Social Media sind laut ECM 2018 Hauptursprung von Fake News. (© ECM 2018)

Fake News haben reale Auswirkungen auf die öffentliche Kommunikation und steigendes Misstrauen zur Folge, die tägliche Arbeit von Kommunikatoren wird davon jedoch bislang nur wenig beeinflusst. Das ist eines der Ergebnisse des European Communication Monitors 2018 (#ecm18), der weltweit wohl größten Studie der Kommunikationsbranche, die am 13. Juni in Berlin vorgestellt wurde. Ein weiteres Ergebnis: Drei Viertel der Befragten sind zufrieden mit ihrem Job, doch die Zufriedenheit im europäischen Kommunikationssektor nimmt leicht ab. Für Fachkräfte in Kommunikationsagenturen wurde übrigens mit knapp vier Fünftel eine besonders hohe Zufriedenheit ermittelt.

Beim Kommunikationskongress der Europäischen Vereinigung von Kommunikationsdirektoren (EACD) fand der europäische Communication Monitor große Aufmerksamkeit. Schließlich basiert die nach eigenen Angaben des europäische Forscherteam EUPRERA weltweit größte Studie der Kommunikationsbranche auf Antworten von knapp 3.100 Befragten aus 48 europäischen Ländern. Die Studie liefert wertvolle Einsichten für Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen und Non-Profit-Organisationen sowie Agenturen, Politik und Management.

Neben wesentlichen Trends wie Fake News und der Umgang damit, untersuchte das europäische Forscherteam der EUPRERA Fragen rund um den Beitrag der Kommunikation zum Gesamterfolg der Organisation sowie das Arbeitsumfeld für Kommunikationsverantwortliche in Europa. Arbeitseinsatz und Arbeitsstress, Jobzufriedenheit und die Treiber dafür sowie der Status von Führungskräften in Kommunikationsabteilungen und in Agenturteams standen bei der im März 2018 durchgeführten Studie im Zentrum. Der ausführliche Report liefert dabei Einsichten für 22 europäische Länder.

Misstrauen in Zeiten von Fake News und einem volatilen Umfeld

Wirtschaftsführer und Unternehmenslenker sowie Führungskräfte in der Politik müssen in einem volatilen Umfeld ihre Organisation beziehungsweise ihr Land führen. Drohende Handelskriege oder die Suche nach einer neuen Balance zwischen nationalen und multilateralen Interessen erschweren zukunftsweisende Strategien. Dabei erscheinen Fake News – absichtsvoll und verifiziert falsche Informationen bzw. Nachrichten – und deren Verbreitung als ein weiterer Unsicherheitsfaktor.

Zerfass Ansgar PressPhoto 1„Kommunikationsexperten können in diesen Zeiten ein Fels in der Brandung der heutigen Medienumwelt sein,“ betont Studienleiter Ansgar Zerfaß (Foto) von der Universität Leipzig. „Sie können Organisationen ganz konkret unterstützen, indem sie die Umweltwahrnehmung der Organisation dem Management widerspiegeln, nicht nur Fake News bekämpfen, sondern ihre Organisationen auf gezielte Fake-News-Kampagnen vorbereiten und damit die Reputation verteidigen. Sie können Vertrauen aufrechterhalten und verlorengegangenes Vertrauen wiederherstellen – nicht umsonst die größte Herausforderung für die kommenden Jahre, wie die Studie belegt.“

Fake News nur für knapp 25 Prozent direkt relevant

Trotz der anhaltenden Debatte über Fake News in Europa (die von 55,8 % der Befragten im eigenen Land wahrgenommen wird und woran sich 65,5 % beteiligen), erscheint dies nur für ein Viertel der Kommunikationsverantwortlichen (24,4 %) von Relevanz für ihre tägliche Arbeit, weil sie zumeist selbst davon betroffen waren (22,5 %). Besonders stark betroffen von Fake News sind Regierungsorganisationen, der öffentliche Sektor sowie politische Organisationen wie Parteien (44,6 % waren 2017/2018 mindestens einmal davon betroffen).

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Grafik: Russland, Serbien, Slowenien und Polen berichten von besonders starker Betroffenheit von Fake News auf ihre Organisationen. (© ECM 2018)

Mehr als die Hälfte der Kommunikationsfachkräfte aus Russland (53,2 %) berichten, dass ihre Organisation mindestens einmal von Fake News betroffen war, gefolgt von Serbien, Slowenien und Polen (jeweils mehr als 40 %). Deutschland liegt mit 20 Prozentpunkten eher im Mittelfeld. Dabei werden insbesondere die sozialen Medien als Ursprung solcher irreführender Inhalte hervorgehoben (81,3 %); auch wenn ein großer Teil ebenfalls in den traditionellen Massenmedien seinen Ursprung hat (59,6 %). Während die Mehrzahl auf die Expertise der Kommunikationsexperten setzt, haben lediglich 12 Prozent der betroffenen Organisationen etablierte Standards erarbeitet, um für solche Angriffe gewappnet zu sein.

Informationsbeschaffung und Einsichten für Entscheidungsträger

In der zunehmend digitalisierten und von Medien durchdrungenen Welt sind Organisationen zunehmend gefordert auf allgegenwärtige und größer werdende Informationsströme (Big Data) zu reagieren. Dafür werden intelligente Systeme zur Datenverarbeitung und der Interpretation benötigt. Das gilt auch für Kommunikationsströme sowohl auf den eigenen als auch externen online wie offline Kanälen. Die Beschaffung und Aufbereitung dieser Informationen für interne bzw. externe Entscheidungsträger gehört für 64,7 Prozent der Kommunikationsexperten zu einer ihrer Kernaufgaben. 68 Prozent der Befragten erhofft damit beim Management bzw. (internen) Klienten mehr Anerkennung zu finden und für 56,8 Prozent bietet es eine Möglichkeit, um sich gegenüber anderen Abteilungen bzw. Agenturen besser zu positionieren.

Wenig überraschend überwiegen Media Monitoring Reports, die Informationen insbesondere aus traditionellen Massenmedien und sozialen Medien zusammenstellen (74,6 % liefern solche Reports regelmäßig). Clippinganalysen aus dem Printbereich werden von 54,8 Prozent täglich geliefert und Social Media Monitoring und ein Bericht dazu erfolgt lediglich bei 36,6 Prozent täglich. Dies wird von der Mehrzahl ausgelagert (56 %). Lediglich 28,4 Prozent der Kommunikationsabteilungen bzw. Agenturen liefern kuratierte bzw. veredelte und damit erweiterte Newsbriefings auf einer täglichen Basis. Diese bieten Entscheidungsträger konkrete und tiefere Einsichten für strategische Entscheidungen.

Jobzufriedenheit und Arbeitsstress im Kommunikationssektor

Ein Längsvergleich der ECM-Befragungen 2010 und 2014 mit dem aktuellen Monitor deutet auf einen leichten Rückgang der Jobzufriedenheit hin. Besondere Indikatoren wie z.B. interessante und abwechslungsreiche Aufgaben, die Wertschätzung von Vorgesetzten oder der Jobstatus sind dabei seit 2010 rückläufig, während die Sicherheit und Stabilität, das Gefühl eines adäquaten Einkommens sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben leicht anstiegen. Insgesamt sind drei Viertel der Befragten zufrieden mit ihrer aktuellen Tätigkeit, obwohl 28,9 Prozent ihren Arbeitgeber in den nächsten zwölf Monaten wechseln und 5,2 Prozent den Kommunikationssektor generell verlassen wollen. Kommunikationsfachkräfte, die für Kommunikationsagenturen bzw. in der Beratung oder als Selbstständige tätig sind, berichten von einer besonders hohen Zufriedenheit (79,0 %). Die höchste Dichte zufriedener Kommunikatoren findet sich in den Niederlanden (86,2 %), Finnland (81,5 Prozent) und Deutschland (81,2 %).

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Grafik Jobzufriedenheit: Drei Viertel aller Kommunikationsfachkräfte in Europa sind zufrieden mit ihrer Arbeitssituation; jedoch ist diese seit 2010 leicht rückläufig. (© ECM 2018)

Führungsqualitäten machen den Unterschied

Ein förderndes Arbeitsumfeld ermöglicht es Fachkräften ihre Kompetenzen auszubauen und damit Organisationsziele zu erreichen. Damit wird deutlich, dass Mitarbeiterengagement durch die Führung sowohl in Teams als auch in Kommunikationsabteilungen und Agenturen besonders stark beeinflusst wird und damit auch gefördert werden kann.

Folgt man den Ergebnissen des Monitors, dann wird deutlich, dass Führungskräfte in der Kommunikationsbranche dahingehend besonders geschult werden müssen. Jeder fünfte Befragte (19,2 %) gibt an, dass es seiner Führungskraft in der Abteilung bzw. in der Agentur an Führungskompetenz fehlt. Dass es hier insbesondere zwischen den Hierarchien unterschiedliche Sichtweisen gibt, bestätigt dieses Bild.

Statements der Studienorganisatoren

Forschungsleiter Professor Ansgar Zerfaß, der Universität Leipzig erklärt: „In den letzten zwölf Monaten haben wir schwerwiegende Ereignisse auf der geo-politischen Ebenen erlebt, die auch Auswirkungen auf die strategische Kommunikation hatten. Was dieses Jahr im Monitor besonders hervorsticht ist der besondere Anstieg der Herausforderung für die nächsten drei Jahre Vertrauen aufzubauen bzw. zu erhalten, was von 39,5 Prozent der Befragten so gesehen wird. Der Aufschwung von Fake News und Propaganda und gleichzeitig eine Vertrauenskrise in die traditionellen Massenmedien sorgen dafür, dass öffentliche Kommunikation allgemein und der Kommunikationssektor insbesondere stärker als je zuvor umkämpft sind. Der öffentliche Meinungskampf ist völlig entbrannt sowohl in der Online- als auch der Offlinewelt.“

Der vollständige Report mit allen Resultaten und ausführlichen Beschreibungen zur Methode steht auf der ECM-Website zur Verfügung.

Über den ECM: Der European Communication Monitor (ECM) wird jährlich von dem europäischen Forschungsverband European Public Relations Education and Research Association (EUPRERA) sowie dem Verband für Kommunikationsdirektoren European Association of Communication Directors (EACD) durchgeführt. Unterstützt werden die Organisatoren dabei von Prime Research, einem globalen Dienstleister für strategische Medienbeobachtung und Kommunikationsanalysen der Cision Gruppe, sowie der Kommunikationsagentur Fink & Fuchs. Gemeinschaftliche Studien in Latein- und Nordamerika sowie im Asiatisch-Pazifischen Raum machen die Studie zur weltweit größten akademisch fundierten Studienreihe.


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