Geschäftsberichterstattung 2016: Anmerkungen von Manfred Piwinger

„Den“ Geschäftsbericht, so wie wir ihn lange Zeit kannten, gibt es nicht mehr. Immer mehr Unternehmen setzen auf digital und halten den gedruckten Bericht so knapp wie möglich. Nachzusehen ist das unter anderem bei Siemens und Allianz. Inzwischen dominieren elektronische Formate die Finanzberichterstattung: wie zum Beispiel interaktive, komplett navigierbare und für mobile Endgeräte optimierte Online-Versionen, HTML-Berichte mit Zusatzfunktionen, PDF-Dateien als Download sowie zum Teil auch als E-Book oder eine Dokumenten-App für abrufbare Berichte.

Ein Fototrend 2016: die Vorstandsriege in voller Lebensgröße und als Gruppe. Im Uhrzeigersinn: Bayer, Lufthansa, Continental und Heidelberg Cement.

Und so fragt sich angesichts dessen der CEO der Deutschen Telekom „ob es sich noch lohnt, Geld in ein gedrucktes Produkt zu stecken“. Bei Infineon heißt es (etwas scheinheilig), man habe den Umfang gegenüber früheren Ausgaben reduziert und komme damit „dem vielfach geäußerten Wunsch unserer Aktionäre“ nach. Als bisher einzige Gesellschaft aus dem Premiumsegment veröffentlichte die Commerzbank im zweiten Jahr hintereinander ihren Geschäftsbericht ausschließlich online (nur als PDF). Vorgeblich aus Gründen des Umweltschutzes. Im Klartext heißt das: Geld sparen, Kosten senken.

Aufgrund der zahlreichen neuen Berichtsformate wird es allerdings immer schwieriger, sich in vernünftiger Zeit einen zutreffenden Überblick über die Geschäftsentwicklung zu verschaffen. Dazu müssen wir als Betrachter hin und her springen und uns Alles ansehen.

Mit Hilfe der Suchfunktion ist das digitale Lesen zwar einfacher geworden. Doch zum ausführlichen Lesen oder Durchblättern ist das Druckformat allemal die bessere Wahl. Insofern ist die Umstellung auf digital oder digital und print für die Nutzer eher zwiespältig zu sehen. Die Umfänge für sich genommen erlauben kein vollständiges Bild von Umfang und Ausmaß der Finanzberichterstattung.

Bezüglich des Umfangs gilt es, die neu etablierten Berichtsformate mit zu erfassen, die neben „dem“ Geschäftsbericht das Bild der Finanzberichterstattung prägen und meist nur online verfügbar sind: umfangreiche Nachhaltigkeitsberichte, beziehungsweise ebenso detaillierte Berichte zur unternehmerischen Verantwortung und in einzelnen Fällen gesonderte Personalberichte.

Die Deutsche Bank hat die umfangreichste Berichterstattung (872 S.) im Premiumsegment; Beiersdorf (92 Seiten zuzüglich Nachhaltigkeitsbericht) die knappste. Dazwischen liegen Welten!

Weitere Beobachtungen

Einen vollumfänglichen Integrierten Bericht legen nur wenige Unternehmen vor. Einige weitere führen Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte zusammen und sind auf einem guten Weg dahin. Zusätzlich haben einzelne Unternehmen komplette Berichtsteile wie zum Beispiel den Konzernanhang auf ihre Website „ausgelagert“.

Nachhaltigkeitsberichte und Berichte zur unternehmerischen Verantwortung sind ein eigener Berichtsstrang. In der Regel werden sie einer unabhängigen Prüfung mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) unterzogen. Sie haben in der Regel eine eigene Redaktion und andere Zuständigkeiten. Und sie haben oft eine eigene Qualität! Die früheren Magazinteile sind hingegen meistens weggefallen; ebenso Illustrationen, Grafiken und Fotografien. Was sich deutlich verbessert hat, sind vergleichende Angaben von Prognose zum Erreichten. Oft findet die Gegenüberstellung in tabellarischer Form statt.

Innerhalb der Berichte werden vielfach QR-Codes aufgenommen. Daneben lassen sich innerhalb der Texte zahlreiche Verweise auf Zugänge über die Website finden. Ein vernünftiges Informationsportfolio bieten hingegen nur ganz wenige Unternehmen an. In den allermeisten Impressen fehlen Angaben zu den getrennt veröffentlichten Nachhaltigkeits- und CR- und Personalberichten. Völlig unerklärlich.

Erläuterungen zur Bilanzlücke (Differenz zwischen Markt- und Buchwert) sind so selten zu finden wie ein Edelweiß in der Wüste. Wie überhaupt die Berichterstattung zu immateriellen Vermögenswerten noch deutlich ausbaufähig ist. Selbst die im Rechnungslegungsstandard DRS 20 geforderten Leistungskennzahlen lassen sich ohne Weiteres finden.

Personalberichterstattung findet zunehmend in den Nachhaltigkeits- und CSR-Berichten statt. Separate Personalberichte veröffentlichen nur wenige Unternehmen.

Sprache: Stilistische Schönheit ist meist nicht erstes Ziel eines Geschäftsberichts. Oft fehlt der „Spirit“. Die Innenperspektive (Rechenschaftsbericht) dominiert. Selbst in den Aktionärsbriefen lässt sich das weithin beobachten.  Die Texte selbst sind häufig besser lektoriert und verständlicher geschrieben.

Vorstandsfotografie: Der Trend, die gesamte Vorstandsriege in voller Lebensgröße abzulichten, setzte sich 2016 fort. Es wird aber noch kräftig experimentiert.

Anders als in anglo-amerikanischen Ländern wird die Titelseite nicht als Informationsplattform oder zur Darstellung wichtiger Informationsinhalte genutzt. Da gibt es noch viel Spielraum für Unternehmen.

Angaben zum Reputationsrisiko lassen sich vor allem bei Kreditinstituten und Versicherungen finden, deren Geschäftsmodell traditionell stark vertrauensbasiert ist. Einige weitere erwähnen das Reputationsrisiko mehr oder weniger beiläufig in anderen Zusammenhängen.

Bei allem ist nicht zu übersehen: Den Typ „klassischer Geschäftsbericht“ (geschlossene Berichterstattung) ist trotz allem nicht ganz verschwunden. Gute und lesenswerte Beispiele sind Munich Re und FMC.

Insgesamt lässt sich die Geschäftsberichterstattung 2016 im Hinblick auf die ab dem Berichtsjahr 2017 gültige EU-CSR-Richtlinie* als ein Jahr des Übergangs charakterisieren. Letztere schreibt unter anderem die Aufnahme einer nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht vor. Einiges wurde mit Blick darauf in der Geschäftsberichterstattung 2016 schon vorweggenommen.

* CSR-Richtlinie

Die neue CSR-Richtlinie (EU-RL 2014/95/EU) verfolgt einen betont gesellschaftspolitischen Ansatz. Gefordert sind vor allem Angaben über Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Korruptionsbekämpfung. Berichtspflichtig sind bestimmte große, insbesondere börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern.

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Personalien

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Agenturen

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Unternehmen

Von wegen Mittelmaß! Deutsche Marken im Siegermodus

Top 10 Grafik mit UnternehmenslogosAlle deutschen Top 10 Marken sind zweistellige Markenmilliardäre und bringen zusammen über 350 Milliarden Markenwert auf die Waage. Das schafft mit weitem Abstand kein anderes Land in Europa. Das geht aus dem aktuellen „Brand Finance Report“ 2024 hervor. Interessant: Die Händlermarken Lidl (9) und Aldi Süd (10) sind nun beide in den Top 10, da Aldi Süd den Vorjahreszehnten adidas überholt hat.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

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Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

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Design Thinking als faszinierende Lektüre

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Kommentare

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Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

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Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

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Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.