Wie Foodwatch Aktivitäten von Lebensmittelkonzernen anprangert

Foodwatch verfolgt das Ziel, Unternehmen dazu zu bringen, nicht mit irreführenden Versprechungen ihre Lebensmittel anzupreisen. Unternehmen sollen transparent ausweisen, was in ihren Produkten enthalten ist. Die Politik wiederum solle mit gesetzlichen Vorgaben dafür sorgen, dass Lebensmittel die Gesundheit nicht gefährden. Wie kommuniziert eine Nichtregierungsorganisation (NGO) wie Foodwatch, wenn dem nach eigener Überzeugung moralisch richtigem Handeln die Frage der Glaubwürdigkeit gegenübersteht? Eine Aktion: Die Verleihung des „Goldenen Windbeutels“.

Mit dem „Goldenen Windbeutel“ will foodwatch Werbelügen entlarven. (© foodwatch)

Winkler Andreas PR Chef Foodwatch c foodwatch Darek Gontarski„Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, was sie zu essen haben. Jeder soll allerdings wissen, was er kauft, trinkt und isst“, sagt Andreas Winkler (Foto © foodwatch / Darek Gontarski), der seit April 2017 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Foodwatch leitet.

Mit etwa 20 Mitarbeitern ist Foodwatch eine auf Campaigning ausgerichtete Organisation mit Hauptstandort in Berlin-Mitte. Die Aktionen richten sich gegen die Lebensmittelriesen und Politik. Das Ziel: Konsumenten informieren, Druck aufbauen, Konzerne und Politik zum Handeln zu zwingen. Damit unterscheidet sich Foodwatch von anderen NGOs. Diese verlangen gerne, Konsum oder das Mobilitäts- und Essverhalten zu ändern, damit jeder Einzelne einen individuellen Beitrag zum Klimaschutz leistet, zur Erhaltung der Artenvielfalt oder zur Bekämpfung von Hunger beiträgt – große Themen der Zeit, schwer greifbar.

Marell Susanne CEO Edelman ergo qeurDem „Edelman Trust Barometer“ zufolge haben NGOs in den vergangenen zwei Jahren an Vertrauen eingebüßt. Susanne Marell (Foto), ehemalige Deutschland-Chefin von Edelman.ergo, sieht bei NGOs ein kommunikatives Defizit: „Sie verfolgen globale Ziele, doch lassen sie den lokalen Bezug vermissen. Den Menschen fehlt die Verbindung zur eigenen Lebenswelt. Sie fragen sich, ob NGOs eigentlich mitbekommen, was in Deutschland abgeht und was die brennenden Probleme sind.“ Das Vertrauen in NGOs sei noch auf einem ordentlichen Niveau. Wie Eliten in Politik, Medien und Wirtschaft würden sie zunehmend kritischer betrachtet, meint Marell. 

Missstände an Produkten festmachen

Foodwatch hat die Konfrontation mit den Lebensmittelkonzernen wie Nestlé, Ferrero, Danone und Coca-Cola zu einem Teil seiner Kommunikationsstrategie gemacht. „Wir glauben, dass wir nur so Veränderung erzielen können. Es bringt nichts, Missstände abstrakt zu thematisieren. Man muss sie an konkreten Produkten und Unternehmen festmachen“, erklärt Winkler.

Foodwatch prangert meist Markenprodukte an, die jeder kennt. Wie beim „Goldenen Windbeutel“, einer Kampagne, bei der die Verbraucher jährlich per Online-Abstimmung über die dreisteste Werbelüge entscheiden können. 2017 ging der „Preis“ an Alete für einen zuckerhaltigen Babykeks. Auch die Milch-Schnitte von Ferrero, Tee von Hipp, Actimel von Danone oder Capri-Sonne von der Wild-Gruppe wurden von Foodwatch bereits ausgezeichnet. Die Windbeutel-Aktion schafft es jedes Jahr in fast alle reichweitenstarken Medien – von „Heute“ über „Tagesschau“ bis zu „Spiegel Online“ und „Handelsblatt“. Kamerateams, Fotografen und Journalisten begleiten die Preisübergaben. NGO-Aktivisten, die nicht auf ein Firmengelände dürfen, liefern für TV und Social Media dankbare Bilder.

Foodwatch kann einige Erfolge für sich reklamieren. Hipp nahm beispielsweise einen Kindertee vom Markt, nachdem das Unternehmen den „Goldenen Windbeutel“ erhielt. Andere Firmen änderten das Produktdesign ihrer Verpackungen oder die Zusatzstoffe. Eine Zuckersteuer, die lückenlose Rückverfolgbarkeit und die Kennzeichnung von Produkten mit einer Nährwert-Ampel sind politische Ziele von Foodwatch. Um konkrete Veränderungen gehe es, nicht um die Anzahl der Medien-Clippings, sagt Andreas Winkler.

Stärker auf eine inhaltliche Auseinandersetzung zielt die NGO mit Aktivitäten wie dem „Coca-Cola-Report“. Auf 108 Seiten analysiert Foodwatch vor allem die PR- und Werbeaktivitäten des Getränkeherstellers. Der Stil ähnelt Studien großer Unternehmensberatungen – inklusive Fußnoten und Quellenangaben.

Ein Vorwurf des Reports: Das Marketing von Coca-Cola für zuckerhaltige Getränke ziele auch auf Kinder unter 12 Jahren ab. Influencer würden vor allem auf „CokeTV“ bewusst jüngere Zielgruppen ansprechen. Coca-Cola reagierte spitzfindig. „Coca-Cola wirbt nicht in Medien, die sich mehrheitlich an Kinder unter zwölf Jahren richten“, heißt es in einer Stellungnahme. Ein Interview mit Patrick Kammerer, Direktor Public Affairs & Unternehmenskommunikation bei Coca-Cola, gab es ebenfalls – auf der eigenen Unternehmenswebseite wohlgemerkt.

Während sich einige Medien auf die Auseinandersetzung beider – frei nach dem Motto „Foodwatch-behauptet, Coca-Cola bestreitet“ – beschränkten, gab es durchaus tiefergehende Berichterstattung. Wie auf „tagesschau.de“, wo das Thema Zuckersteuer beleuchtet wurde. Die „Wirtschaftswoche“ schaute sich das Produktportfolio Coca-Colas genauer an. „Wir wollen politisch etwas bewegen, indem wir in Medien und Öffentlichkeit eine Debatte anstoßen“, erklärt Andreas Winkler. Klassisches Agenda-Setting.

Kritik an Spendenpraxis

Salazar Wigan CEO MSL Germany IIDer Foodwatch-Pressesprecher kennt natürlich die Kritik, die NGOs von Unternehmen und Politik entgegenschlägt: Sie würden skandalisieren, ihren Behauptungen mangele es an wissenschaftlicher Evidenz, sie würden ihre Spendeneinnahmen hochtreiben wollen und seien nicht demokratisch legitimiert. „Die Öffentlichkeit muss deutlich kritischer gegenüber NGOs werden“, meint beispielsweise Wigan Salazar (Foto), CEO von MSL Germany. NGOs hätten gegenüber Unternehmen und Politik den strukturellen Vorteil, dass die Medien sie oft zu Unrecht als glaubwürdigeren Absender wahrnehmen. „Zum Glück bricht das in den letzten Jahren ein wenig auf, weil auch Journalisten erkennen, dass NGOs nicht immer objektive Player sind, sondern teils auch mit ihren Kampagnen neue Mittel akquirieren müssen“, sagt Salazar. Seine Agentur berät NGOs und Lebensmittelkonzerne.

Unternehmen müssen Gewinne einfahren, NGOs Spenden sammeln. Diskreditiert das ihr Handeln? Ähnlich wie Bayer (siehe „PR-Journal“-Beitrag) versucht Foodwatch, Glaubwürdigkeit mit dem Verweis auf sauberes wissenschaftliches Arbeiten herzustellen. In Dokumenten wie dem Coca-Cola-Report werden Zahlen und Thesen durch externe Quellen belegt. „Alle Informationen, die wir herausgeben, müssen stimmen“, betont Winkler. Foodwatch zieht bei Sachthemen Experten zurate: Anwälte, Veterinäre und Ärzte. Seine Finanzen weist die Organisation detailliert aus. 2016 flossen knapp zwei Millionen Euro in Kampagnen und etwa 320.000 Euro in die Öffentlichkeitsarbeit.

Reicht das aus, um in der Öffentlichkeit als glaubwürdiger Absender von Informationen wahrgenommen zu werden? „Die Menschen wollen eine Lösung sehen. Für NGOs bedeutet das, nicht nur Agitation zu betreiben, sondern sich inhaltlich an Debatten zu beteiligen. Sie müssen sich lösungsorientiert zeigen mit konkreten Vorschlägen und einem lokalen Bezug“, rät Susanne Marell.

Die Anti-Zucker-Kampagne scheint jedenfalls Wirkung zu entfalten. Unter anderem Lidl und Rewe reduzieren Zucker in Eigenmarken und Backwaren. „Sukzessive“ – Kunden sollen Geschmacksunterschiede nicht merken.

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Personalien

Michael Schattenmann folgt auf Stefan Caspari

Michael SchattenmannMichael Schattenmann (49) wird zum 1. Juni 2024 neuer Leiter der Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei der Andreas Stihl AG & Co. KG in Waiblingen. Er übernimmt die Position von Stefan Caspari (61), der den Bereich über zwei Jahrzehnte geleitet hat und nun die passive Phase seiner Altersteilzeit antritt. Er berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden Michael Traub.

Agenturen

Letzte Frist zur Abgabe verlängert bis 23. April

Pfeil mit ÄpfelnDer Endspurt für die Teilnahme am Pfeffer-PR-Journal-Ranking 2024 ist eingeläutet. Die Frist zur Einreichung der Daten aus dem Geschäftsjahr 2023 wurde letztmalig bis zum 23. April verlängert. Noch bis zu diesem Zeitpunkt können „Agenturen mit PR-DNA“ die Zahlen zur Umsatz- und Mitarbeiterentwicklung aus dem vergangenen Jahr melden.

Unternehmen

Allianz-Chef Bäte erfolgreichster DAX-CEO im Social Web

Studie DAX-CEO Social MediaAuf den Plattformen LinkedIn und Instagram soll Allianz-Chef Oliver Bäte in Summe besser kommunizieren als die restlichen DAX-40-Konzernchefs. Das legt jetzt die aktuelle Auflage des „Social CEO-Checks“ offen - der gemeinsam von der Kommunikationsagentur cocodibu und der Hochschule Macromedia herausgegeben wird.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

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Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

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Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

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Eine Umfrage der Hamburger Agentur nwtn bringt es an den Tag, weniger – und seltener – ist in der internen Kommunikation mehr. Die Nachrichtenflut und die vielen Kanäle lösen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Der Wunsch aus der Belegschaft: Lieber nur wöchentlich und dann eine Information, wenn es wirklich etwas Neues gibt. Die Befragung von bonsai Research im Auftrag von nwtn zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der internen Kommunikation zunimmt.

Aus- und Weiterbildung

Neues Intensivtraining

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SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Das Königshaus und seine PR

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Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

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Auszeichnung für zwei Gewinnerinnen

Caroline Siegel, Lina Blenninger und Günter BenteleLina Blenninger und Caroline Siegel sind die Gewinnerin des Günter-Thiele-Preises 2024 und werden mit dem gleichnamigen Forschungsstipendium 2024 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 12. April 2024 im Rahmen der Veranstaltung „Refresh“ des Lehrbereichs Communication Management an der Universität Leipzig statt. Der Jury-Vorsitzende ist Professor Günter Bentele.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.