corporate Communications bei E.ON Energie, geht es bei Mut vor allem um die viel beschworene Haltung: „Werte nach innen wie nach außen zu transportieren und der Öffentlichkeit, Kunden und Stakeholdern klar zu machen, für was man als Unternehmen steht.“ Kommunikation müsse „viel selbstbewusster auftreten und dadurch auch anderen Disziplinen zusätzlichen Mehrwert stiften“ können. „Wer sagt denn, dass die PR nicht auch in der Produktentwicklung mitarbeiten soll? Was den Einsatz von Technologien angeht, kann die PR tatsächlich um weiten progressiver sein“, so Heiler.

Unternehmen mit klarer Kante

Wesselmann Matthias Vorstand fischerAppeltHat bei Unternehmen bereits ein Umdenken eingesetzt? Namhafte Konzerne und Mittelständler positionierten sich nach den Vorfällen in Chemnitz zumindest klar gegen Rassismus und sprachen sich für eine weltoffene Gesellschaft aus – von Siemens, E.ON, Bayer bis Nomos Glashütte prominent im „Spiegel“. Applaus gibt es selten von allen Seiten. Die Unternehmen lieferten damit auch ein Einfallstor für Kritik Andersdenkender. „Ist es mutig, sich gegen Rechtspopulismus zu stellen, oder ist es nicht sogar erste Bürgerpflicht? Ich tendiere zu letzterem“, erklärt Matthias Wesselmann (Foto), Vorstand bei fischerAppelt. „Unternehmen haben gegenüber der Gesellschaft auch eine moralische Verpflichtung. Dieser unter anderem durch Kommunikation nachzukommen, darf keinen Mut erfordern.“

Ohne Mut geht es auch nicht. Warnt Siemens-Chef Joe Kaeser vor einem Erstarken des Nationalismus oder fragt Telekom-CEO Timotheus Höttges lautstark „Was zur Hölle ist los in unserer Gesellschaft?“, müssen selbst die beiden beliebten CEOs mit Gegenwind und den inzwischen üblichen Hass-Kommentaren und Beleidigungen in sozialen Netzwerken rechnen. Schön ist das nicht.

Nur: Ein Unternehmen, das weltweit Mitarbeiter rekrutiert, über eine internationale Belegschaft mit zig Nationalitäten verfügt und ein globaler Player in offenen Märkten sein will, muss schon aus Eigeninteresse artikulieren, was es braucht, um weiter zu wachsen. Wäre wegducken möglich? „So kommt man schnell zur fast philosophischen Frage, ob ein Unternehmen, dass etwas nicht kommuniziert, weil damit seine Existenz bedroht ist, keinen Mut hat“, sagt Matthias Wesselmann. Schweigen aus Selbsterhaltung sozusagen.

Haltung zeigen aus Geschäftsinteresse

Der amerikanische Sportartikelhersteller Nike ging „All-In“ – und erntete Beifall. Den erwartbaren Shitstorm nahm das Unternehmen in Kauf, als es bekanntgab, den ehemaligen NFL-Football-Quarterback Colin Kaepernick ins Zentrum seiner Werbekampagne zu stellen.

Kaepernick hatte sich beim Abspielen der amerikanischen Nationalhymne im Stadion stets hingekniet, um gegen die Diskriminierung von Schwarzen und gegen Polizeigewalt zu protestieren. US-Präsident Trump kritisierte Kaepernick daraufhin aufs heftigste und richtete nach Bekanntwerden der Kampagne sein Twitter-Auge auf Nike. Vergeblich: Nike konnte diese Woche gute Geschäftszahlen verkünden – Ergebnis unter anderem der Kaepernick-Kampagne. Auch Konkurrent Adidas zeigte Standhaftigkeit, indem das Dreistreifen-Unternehmen unmittelbar nach dem Statement von Mesut Özil erklärte, weiter mit dem Fußballprofi zusammenarbeiten zu wollen. Andere gingen schön in Deckung.

Anderes Beispiel: Deutsche Bahn und Continental. Die Brandbriefe der Chefs beider Großkonzerne zeigten recht drastisch, was bei ihnen aktuell so alles schiefläuft. „Wer einen Brandbrief schreibt, weiß, dass dieser den Weg in die Öffentlichkeit findet. Diese destruktive Art der Unternehmenskommunikation produziert nur Verlierer“, urteilte ein Kolumnist im „Handelsblatt“. Oder anders ausgedrückt: Wie kann man nur so blöd sein? Müsste der Kolumnist nicht stattdessen den Mut zur Ehrlichkeit loben, Missstände als Unternehmen zu kommunizieren?

Selbst in der phrasenreichen politischen Kommunikation ereignete sich Verblüffendes, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles eingestanden, bei der Beförderung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen einen Fehler begangen zu haben. Angela Merkel sprach nach der Niederlage ihres Kandidaten Volker Kauder um den CDU-Fraktionsvorsitz dann noch mal Klartext: „Das ist eine Stunde der Demokratie, in der gibt es auch Niederlagen, und da gibt es auch nichts zu beschönigen.“ Applaus für den Verzicht auf Schönfärberei gab es in beiden Fällen wenig.

Über den Autor: Volker Thoms arbeitet als freiberuflicher Journalist und PR-Berater in Berlin. ZU seinen Auftraggebern gehört neben dem „PR-Journal“ unter anderem auch Quadriga Media.

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Personalien

Michael Schattenmann folgt auf Stefan Caspari

Michael SchattenmannMichael Schattenmann (49) wird zum 1. Juni 2024 neuer Leiter der Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei der Andreas Stihl AG & Co. KG in Waiblingen. Er übernimmt die Position von Stefan Caspari (61), der den Bereich über zwei Jahrzehnte geleitet hat und nun die passive Phase seiner Altersteilzeit antritt. Er berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden Michael Traub.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Von wegen Mittelmaß! Deutsche Marken im Siegermodus

Top 10 Grafik mit UnternehmenslogosAlle deutschen Top 10 Marken sind zweistellige Markenmilliardäre und bringen zusammen über 350 Milliarden Markenwert auf die Waage. Das schafft mit weitem Abstand kein anderes Land in Europa. Das geht aus dem aktuellen „Brand Finance Report“ 2024 hervor. Interessant: Die Händlermarken Lidl (9) und Aldi Süd (10) sind nun beide in den Top 10, da Aldi Süd den Vorjahreszehnten adidas überholt hat.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Interne Kommunikation: Weniger ist mehr

Eine Umfrage der Hamburger Agentur nwtn bringt es an den Tag, weniger – und seltener – ist in der internen Kommunikation mehr. Die Nachrichtenflut und die vielen Kanäle lösen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Der Wunsch aus der Belegschaft: Lieber nur wöchentlich und dann eine Information, wenn es wirklich etwas Neues gibt. Die Befragung von bonsai Research im Auftrag von nwtn zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der internen Kommunikation zunimmt.

Aus- und Weiterbildung

Neues Intensivtraining

Karen HoffmannDie Deutsche Akademie für Public Relations dapr, Düsseldorf, startet ihr neues Intensivtraining Corporate Community Manager am 18. September 2024. Ab sofort können sich Interessierte dazu anmelden. Im dreitägigen Seminar lernen Mitarbeitende und Führungskräfte aus Kommunikation, Marketing, PR, HR sowie Change-Management, wie sie interne Gemeinschaften aufbauen und managen.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Das Königshaus und seine PR

Kate, Prinzessin von WalesEine Frau, eine Parkbank, eine Botschaft. In der vergangenen Woche machte die Prinzessin von Wales persönlich in einem Video ihre Krebskrankheit öffentlich. Auch das ist Public Relations. „Kate hat Krebs“ – diese Alliteration zieht sich seither durch die Berichterstattung. Beiläufig wird darüber diskutiert, ob das Königshaus mit guter oder schlechter PR glänzte, worüber sich streiten lässt.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Auszeichnung für zwei Gewinnerinnen

Caroline Siegel, Lina Blenninger und Günter BenteleLina Blenninger und Caroline Siegel sind die Gewinnerin des Günter-Thiele-Preises 2024 und werden mit dem gleichnamigen Forschungsstipendium 2024 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 12. April 2024 im Rahmen der Veranstaltung „Refresh“ des Lehrbereichs Communication Management an der Universität Leipzig statt. Der Jury-Vorsitzende ist Professor Günter Bentele.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.