Geringe Etats, magere Profite und Terrorangst – in der Tourismus-PR scheint nicht nur die Sonne

Etwa 5.000 akkreditierte Journalisten und 400 Blogger besuchen jedes Jahr die Internationale Tourismus-Börse Berlin (ITB). Die Messe, die noch bis zum 11. März in Berlin stattfindet, ist „the place to be“ für die weltweite Tourismus-Branche. Kaum eine Hotelgruppe, Destination, Airline oder Fremdenverkehrszentrale, die nicht ihre Marketing- und PR-Aktivitäten an der Leitmesse ausrichtet. „Vor der ITB“ und „nach der ITB“ lautet die Zeitrechnung der Tourismus-Agenturen.

Wettbewerb um die Aufmerksamkeit von Journalisten: Pressekonferenz des ITB-Partnerlands Mecklenburg-Vorpommern. (© Messe Berlin)

Die Agentur Media Consulta (MC) führt das Umsatzranking für Touristik im „PR-Journal“ seit Jahren an. Firmenchef Harald Zulauf verwies im „PR-Journal“-Interview auf Etatgewinne von „Incredible India“, den Philippinen, Marokko und China. Hainan Airlines und das Mega-Hotel Atlantis the Palm in Dubai sind weitere MC-Kunden. achtung!, Serviceplan PR & Content und fischerAppelt belegen im Ranking die Plätze drei bis fünf. Während achtung! Swiss International Airlines und Airbnb zu seinen Kunden zählt, arbeitet Serviceplan für Costa Kreuzfahrten und HRS; fischerAppelt für eine TUI-Premiummarke sowie die InterContinental Hotels. Touristische Destinationen waren bisher nicht Kern des Geschäfts –Margendruck.

Wilde Thomas Gf Gruender W u P„Für die größeren Player der Branche – national wie international – ist die Reiseindustrie aufgrund der sehr überschaubaren PR-Budgets schlicht und einfach nicht sonderlich attraktiv“, erklärt Thomas C. Wilde (Foto), Gründer und geschäftsführender Gesellschafter bei Wilde & Partner. Die Münchner Agentur mit etwa 45 Mitarbeitern rangiert im PR-Ranking in der Sparte Tourismus auf Rang zwei. Aktuell gehören die Deutsche Zentrale für Tourismus, Marketing Greece, die österreichische Skiregion Zell am See-Kaprun, Emirates und das Start-up Urlaubspiraten zu den Kunden.

Die Reiseindustrie boomt. Die Übernachtungen in Ländern wie Deutschland, Spanien und Griechenland eilen von Rekord zu Rekord. „Selten war die Auftragslage so gut wie in diesen Monaten“, sagt Wilde und verweist gleichzeitig auf Anforderungen der Kunden an die Agenturen: „Die PR-Berater sollten idealerweise tief in der Touristik vernetzt sein, sollten über Vertrieb und Mechanismen des Marktes umfassend Bescheid wissen. Darüber hinaus ist die Industrie bekanntlich sehr anfällig für Krisen.“ Ständige Erreichbarkeit der Berater sei gefragt. Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes, Terrorangst, die Situation in der Türkei, terroristische Gruppen in Nordafrika, Drogenkrieg auf den Philippinen – was ist noch „safe“?

Krisenkommunikation als zweites Standbein

Die knappen Budgets und der Preisdruck durch Mini-Agenturen und Einzelberater sind zwei Gründe, warum Wilde & Partner sich weniger vom Tourismus abhängig macht. Beauty, Fashion, Food und Gastronomie sind weitere Standbeine. Die Agentur bietet zudem Krisen-Manuals an – dazu eine 24/7/365-Rufbereitschaft. Wer ruft nachts an? „Redaktionen, bei denen sich zum Beispiel Urlauber gemeldet haben, weil etwas mit einem Flug nicht funktionierte oder weil der Flugverkehr stillstand“, erklärt Wilde. Wetterkapriolen, fehlendes Personal, die verschwundenen Koffer von Frank Elstner – nicht nur Boulevardmedien spielen sich gerne als Urlauber-Retter auf.

Phantastische Sportmöglichkeiten, Cuisine auf Sterneniveau, malerische Buchten, Familienfreundlichkeit – jedes ernsthafte Medium überlegt sich zweimal, eine Destination anzupreisen, so lange Journalisten aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen oder wenn gerade ein Terroranschlag stattgefunden hat. „Die Reiseredaktionen sind beispielsweise nicht bereit, über die nach wie vor sehr guten Urlaubsmöglichkeiten in der Türkei zu berichten oder jemanden auf eine Pressereise zu schicken, wenn die politische Situation derart negativ ist“, erklärt Wilde. Bei einem Hotel-Kunden aus der Türkei habe man deshalb die Strategie ändern müssen. „Wir haben dann Influencer und Blogger die Türkei besuchen lassen, die dann ihre persönlichen Eindrücke von einem Hotel wiedergegeben haben, aber eben auch auf die politische Situation Bezug genommen haben.“ Gekaufte Berichterstattung – besser als nichts.

Die Türkei ist auf der ITB 2018 der größte Aussteller.

Die Pressereise lebt

Genboeck Nina Gf genboeck PR„Unsere Kunden fragen hauptsächlich nach klassischen PR-Aktivitäten wie Presseaussendungen, Pressegespräche und Pressereisen“, erklärt Nina Genböck (Foto), Gründerin der Berliner Agentur genböck PR, die sich mit drei Mitarbeiterinnen von Berlin aus hauptsächlich auf PR für österreichische Regionen und Skigebiete konzentriert. Im Touristik-Agentur-Ranking der Nachschlagewerke „Touristik PR“ und „Touristik Medien“ im Jahr 2017 liegt die Agentur an erster Stelle. Feste und freie Reisejournalisten sowie Blogger stimmen über ihre Lieblingsagenturen ab.

Die ersten Plätze belegen abgesehen von Wilde & Partner und Häberlein & Mauerer fast ausschließlich Spezialanbieter wie genböck PR. Kein MC, achtung! oder Serviceplan. Auf Platz 50 liegt Hill+Knowlton Strategies. „Hier spielen persönliche Beziehungen – oft gesammelt auf gemeinsamen Pressereisen oder bei Begegnungen auf Branchenveranstaltungen – eine maßgebliche Rolle“, vermutet Wilde. Kleinere Agenturen und Einzelberater seien eher in der Lage, engere Beziehungen zu Journalisten und Redaktionen aufzubauen und individuellen Service zu leisten. In dem Ranking zahle sich das aus. genböck PR verzeichnet zudem personelle Kontinuität. Der klare Fokus auf Österreich garantiert Detailwissen.

Die Pressereise gehört wie Medienkooperationen zum Standardrepertoire. Journalisten lassen sich auf Gruppenreisen und individuelle Trips gerne einladen. Genböck: „Dabei übernehmen unsere Kunden – wie auch bei den Gruppen-Pressereisen – die Anreise und die Kosten für die Journalisten vor Ort. Teilweise gibt es im Rahmen der Compliance-Regelungen der einzelnen Verlage Fälle, bei denen ein Teil der Recherchekosten übernommen werden.“ Ein Verlag wie Axel Springer gibt in seinen journalistischen Leitlinien an, dass alle Recherchekosten von der Redaktion bezahlt werden müssten. Ausnahmen seien von der Chefredaktion zu genehmigen und in der Berichterstattung entsprechend kenntlich zu machen. Der Klassiker: ein Hinweis am Ende des Artikels.

Auf Redaktionsseite gebe es einen enormen Bedarf an Content, weiß Thomas Wilde zu berichten: „Bildstrecken beispielsweise zu den zehn schönsten Sonnenuntergängen oder Urlaubszielen zu Weihnachten oder dem Valentinstag kommen gut an.“ Journalistisch aufbereitet und gezielt auf die Bedürfnisse eines Mediums abgestimmt müssten Inhalte heute sein. „Das Prinzip ‚Gießkanne‘ hat ausgedient“, sagt Wilde. Die ITB fungiert als wichtiger Treffpunkt. Wilde & Partner ist auf 250 Quadratmetern vertreten. Der Konkurrenzdruck für alle Destinationen ist enorm: Der Kreis Düren, das Dresdner Elbland und Cuxhaven konkurrieren mit Reisezielen wie Sri Lanka, den Malediven, Australien und den Galapogos-Inseln um Journalisten-Aufmerksamkeit. „Incredible Düren“ – wäre ja mal was.

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Personalien

Michael Schattenmann folgt auf Stefan Caspari

Michael SchattenmannMichael Schattenmann (49) wird zum 1. Juni 2024 neuer Leiter der Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei der Andreas Stihl AG & Co. KG in Waiblingen. Er übernimmt die Position von Stefan Caspari (61), der den Bereich über zwei Jahrzehnte geleitet hat und nun die passive Phase seiner Altersteilzeit antritt. Er berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden Michael Traub.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Von wegen Mittelmaß! Deutsche Marken im Siegermodus

Top 10 Grafik mit UnternehmenslogosAlle deutschen Top 10 Marken sind zweistellige Markenmilliardäre und bringen zusammen über 350 Milliarden Markenwert auf die Waage. Das schafft mit weitem Abstand kein anderes Land in Europa. Das geht aus dem aktuellen „Brand Finance Report“ 2024 hervor. Interessant: Die Händlermarken Lidl (9) und Aldi Süd (10) sind nun beide in den Top 10, da Aldi Süd den Vorjahreszehnten adidas überholt hat.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Interne Kommunikation: Weniger ist mehr

Eine Umfrage der Hamburger Agentur nwtn bringt es an den Tag, weniger – und seltener – ist in der internen Kommunikation mehr. Die Nachrichtenflut und die vielen Kanäle lösen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Der Wunsch aus der Belegschaft: Lieber nur wöchentlich und dann eine Information, wenn es wirklich etwas Neues gibt. Die Befragung von bonsai Research im Auftrag von nwtn zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der internen Kommunikation zunimmt.

Aus- und Weiterbildung

Neues Intensivtraining

Karen HoffmannDie Deutsche Akademie für Public Relations dapr, Düsseldorf, startet ihr neues Intensivtraining Corporate Community Manager am 18. September 2024. Ab sofort können sich Interessierte dazu anmelden. Im dreitägigen Seminar lernen Mitarbeitende und Führungskräfte aus Kommunikation, Marketing, PR, HR sowie Change-Management, wie sie interne Gemeinschaften aufbauen und managen.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Das Königshaus und seine PR

Kate, Prinzessin von WalesEine Frau, eine Parkbank, eine Botschaft. In der vergangenen Woche machte die Prinzessin von Wales persönlich in einem Video ihre Krebskrankheit öffentlich. Auch das ist Public Relations. „Kate hat Krebs“ – diese Alliteration zieht sich seither durch die Berichterstattung. Beiläufig wird darüber diskutiert, ob das Königshaus mit guter oder schlechter PR glänzte, worüber sich streiten lässt.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Auszeichnung für zwei Gewinnerinnen

Caroline Siegel, Lina Blenninger und Günter BenteleLina Blenninger und Caroline Siegel sind die Gewinnerin des Günter-Thiele-Preises 2024 und werden mit dem gleichnamigen Forschungsstipendium 2024 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 12. April 2024 im Rahmen der Veranstaltung „Refresh“ des Lehrbereichs Communication Management an der Universität Leipzig statt. Der Jury-Vorsitzende ist Professor Günter Bentele.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.