Rezensionen Leseempfehlung: Neues über das Verhältnis von Journalismus und PR
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- von Markus Kiefer, Heiligenhaus
Offensichtlich ist doch noch nicht alles Nötige zum Spannungsverhältnis zwischen Journalismus und PR gesagt. Sonst hätten die beiden an fränkischen Fachhochschulen wirkenden Hochschullehrer Jana Wiske und Markus Kaiser ihre jüngsten Forschungsergebnisse nicht so lesenswert in ihrem neuen Buch „Journalismus und PR. Arbeitsweisen, Spannungsfelder, Chancen“ ausrollen können.
Mit Blick auf die Kombination von Titel, Untertitel und Verlag, wird der potenzielle Leser möglicherweise erst einmal einen weiteren theoretischen Reflexionsbeitrag zum Spannungsverhältnis von PR und Journalismus erwarten. Da dies jedoch vielfach betrachtet und diskutiert ist, würde das eine breitere Leserschaft vermutlich gar nicht anziehen. Tatsächlich ist das hier zu besprechende Buch jedoch ganz anders ausgerichtet. Tatsächlich rollen nämlich zwei an fränkischen Fachhochschulen wirkende Hochschullehrer ihre jüngsten Forschungsergebnisse aus und dafür haben sie in fast allen Aufsätzen des Buches ihre weit verzweigten Netzwerke in relevante Medien, etablierte mittelständische Unternehmen ebenso wie in Großkonzerne und in Richtung maßgeblicher Entscheidungsträger und Funktionseliten eingesetzt.
Autorenduo mit viel Praxiserfahrung
Jana Wiske ist PR-Professorin an der Hochschule Ansbach und war zuvor lange Jahre im Sportjournalismus einschlägig tätig (u.a. "Kicker") und hatte davor bereits Erfahrungen als Marketing-Managerin bei Adidas gesammelt.
Ihr Kollege Markus Kaiser war vor seiner Berufung als Professor für Digitalen Journalismus, Medieninnovationen und Change-Management unter anderem Leiter der Medienstandort-Agentur des Freistaats Bayern. Beide waren und sind in ihren Haupt-Kompetenzfeldern zusätzlich als Berater aktiv.
Doppelter roter Faden
Beide Autoren sorgen für einen doppelten roten Faden im Buch. Die im Mittelpunkt der Beiträge stehenden Themen werden jeweils mit Blick sowohl auf die Akteure im Journalismus als auch auf der Seite der Unternehmenskommunikation betrachtet. Und beide haben, was die Methodik anbelangt, für ihre Forschungen qualitativ gearbeitet. Die ausgebreiteten Ergebnisse beruhen zumeist auf Leitfaden-Interviews, mehrfach auch auf einem Methoden-Mix. Wenn Fragebögen eingesetzt sind, werden die Ergebnisse danach noch in Einzelinterviews mit Praktikern ausgewertet, weiter reflektiert und vertieft. Dieses Vorgehen erweist sich für alle Einzelstudien als sehr fruchtbar.
Hochkaräter kommen zu Wort
Dafür haben beide Autoren sowohl auf Unternehmens- als auch auf Medienseite wirklich Höchstkaräter einbezogen, zum Teil sehr namhafte. Die Wortlaut-Passagen mit den Interviewten nachzulesen, das ist allein schon hoher Erkenntnisgewinn und ein guter Grund in das Buch einzutauchen. Beispiele seien angeführt.
Wiske hat einen wirklich spannenden Forschungsbericht über Journalismus und PR in Südostasien und im Südpazifik verfasst. Der Text öffnet dem Leser zunächst die Augen dafür, dass in dieser Weltregion der affirmative Journalismus herrscht. Journalisten sind Sprachrohre des Staates und der Mächtigen. Und daran finden sie auch gar nichts Schlimmes. Das ist die vorherrschende Realität und auch die Norm. Da ist kein Raum für kritische Ansätze, Hinterfragen, Differenzieren und Relativieren. PR-Verantwortliche müssen sich hierauf einstellen.
Spannende Experteninterviews
Danach reflektiert die Autorin die Ergebnisse in drei Experteninterviews, für die sie unter anderem Normen Odenthal gewonnen hat, Leiter des ZDF-Studios in Singapur mit Abdeckung des gesamten südasiatischen Raums. In einem weiteren Beitrag untersucht sie die Blickwinkel solcher Praktiker, die sowohl als Journalisten als auch als PR-Manager gearbeitet und die „Fronten“ teils mehrfach gewechselt haben. Sehr lesenswert in diesem Kontext vor allem die Aussagen von Bela Anda, früher unter anderem Regierungssprecher von Kanzler Gerhard Schröder und Mitglied der „Bild“-Chefredaktion.
Markus Kaiser hat in seinem Forschungsbericht über die unterschiedlichen Ausgestaltungen von Newsrooms in Journalismus und Unternehmenskommunikation ein längeres Interview mit Newsroom-Pionier Professor Christoph Moss über neueste Trends integriert und in der Präsentation seiner Ergebnisse moderner Social-Media-Kommunikation ein langes Interview mit Patrick Weinhold, Social-Media-Chef der ARD-Tagesschau. Die Berliner Verkehrsbetriebe gelten als Vorreiter einer in der Tonart sehr launigen, zum Teil geradezu frechen, aber beim Publikum gut ankommenden Tonalität. Wie das genau geht, erfährt der Leser in einem erfrischenden Interview mit BVB-Marketingleiter Frank Büch.
Lebendige Lektüre
Diese von Wiske und Kaiser durchgängig durchgehaltene Konzeption ihrer Forschungsberichterstattung gestaltet die Aufnahme der Ergebnisse und die Lektüre des Buches leicht, frisch, flüssig und lebendig. Und anregend dafür, was in das eigene Tun übernommen werden oder zumindest einmal ausprobiert werden könnte. Dies gilt für acht der insgesamt neun Einzelbeiträge.
Ausnahme: Der erste, einleitende Aufsatz von Wiske ist eine theoretische, aus der aktuellen Fachliteratur erarbeitete Hinführung zum Buchthema, wobei sie ein paar inhaltliche Schwerpunkte bei Themen setzt, die Journalisten und PR-Leute eher einen (Nachrichten-Faktoren) oder eher trennen (Autorisierungs-Praxis bei Interviews, zunehmende Ausweitung von Corporate Publishing auf Seiten der Unternehmen bei abnehmenden Aktivitäten gegenüber klassischen Medien).
Erforschung des Themas Pressereisen
Ein weiterer Vorzug des Buches. Es werden Themen behandelt, die zum Teil in den gängigen Handbüchern, Lexika etc. unterrepräsentiert sind oder sogar gar nicht vorkommen. So hat zum Beispiel Jana Wiske das heikle Thema bezahlter Pressereisen erforscht. Dabei nimmt sie der Sache mit guten Argumenten den bei vielen Beobachtern sicher vorhandenen negativen Beigeschmack weg. Denn angesichts der Abschottung von vielen Topsportlern durch ihr Management und der etablierten Praxis vieler populärer Vereine, exklusive Nachrichten und auch O-Töne ihrer Spielerinnen und Spieler zunächst oder vielleicht sogar nur über ihre Websites zu verbreiten, sind bezahlte Pressereisen vielleicht noch das einzige Format für Journalisten, um mit Topleuten in einen direkten Austausch zu kommen.
Interessantes Detail-Ergebnis dieser Einzelstudie. Es sind meist gar nicht die Vereine, die diese Pressereisen initiieren, sondern deren (Haupt-)Sponsoren. Die Corona-Zeit liegt noch gar nicht lange zurück. Umso bemerkenswerter ist es, dass Wiske hier schon sowohl eigene Bewertungen der professionellen Kommunikatoren vorlegen kann als auch Ergebnisse zweier von ihr betreuten Prädikats Master-Thesis. Luisa Müller hat die Politik-Kommunikation betrachtet, Anja Riske die Reisebranche.
Leseempfehlung
Fazit: Sehr beachtenswerte, vielseitige ausgerichtete neue Forschungsergebnisse zu einem traditionellen Kommunikatoren-Spannungsverhältnis, zu dem offensichtlich doch noch nicht alles Nötige gesagt ist.
Titel: Journalismus und PR. Arbeitsweisen, Spannungsfelder, Chancen; Autoren: Jana Wiske und Markus Kaiser; Verlag: Herbert von Halem, Köln 2023; Umfang: 247 Seiten; Preis: 27,00 Euro; ISBN 978369625010
Über den Autor der Rezension: Professor Dr. Markus Kiefer (65) war von 2010 bis Ende des Sommersemesters 2022 hauptberuflich an der FOM – Hochschule tätig, als Professor für Allgemeine BWL, mit dem Schwerunkt Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Seit dem Wintersemester 2022 nimmt er an der FOM und im Wechsel an weiteren Hochschulen Lehraufträge mit Schwerpunkt PR und Unternehmenskommunikation wahr.
Hoffnungsbuch von Professor Kiefer
Zusätzlich an dieser Stelle noch der Hinweis, dass Professor Kiefer gemeinsam mit Norbert Hüsson Anfang Dezember 2023 selbst ein Buch herausgegeben hat. Aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Kinder- und Jugendhospizes Regenbogenlands in Düsseldorf ist das „Hoffnungsbuch“: „Alles, was bleibt, ist Licht“ erschienen. Es enthält zahlreiche Beiträge von Freunden und Förderern der Kinder- und Jugendhospizarbeit. Erhältlich ist es im Online-Shop des Herder-Verlags. Ein ausführlicher Lesehinweis zu diesem Buch findet sich hier im PR-JOURNAL.
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