Traut Euch! Plädoyer für mehr deutsche PR-Einreichungen in Cannes von Matthias Bonjer

Jetzt geht es los: vom 18. Januar bis zum 22. März können weltweit Agenturen ihre Kampagnen für das Kreativitätsfestival in Cannes einreichen. Der Wettbewerb um die Cannes Lions ist eröffnet. Matthias Bonjer, Mitglied der internationalen PR-Jury in Cannes 2017, nimmt das zum Anlass ein Plädoyer für mehr Einreichungen aus deutschen PR-Agenturen und Kommunikationsabteilungen zu halten. Er möchte eine Lanze dafür brechen, die Beteiligung deutscher Einreicher deutlich zu stärken.

PR-Lions Preisverleihung 2017.

Von Matthias Bonjer, Berlin

Der Einblick in die Juryarbeit letztes Jahr zeigte, dass die Chancen für Auszeichnungen aus unserem Wirkungsraum zu wenig ausgeschöpft werden. Mehrere Faktoren sprechen dafür, bei den Planungen für Einreichungen bei allen möglichen Awards in diesem Jahr auch Cannes zu berücksichtigen.

Cannes und die PR Lions sind ein Länderspiel

An erster Stelle steht: Cannes und die PR Lions sind ein Länderspiel. Als Juroren sind wir nicht nur von Herzen, sondern ganz offiziell angehalten, die Arbeiten aus Deutschland zu promoten. Ob es wieder 21 Juroren aus 18 Ländern sind, wie 2017, ist dabei nicht relevant. Es wird einen deutschen PR-Juror/Jurorin geben und er/sie hat eine Mission: support your local heroes. Es gilt, dieser Aufgabe auch Möglichkeiten zu bieten.

Cannes Bonjer Jury Kollegen„Traut euch“, rief mir in den letzten Tagen der Jury-Arbeit ein Kollege zu. Warum insgesamt in Cannes nur wenige deutsche Arbeiten dabei sind, konnte ich kaum erklären. Die Fachmedien berichten seit Jahren, dass die Einreicherquote und damit – ganz generisch – auch die Awards weder der Stärke der Kommunikationsindustrie in diesem Lande, noch der Kreativität hiesiger Kampagnen entspricht.

Foto: Matthias Bonjer (r.) mit seinen Jury-Kollegen Gabriel Araujo (l.), Ketchum Brasilien, James Wright (M.), CCO bei Havas in Australien.

Was augenscheinlich ist: Es fehlen die kleineren, smarten und ideenreichen Einreichungen von eben kleineren, engagierten und längst über den Tellerrand der PR hinaus agierenden Agenturen. Große Netzwerke reichen naturgemäß aus allen Ländern ein. Warum es im Abgleich zum beispielsweise „PR Report“-Award aber so wenige dieser dort ausgezeichneten „kleineren“ Konzepte bis nach Cannes schaffen, liegt wohl an einer falschen Wahrnehmung des Zirkus‘ an der Croisette.

Wahrnehmung als internationale Plattform

Cannes gilt immer als internationale Plattform, regional oder lokal wirksame Kampagnen haben dort gefühlt nie eine Chance gegenüber Aktionen, die am Ende ihres Casefilmes mit Stolz verkünden: „…and then we broke the internet“. Gefühlt!

Das ist eine typisch deutsche Haltung, sich zurück zu ziehen und anderen die Trophäensammlung zu überlassen. Nicht nur, dass Cannes insbesondere lokale Kampagnen fördert, in dem es dafür auch eigene Kategorien gibt (2018: E09, Single Country Campaign). In der Juryarbeit zeigt sich, dass die Ergebnisse (Results) zwar naturgemäß eine wichtige Rolle spielen. Aber die Diskussion um die Vergabe von Auszeichnungen, konzentriert sich im Laufe der Arbeit vor Ort auf Raffinesse und Überzeugungskraft der Kampagne für die gesetzte Aufgabe. So stehen weniger beispielsweise Länder übergreifende Aktionen in der Diskussion, ebenso können es Passau, Castrop Rauxel oder Norddeutschland sein.

Aber warum sollte man in Cannes einreichen? Awards? Sind die nicht „out“? Macht eure Arbeit, die Zufriedenheit von Mitarbeitern, Kunden und deren Zielgruppen, sind doch Auszeichnung genug …, so oder so ähnlich höre ich es aus vielen Ecken unserer feinen Branche.

Auszeichnung in Cannes ist Orden und Meilenstein

Eine Auszeichnung in Cannes ist mehr als nur ein Orden. Es wirkt in den Mitarbeitermarkt (war of talents), es schafft Bindung mit dem Kunden und stärkt das eigene Selbstbewusstsein der beteiligten Agenturen. Es macht sich auf einer Eigenpräsentation gut, bringt Renommee, aber vor allem ist es in jeder Unternehmens- / Agenturgeschichte ein Meilenstein. Insbesondere deshalb, weil es in den letzten Jahren nur sehr wenige ausgezeichnete Arbeiten aus Deutschland in die Ränge geschafft haben. Jeder weitere Löwe erhöht die Trophäenanzahl in der PR um 50 Prozent; 2016 und 2017 gab es gerade mal zwei Bronzetiere für die deutschen PR-Einreicher.

Die Zeichen, Preise und Platzierungen bei den PR Lions zu gewinnen, stehen für 2018 besser denn je. Da wäre zum einen die strukturelle Änderung der Haupt- und Subkategorien. Wohl einigen Unmut gab es in den vergangenen Jahren, so dass nun Vieles neu strukturiert wurde.

Veränderte Ausschreibungsbedingungen

Für die PR-Einreicher ist relevant, dass es anstelle von 42 in 2017 jetzt 36 Subkategorien gibt. Die Struktur bleibt aber damit immer noch unübersichtlich. Auch die neue Zuordnung der PR zum Metabereich „Reach“ hat kaum Auswirkung auf einen Platzierungserfolg.

Wichtiger ist jedoch, dass die stärksten Kampagnen nicht mehr als sechs Löwen erhalten dürfen. Somit entsteht die Pflicht für die Juroren, andere Cases in die Löwenränge hinein zu argumentieren. In 2017 erweiterte die PR Jury die Gesamtanzahl an Awards für die Kategorie (von 80 auf 100). Es gab also mehr Gewinner und dies wird für 2018 die Menge an Löwen positiv beeinflussen. Somit wird die Quote der Einreichungen zu Shortlist (ca. 10 %) und von der Shortlist bis in die Löwen (42 %) auch in diesem Jahr deutlich besser werden im Vergleich zu 2016. Ergo: Mehr Gewinner bei einer zu erwartenden ähnlichen Anzahl an Einreichungen. Den deutlichsten Effekt dürfte aber die Ansage von Publicis haben, dieses Jahr bei den Einreichungen zu pausieren. Damit fällt ein großer Player weg und schafft Platz für andere Teilnehmer.

Da nun die Struktur verändert ist, gegebenenfalls traditionelle Zurückhaltungen aufgebrochen werden könnten und auch noch Mengenauszeichnungen begrenzt und Publicis raus ist, was ist ab sofort zu beachten?

„Perlentaucher“ unter den Juroren gibt es nicht

Die Einreichung ist nicht günstig und es empfiehlt sich, die Kampagne mindestens drei Mal einzureichen. Der Grund: Es gibt keine „Perlentaucher“ unter den Juroren. Da jeder Casefilm zwei bis zehn Mal gesehen wird, verlieren „seltene Kreationen“ an Durchsetzung, sofern sie nur in einer Kategorie platziert sind. Also, wenn schon eine Einreichung mindestens 525,00 Euro kostet, dann lohnt es sich auch mehr auszugeben, um sie „sichtbarer“ zu machen.

Die größte Kostenposition aber ist der Casefilm. Hier rechnet man mit Kosten zwischen 5.000 und 10.000 Euro. In knappen 2,5 Minuten muss die gesamte Geschichte erzählt, belegt und begeistert vermittelt werden. Nicht gerade eine typische PR-Stärke, aber machbar. Natürlich sind die Compliance-Regeln in Cannes besonders wichtig und – leider oft übersehen – die Zeiträume, in denen die eingereichte Kampagne ihre wesentliche Laufzeit hat. Alles ist aber gut aufbereitet auf der CannesLions Website.

Also, mein Fazit: Traut Euch! Einen der wenigen deutschen Cannes PR-Lions zu erhalten, ist allemal den Aufwand wert.

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