Sichtbarkeitswettlauf, Facebook-Debatte, Agenturmoral – PR im Jahr 2018

Die Diskussionen in der Kommunikationsbranche im Jahr 2017 wurden fast allein von Donald Trump geprägt. Fake News, die Qualität und Verantwortung der Medien, Hate Speech, die Rolle der sozialen Netzwerke, Filterblasen, Kommunikation vorbei an den klassischen Medien – überall ließ sich ein Bezug zum US-Präsidenten konstruieren. Dankenswerterweise fanden die Debatten zu Influencer- und Content-Marketing, künstlicher Intelligenz und Nachwuchsrekrutierung anderweitig statt.

Aufmerksamkeit generieren mit starken Bildern (hier die Elphi) – ein Trend auch für 2018. (© Ralph Larmann)

Wie wird das PR-Jahr 2018? Welche Themen werden die Branche bewegen? Das „PR-Journal“ hat Public-Relations-Professor Peter Szyszka von der Hochschule Hannover (HsH), „PR-Doktorin“ Kerstin Hoffmann, A&B-One-Geschäftsführer Rupert Ahrens und Sebastian Ackermann, Geschäftsführender Vizepräsident des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher, dazu befragt.

Szyszka Peter PR Prof HHannoverEine kommunikative Revolution steht nicht bevor. „Trends im eigentlichen Sinne lassen sich strenggenommen nicht beobachten“, meint Peter Szyszka (Foto links) diplomatisch. Eine Entwicklung stellt er heraus: „Wenn man über die Kategorien hinweg schaut, dann lässt sich in den letzten Jahren ein Trend zu starken Bildern und zum Bewegtbild beobachten. Was starke Bilder sind, lässt sich aktuell schön am Beispiel der Elbphilharmonie verdeutlichen: Eben noch finanzpolitisches Streitobjekt ist sie auf dem besten Weg, ein neues Sinnbild für die Hansestadt Hamburg zu werden“, erklärt Szyszka, der Jury-Vorsitzender des Internationalen Deutschen PR-Preises der DPRG ist.

Sichtbarkeit versus Glaubwürdigkeit

Kostenexplosion, 3D-Feuerwerk, Drohnenfilme, spektakuläre Lichtinstallationen, ein Megakonzert plus der nahende G20-Gipfel – so lassen sich über 500 Journalisten nach Hamburg zur Elphi locken und Berichterstattung weltweit generieren. Was aber macht das PR-technische Graubrot? „Es wird immer schwieriger, Sichtbarkeit selbst für sehr relevante Inhalte herzustellen. Erwartungen und Realität klaffen da häufig weit auseinander“, meint die Kommunikationsberaterin und Buchautorin Kerstin Hoffmann.

Niemand will berichten? Für Unternehmen, Institutionen, Verbände und Kommunikationsberatungen herrscht Druck, herausragend kreativ zu sein und aufzufallen, zumal sich 2017 eine weitere Entwicklung zeigte: Wer rücksichtslos und provokant wie Trump und AfD kommuniziert, erhält viel Aufmerksamkeit – selbst in Qualitätsmedien.

Branchenvertreter wie GPRA-Präsidentin Christiane Schulz mögen ihre Kunden warnen, die eigene Reputation durch das Lancieren von Fake News aufs Spiel zu setzen. Den Reiz erkennt sie durchaus.

2017 war trotzdem nicht das Jahr der großen Moral-Debatte. Notwendig scheint sie zu sein. „[…] Anlass zum Grübeln bietet die Frage, wie weit die Branche der Versuchung nachgeben darf, sich als ‚Rent a Goebbels‘ mit Kampagnen für dubioseste Auftraggeber eine goldene Nase zu verdienen“, schreibt zum Beispiel Alexander Güttler, CEO von komm.passion, in seinem aktuellen Agentur-Dossier.

Autokratische Regime schlummern in so manchem Agenturportfolio, der Abgas-Betrug wird zur Schmutzelei verklärt und ein unter Krebsverdacht stehendes Unkrautvernichtungsmittel wird kommunikativ zum Retter der deutschen Landwirtschaft aufgebaut. Moral?

Neudefinition der sozialen Netzwerke

Hoffmann Kerstin PR DoktorinAuf die sozialen Netzwerke als virales Allheilmittel kann PR jedenfalls nur bedingt vertrauen. „Agenturen und Berater müssen ihren Kunden einerseits mehr denn je plausibel machen, dass in der professionellen Social-Media-Kommunikation Reichweite häufig nicht kostenlos zu haben ist, dass aber andererseits auch Inhalte in Paid Media den gleichen hohen Qualitätsansprüchen wie in Owned Media genügen müssen“, erklärt Kerstin Hoffmann (links). „Das ‚Prinzip Hoffnung‘, nach dem man einfach irgendwie Inhalte irgendwo ins Web streuen und auf Conversion hoffen kann, hat jedenfalls endgültig ausgedient.“

Diese Auffassung teilt auch Peter Szyszka: „Der Fokus der Auseinandersetzung muss sich stärker darauf richten, dass all die Twitters, Facebooks & Co. zu allererst Geschäftsmodelle sind, die Nutzen suggerieren, um anbieterseitig Gewinne zu generieren“, meint Szyszka. Wer in den sozialen Netzwerken vorkommen will, muss zahlen. Oder Themen und Inhalte so aufbereiten, dass Medien beziehungsweise reichweitenstarke Multiplikatoren sie verbreiten.

Mitarbeiter als Marken- und Social-Media-Botschafter

Eine „Reuters“-Studie kam 2016 zu dem überraschenden Ergebnis, dass nur sechs Prozent der Deutschen soziale Netzwerke als Hauptnachrichtenquelle nutzen. Hauptsächlich Jüngere seien Network-Freaks. Wie Social Media richtig nutzen?

„Für alle besteht die Herausforderung, zuverlässige Zugänge zu meinungsbildenden Umfeldern zu identifizieren und zu sichern“, betont Szyszka. Potenzial sieht Kerstin Hoffmann darin, dass Mitarbeiter als Markenbotschafter ein Unternehmen oder eine Marke nach Außen präsentieren. „Zum einen deswegen, weil mittlerweile fast Jede(r) ohnehin im Web präsent ist und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Markenvertreter wahrgenommen werden […]. Zum anderen können sichtbare Köpfe aus dem Unternehmen eben für genau jene Glaubwürdigkeit und Reichweite sorgen, die Inhalte in der wachsenden Informationsflut brauchen, um sich durchzusetzen.“ Wie das aussehen könnte, zeigt Daimler. Hier bloggen Mitarbeiter und Marken-Fans. Auch Kommunikationsagenturen mögen online-aktive Mitarbeiter gern.

Ahrens Rupert Jan16 PRSHMit digitaler Kompetenz in der Industrie hapert es weiterhin. „Die Erkenntnis ist nicht wirklich neu, dass viele Firmen in der digitalen Kommunikation hinterherhinken, aber der Abstand wird zunehmend größer“, meint Hoffmann. Sie sieht in Deutschland insbesondere zahlreiche Mittelständler noch gar nicht bei einer Content-Strategie angekommen. Diese braucht es aber, findet Rupert Ahrens (links) von A&B One: „Die Digitalisierung von Wirtschaft und Medien erzeugt auf Kundenseite wie Agenturseite substanzielle Veränderungen. Beispiel. Die klassische Unternehmenskommunikation wird zum digitalen Hub, zum Publishing House, zum internen Newsroom für interne wie externe Kommunikation.“ Er sieht in der Fragmentierung der Öffentlichkeit die größte Schwierigkeit, um relevante Medien und Zielgruppen zu erreichen.

Ackermann Sebastian BdP Vize PraesWas lässt sich noch nach 2018 mitnehmen? „Sich im Tempo und im Nebensächlichen nicht verlieren. Kursbuchs Spur halten“, rät Sebastian Ackermann (links), Geschäftsführender Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Pressesprecher (BdP). Pater Federico Lombardi, ehemaliger Pressesprecher des Vatikans, formuliert es in einem „Zeit“-Interview pathetischer: „Ich habe mich immer bemüht, niemanden zu manipulieren.“ Nicht der schlechteste Ansatz für Kommunikation 2018.

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Personalien

Weingärtner spricht für Spectaris

Christof WeingärtnerChristof Weingärtner ist dem 1. April neuer Pressesprecher und Leiter der Verbandskommunikation beim Deutschen Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik Spectaris in Berlin. In dieser Rolle berichtet Weingärtner an den Geschäftsführer Jörg Mayer. Weingärtner bringt für seine neue Aufgabe vielfältige Erfahrungen mit.

Etats

Targobank vertraut auf newskontor

Marco Cabras und Tanja PlebuchDie Targobank wird sich zukünftig in Kommunikationsfragen von newskontor beraten und unterstützen lassen. Die Bank, die zu den größten Kreditinstituten Deutschlands gehört, hat die in Düsseldorf beheimatete Agentur als neuen Partner an Bord geholt. Das Mandat umfasst neben der Beratung auch Corporate Communications und Contenterstellung. Die Zusammenarbeit hat im 1. Quartal 2024 begonnen.

Agenturen

Durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent

Nach der Veröffentlichung des GWA Frühjahrsmonitor im März wurde nun das Ranking der Inhaber-geführten Agenturen veröffentlicht. Vorgelegt wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Rankingliste „Horizont“, „w&v“, GWA. Sie ermittelte für die Top 50 der Inhaberagenturen ein durchschnittliches Wachstum von 5,7 Prozent für das Jahr 2023, das damit höher ausfällt als die für die GWA-Mitgliedsagenturen ermittelten 3,3 Prozent.

Unternehmen

Noch Zwei deutsche Unternehmen unter den Top 100

Deckblatt des PwC Global Top 100 RankingNach einem schwierigen Jahr 2023 haben die 100 wertvollsten Unternehmen der Welt laut dem jährlichen „Global Top 100“-Ranking von PwC wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von 39,9 Billionen US-Dollar zum 31. März 2024 übertrafen sie ihren bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2022 von 35 Billionen US-Dollar. Deutschland landet im Länderranking auf Platz 13.

Verbände

DPRG und GPRA bündeln Kompetenzen

Ulf Mehner und Alexandra GroßWirtschaft und Gesellschaft stehen vor zahlreichen Transformationsprojekten: Energiewende, Mobilitätswende, Industrie-Umbau. Für den Erfolg sind Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend. Dafür bedarf es transparenter und professioneller Kommunikation auf Basis verbindlicher und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und -standards. Die werden jetzt gemeinsam mit DPRG und GPRA erarbeitet.

Branche

Ketchum führt geschlechtsneutrale Elternzeit ein

Tabea FesserInmitten einer politischen Debatte über die Einführung bezahlter Elternzeit für frischgebackene Väter, die aufgrund von Finanzierungsstreitigkeiten ins Stocken geraten ist, setzt Ketchum ein Signal in Richtung Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz: Die Agentur führt die geschlechtsneutrale, voll bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden ein.

Medien

Kürschner-Verlag wird 75

Zwei BuchcoverDas rot-weiß gestreifte Taschenbuch, in dem alle Bundestagsabgeordneten mit Bild und Biografie vorgestellt werden, hatten viele schon in der Hand. Der Verlag, der dieses Taschenbuch herausgibt, feiert in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Vor 75 Jahren wurde die Neue Darmstädter Verlagsanstalt GmbH durch Adolf Holzapfel in Darmstadt gegründet und nahm am 16. Mai 1949 den Geschäftsbetrieb als Verlag auf.

Das PR-Interview

Klare Kante war wichtig für die Mitarbeiterschaft

Wigan SalazarWigan Salazar ist Gast im Interview des Monats März im PR-JOURNAL-Podcast. Im Gespräch erklärt der CEO von MSL Germany, was das Mandat für das Essener Medienhaus Correctiv beinhaltet und wie es zu einer Dienstanweisung in Sachen AfD kam. Außerdem spricht er über den leichten Umsatzrückgang seiner Agentur, die im vergangenen Jahr dennoch zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Schlaglichtartig haben wir hier einige prägnante Aussagen Salazars herausgestellt.

Rezensionen

Design Thinking als faszinierende Lektüre

Buchcover DesignthinkingZumeist werden an dieser Stelle brandaktuelle Bücher mit Bezug zu Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement, PR vorgestellt. Hin und wieder genehmigt sich der Rezensent aber einen Blick auf erstklassige Fachliteratur, deren Erscheinen schon ein paar Jahre zurück liegt. Anlass dieses Mal ist eine durchaus aktuelle Reihe des angesehenen Wirtschaftsbuch-Verlags Vahlen in München, der in einer eigenen Edition Management-Klassiker neu herausbringt.

Kommentare

Brillante Ideen funkeln in düsteren Zeiten umso heller

Fünf Anmerkungen zu den Eurobest PR Awards 2023

Einen positiven Grundeindruck bei den Eurobest Awards 2023 hinterließ bereits die beeindruckende Zahl von über 160 Einreichungen bei PR – weit mehr als in einigen anderen Kategorien. Die Bedeutung von PR wird demnach mehr denn je als sehr hoch eingeschätzt. Selbst wenn die Beiträge bei Ausrichtung und Qualität extrem divers waren, habe ich als Juror einige Gesamteindrücke aus London mitgenommen:

Studien

Interne Kommunikation: Weniger ist mehr

Eine Umfrage der Hamburger Agentur nwtn bringt es an den Tag, weniger – und seltener – ist in der internen Kommunikation mehr. Die Nachrichtenflut und die vielen Kanäle lösen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Der Wunsch aus der Belegschaft: Lieber nur wöchentlich und dann eine Information, wenn es wirklich etwas Neues gibt. Die Befragung von bonsai Research im Auftrag von nwtn zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der internen Kommunikation zunimmt.

Aus- und Weiterbildung

Neue Website veröffentlicht

Screenshot der neuen dapr-WebsiteDie Deutsche Akademie für Public Relations (dapr) hat ihre neue Website. Sie bietet Userinnen und Usern nach eigenen Angaben fortan mehr Serviceorientierung, ein zeitgemäßes Design und eine stark vereinfachte Nutzerführung, unter anderem durch eine neue Suchfunktion sowie durch die Zusammenführung mit dem ehemals separaten dapr-Shop. Interessenten können nun die individuell passende Qualifizierung schneller finden.

Macht der Bilder

SORA Dich nicht!

Schon wieder droht eine ganze Branche im KI-Schlund zu verschwinden: erst waren es die Texter und Kreativen, jetzt sind es die Filmemacher. In der Tat: Was Open AI mit SORA auf unsere Wirklichkeit losgelassen hat, erscheint auf den ersten Blick atemberaubend. Zweifelsohne ist SORA ein Text-zu-Video-Tool der nächsten Generation. Aber erst die Kombination aus Technologie und der Marktmacht von OpenAI / Microsoft macht SORA zu einem Werkzeug, dass unsere Wirklichkeit beeinflussen wird. Aber schauen wir doch erstmal genauer hin...

Agile Denkpause

Weg mit der Paywall

Kathrin Behrens Ihr kennt es: Ihr stolpert über einen Artikel, klickt ihn an, beginnt zu lesen. Sobald es spannend wird, ist Schluss. Eine Bezahlschranke, angelsächsisch „Paywall“, poppt auf. Von hier aus geht es nur mit einem langfristigen Vertrag weiter, it's Abo-Time: Rund 24,00 Euro kostet dieses digital bei der „Zeit“, 41,00 Euro bei der „FAZ“ und 43,00 Euro bei der „SZ“. Fixkosten, die ich meide. Ich finde Paywalls ätzend und wenig innovativ, sie verderben mir regelmäßig die Laune.

Jobprofile

Was macht eigentlich ein Account Executive bei der Agentur Edelman Germany?

„Als ich bei Edelman eine Ausschreibung sah, die meine beruflichen Leidenschaften – Gesundheit und Kommunikation – vereint, war es wie ein ‚perfect match‘,“ erklärt Stella Henn heute. Bereits seit November 2022 ist sie bei Edelman Germany und beschäftigt sich mit Healthcare-PR und der Umsetzung von Multi-Channel Kommunikations-Strategien und -Kampagnen sowie deren Umsetzung. Nachfolgend stellt sie im Interview ihre Aufgaben und ihren Arbeitgeber vor.

Preise und Awards

Stolze Gewinnerinnen und Gewinner

Von links: Christoph Heshmatpour, Johanna Wittner, Michael Rotschädl und Lukas KalteisDie Erstplatzierten des diesjährigen Franz-Bogner-Wissenschaftspreises für PR stehen fest: Es sind Johanna Wittner, Michael Rotschädl, Christoph Heshmatpour und Lukas Kalteis. Insgesamt wurden 33 wissenschaftliche Arbeiten aus dem Jahr 2023 in vier Kategorien eingereicht. Zehn Arbeiten erhielten bei der Verleihung am 22. April in Wien eine Auszeichnung. Das Preisgeld beträgt insgesamt 8.900,00 Euro.

Whitepaper

Erfolg der Kommunikation stichhaltig nachweisen

In der Unternehmenswelt stehen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oft vor der Herausforderung, ihre Erfolge anhand von Kennzahlen wie Reichweite, Tonalität oder Share of Voice zu messen. Diese Metriken sind in der Kommunikationsbranche gängig und bieten Einblicke in die Wirksamkeit von PR- und Marketingkampagnen. Allerdings entsprechen diese Metriken nicht unbedingt den Anforderungen des Managements, das primär an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Unternehmenswert interessiert ist. Diese Diskrepanz kann zu Missverständnissen führen und die Anerkennung der Kommunikationsarbeit durch das Management beeinträchtigen.