Am Puls der Zeit bleiben, neue Impulse erhalten, Wissen auffrischen – das Ziel scheint angesichts der Themenvielfalt beim Refresh der Universität Leipzig fast schon ambitioniert. Der 4. Mai ist von morgens bis abends durchgetaktet. „Die Veranstaltung findet in dieser Form zum zweiten Mal statt“, erklärt Ansgar Zerfaß, Professor für Strategische Kommunikation. „Wir wollen mithilfe eines Querschnitts aus der aktuellen Forschung einen Ausblick wagen.“ Wo also liegen künftige Themenfelder? Vor welchen potentiellen Herausforderungen steht die Praxis?

Der eine oder andere Praktiker mag nun einwerfen, dass man im Grunde täglich neuen Herausforderungen begegne. Die Kommunikationsbranche verändere sich schließlich. Ständig. Immer. Gerade in Zeiten geforderter Agilität und angestrebter Digitalisierung.

Die Praxis redet von Influencer Relations. Von Smart City. Von mitarbeitergetriebenen Change-Prozessen. Von Digital Leadership … Die gute Nachricht? Die Forschung redet mit: „Das Format, das wir hier in Leipzig bieten, ist insofern einmalig, als dass Studien und wissenschaftliche Erkenntnisse kompakt dargestellt werden“, sagt Christian P. Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement. „Dazu gibt es Einblicke in größtenteils noch unveröffentlichte Forschungsarbeiten.“

Influencer Relations und Agilität sind in der Forschung angekommen

Gleich zu Beginn eröffnet Junior-Professorin Cornelia Wolf, die die Professur für Online-Kommunikation an der Universität Leipzig innehat, gemeinsam mit Zerfaß und Hoffmann die Diskussion: Was sind die derzeit wichtigsten Themen und Trends in der internationalen Forschung zum Kommunikationsmanagement? Wie kann man seitens der Praxis eigene Ideen einbringen und welche Formen der Zusammenarbeit gibt es?

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität, Nils S. Borchers und Nadja Enke, erklären im Anschluss, wie sich Influencer-Kampagnen strategisch managen lassen. Beeindruckend dabei ist das Spektrum an Planungsschritten, die in der Kommunikation optimaler Weise zu beachten sind. Allein fünf verschiedene Influencer-Rollen hat das Team definiert: Multiplikator, Content Creator, Protagonist, Berater und Moderator. Teile der Studie sind dabei übrigens in das jüngst von Annika Schach, Professorin für Public Relations an der Hochschule Hannover, und Agenturmann Timo Lommatzsch herausgegebene Buch „Influencer Relations“ eingeflossen.

Auch institutsübergreifende Erhebungen werden vorgestellt, wie die des Forscherteams der Universitäten Leipzig, Münster und Wien, das sich mit dem aktuellen Struktur- und Kulturwandel beschäftigt. Das Thema Agilität sorgt in diesem Zusammenhang für ordentlich Gesprächsstoff. „Agilität wird meist nicht agil eingeführt“, heißt es. „Nur weil man als Agentur agil arbeitet, heißt das nicht, dass Kunden diese Arbeitsweise auch einkaufen wollen“, hört man andere Stimmen.

Komplexität als Chance zur Neupositionierung der Kommunikation

„Das zentrale Problem ist doch, dass die Kommunikationsprozesse komplexer geworden sind“, sagt Wolf in ihrem anschließenden Vortrag zur Akzeptanzkommunikation für neue Technologien. „Es gibt nicht mehr nur die eine Strategie und den einen Kommunikator. Wir sehen uns einer Netzwerkkommunikation gegenüber. Hier gilt es Leitlinien zu definieren, die aus einer gemeinsamen Entwicklung heraus entstehen müssen.“ Stichwort Partizipation.

Die Frage, die allen Diskussionen – über alle Kommunikationsfelder hinweg – innewohnt, ist dabei, wie bereit Organisationen, Abteilungen, Kommunikationsverantwortliche sind, sich zu verändern. Wer will unterm Strich wie viel in das Thema Digitalisierung investieren? Und welche Rolle will der Einzelne dabei einnehmen?

Diese (neue) Rolle für sich selbst zu definieren, wird künftig wahrscheinlich einfacher: Zerfaß hat gemeinsam mit Sophie Charlotte Volk, wissenschaftliche Mitarbeiterin, ein Communications Manager Roles Grid entwickelt, das das Aufgabenspektrum von Kommunikationsverantwortlichen in acht strategischen und operativen Dimensionen abbildet und so helfen soll, die eigene Rolle einerseits zu reflektieren und Kompetenzen zu bewerten, andererseits jedoch auch mithilfe persönlicher Zielsetzung weiterzuentwickeln. Dieses und viele andere Tools sollen der Branche zum Ende des Jahres in einem gemeinsamen Fachbuch zur Verfügung gestellt werden.

Zudem erscheint in Kürze die vom Bund Deutscher Pressesprecher mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnete Masterarbeit von Meike Ostermeier als Buch. Sie beschäftigt sich mit den Aufgaben der Kommunikatoren im Rahmen der digitalen Transformation und stellt auch ein Framework zu den daraus abgeleiteten verschiedenen Handlungsfeldern zur Verfügung.

Und nicht zuletzt werden in der aktuellen Untersuchung von Hoffmann und Sandra Tietz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Strategietypen für das Management der Finanzkommunikation differenziert und Empfehlungen daraus abgeleitet. Ein spannender Schulterblick.

Günter-Thiele-Preis 2018

Im Rahmen des Refresh wird auch in diesem Jahr der Günter-Thiele-Preis für exzellente Abschlussarbeiten vergeben. Freuen können sich in der Kategorie Bachelorarbeiten Paulo Govinda Thelen für seine Arbeit „Influencer Marketing aus der Perspektive der Rezipienten: Das Persuasionswissen jugendlicher Konsumenten“ und in der Kategorie Masterarbeiten Karolin Köhler für ihre Arbeit „Kommunikation von Unternehmensstrategien: Eine internationale Benchmarkanalyse von börsennotierten Konzernen“. Köhler gewährt im Anschluss einen Einblick in ihre Erkenntnisse, wie Unternehmen ihre Strategien im Web vermitteln.

Viertmann Christine Koehler Karoline Bentele Guenter

Foto von links: Dr. Christine Viertmann, Karolin Köhler und Professor Günter Bentele.

Mit dem nach Dr. h.c. Günter F. Thiele, Nestor der deutschen PR-Beratungsbranche, benannten Preis werden jährlich die besten Abschlussarbeiten zum Thema Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig ausgezeichnet. Die Jury, bestehend aus Professor Günter Bentele, Professor Bernd Schuppener und Dr. Christine Viertmann, hat aus einer Vielzahl von Einreichungen die Preisträger gekürt.

13. LPRS Forum

„Die Kunst des Scheiterns – Wie man in der PR aus Fehlern lernt“ ist der vielversprechende Titel des diesjährigen LPRS Forums, das am Abend dieses unfassbar kommunikativen 4. Mai stattfindet. Eine schöne Idee: als Einstieg erst einmal einen Poetry Slammer zu Wort kommen zu lassen. „Hat das eigentlich einen Grund, dass ausgerechnet ich eingeladen wurde, um über das Scheitern zu sprechen?“, fragt Malte Rosskopf sich und alle Anwesenden mit seinem inhaltlich starken und mit spontanen Pointen verzierten Beitrag, der ordentlich Beifall kassiert.

Es folgen drei Impulsvorträge: Martin Frommhold, Leiter Unternehmenskommunikation und Pressesprecher von Otto, erinnert sich, dass er sich neben einem mehr als unangenehm riechenden Maskottchen-Krokodil ernsthaft fragte, ob er den richtigen Job habe. Anna-Lena Müller, Kommunikations- und Digitalexpertin, meint trocken, dass – nur weil jeder etwas ins Netz schreiben kann – wir nicht immer auch antworten müssen. Und Philipp Schindera, Senior Vice President Corporate Communications Deutsche Telekom, lässt es sich nicht nehmen, zu zeigen, was eigentlich so ein Fax ist.

Unterhaltsam. Von Anekdoten gespickt. Mit einer guten Portion „Alles nicht so schlimm“ und „Anstiftung zum Mutigsein“. Aber mehr dann leider auch wieder nicht. Die Frage, ob eine (echte) Fehlerkultur als relevanter Motor für Innovationen begriffen werden kann, wird auch in der Podiumsdiskussion nicht hinreichend diskutiert. Die Tipps und inhaltlichen Mitnehmsel sind eher emotional getrieben als ursächlich herbeigeführt, eher Parolen als echte Anleitungen.

Ein wirklich gut organisiertes Branchen-Treffen mit wirklich guten Gesprächen in den großzügig eingeplanten Pausen. Das Programm am Abend hätte inhaltlich noch Luft nach oben gehabt – in Kombination mit allen Refresh-Tagesinhalten aber nur ein winzig-kleiner Makel.


Wir haben die Kommentarfunktion wegen zu vieler Spam-Kommentare abgeschaltet. Sie können uns aber trotzdem Ihre Meinung zu diesem Artikel als Leserbrief direkt zusenden. Falls Sie wünschen, dass wir Ihren Leserbrief als Kommentar dem Artikel hinzufügen, vermerken Sie dies bitte in der Mail an uns.
leserbrief@pr-journal.de