Das neu im C.H. Beck Verlag erschienene Buch „Krisenkommunikation bei Compliance-Verstößen“ – einer der Autoren ist mein Geschäftsführerkollege bei Guttmann Communications, Micha Guttmann – behandelt die kommunikativen Folgen von Regelverstößen bei Unternehmen oder Einzelpersonen. Ob groß oder klein, Regelverstöße können sich schnell zu einer Krise auswachsen. Immer wieder beobachtet man dann, dass nicht ausreichend oder nur schlecht kommuniziert wird. Das liegt zum einen daran, dass die Krise oftmals nicht als solche erkannt wird, aber auch daran, dass die Dynamik anfangs völlig unterschätzt wird. Manchmal liegt es aber auch daran, dass die Zeit fehlt, die Vorfälle zu analysieren und sie aufzuklären, etwa weil bereits eine Anfrage der Presse vorliegt und nur eine kurze Frist zur Beantwortung gegeben ist. Das Buch gibt hierzu den erprobten Tipp: Ruhe bewahren, nicht treiben lassen, Fehler, wenn es sie gab, unbedingt eingestehen und ernsthaft Aufklärung ankündigen.

In der Praxis ist gerade das aber leider nicht oft der Fall. Manche Verantwortliche gehen davon aus, dass die Krise verschwindet, wenn man nicht über sie redet und sie nicht aufklärt. Leider falsch. Oft bewirkt Wegducken das Gegenteil. Investigative Journalisten, unzufriedene Mitarbeiter, aber auch öffentlichkeitswirksame Durchsuchungen oder behördliche Verfahren machen eine ursprünglich vielleicht zu klärende Angelegenheit schnell zur unlösbaren Katastrophe. Vom Rutsch in die Bedeutungslosigkeit bis zu Rücktritten oder sogar Firmenpleiten kann dann alles passieren. Das Buch erläutert, klärt auf, appelliert und bietet auch gleich Checklisten für den Hausgebrauch. Ähnlich wie in einem juristischen Lehrbuch findet man den fiktiven Fall „Giftige Zahnpasta“, anhand dessen beschrieben und analysiert wird, was eine Krise ist und wie sie sich entwickeln kann. Lohnt sich zu lesen, denn die Dynamik ist ungemein zutreffend beschrieben und für jeden, der in der Öffentlichkeit steht oder als Pressesprecher arbeitet, erschreckend. Wer jedoch Ähnliches erlebt hat, wird bei der Schilderung des Falls zustimmend nicken.

Missstände selbst dort, wo man sie überhaupt nicht vermutet

Ein Großteil der Unternehmen hat heutzutage Compliance Management Systeme, hält sich an auferlegte Verhaltensregeln, klärt Missstände auf. Im besten Fall wird eine Compliance-Kultur gefestigt und gelebt. Dennoch kommt es immer wieder zu Vorfällen, die die Öffentlichkeit in Atem halten. Nebenbei bemerkt nicht nur bei Unternehmen, auch in NGOs, die doch über jeden Zweifel erhaben sein sollten, scheinen Unregelmäßigkeiten gar nicht selten zu sein. So titelte die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ im Juni 2020 „Die dunklen Seiten der Korruptionsjagd“ und deckte undurchsichtige Vorfälle und dysfunktionale Strukturen bei der weltweiten Organisation Transparency International auf. Auch andere NGOs stehen immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit, oder, um es mit den Worten des „Schweizer Tagesanzeigers“ zu sagen: „Hilfsorganisationen sind nicht einfach die Guten“. Greenpeace, WWF, Oxfam, aber auch Amnesty International, alle diese standen bereits von Skandalen geschüttelt vor einigen Scherben.

Welche Lehren können Geschäftsführer, Kommunikationsverantwortliche oder Pressesprecher daraus ziehen? Vielleicht zuallererst diese, dass nicht die Krise selbst das Hauptproblem ist, sondern der Umgang mit ihr. Ziel der Krisenkommunikation ist es, Schaden abzuwenden und die Öffentlichkeit von einer anderen Sichtweise zu überzeugen. Keine Reaktion auf kritische Medienanfragen ist daher keine dauerhafte Option. Die Aussage „zu laufenden Verfahren sagen wir nichts“ mag zwar kurzfristig helfen. Langfristig schafft das jedoch kein Vertrauen. Genau das ist es aber, was ein in die Schlagzeilen geratenes Unternehmen wieder aufbauen muss. Die erste öffentliche Botschaft in einer Krise muss daher lauten: Wir haben das Problem erkannt, wir kümmern uns und klären auf, helfen ab. Empathie mit möglichen Betroffenen und Souveränität der Handelnden sind dabei enorm wichtig.

Was sich hier jetzt so einfach liest, ist, wie schon geschildert, in der Praxis alles andere als gängig. Die letzten Beispiele von Unternehmen und Hilfsorganisationen, die in ungeklärten Vorgängen beschwichtigend, abwiegelnd und nur scheibchenweise kommunizieren, sind Wirecard oder die altehrwürdige Arbeiterwohlfahrt (AWO). Hier würde die Öffentlichkeit eine offene und ehrliche Herangehensweise sicherlich deutlich mehr bevorzugen.

Krisenkom bei Compliance Verstoessen CoverDie Schnelllebigkeit unserer Zeit bewirkt jedoch auch, dass vieles schnell wieder in vermeintliche Vergessenheit gerät. Wer weiß gerade noch, was genau es mit den Vorfällen bei Apple vor drei Jahren auf sich hatte („Batterie-Gate“) und wer sorgt sich noch um den Facebook-Skandal von vor zwei Jahren, bei dem sich herausstellte, dass eine Firma namens Global Science Research im Jahr 2013 Daten von Millionen von Nutzern ohne deren Einwilligung gesammelt hatte? Darauf hoffen, dass das alles wieder verschwindet, ist dennoch falsch: Das Internet vergisst nie, Wikipedia-Einträge bleiben, Unternehmen kämpfen langanhaltend mit ihrem Reputationsverlust, auf Spenden angewiesene NGOs und Hilfsorganisationen müssen finanzielle Einbrüche hinnehmen und mühsam wieder Vertrauen aufbauen. Wieviel einfacher wäre es doch, von Anfang an offen und ehrlich zu kommunizieren. Menschen machen Fehler – stehen sie dazu, verzeiht das die Öffentlichkeit meistens. Stehen sie nicht dazu, vertuschen und verharmlosen sie, bleibt der negative Eindruck für immer.

Über die Autorin: Barbara Helten ist Kommunikationsberaterin und Rechtsanwältin. Sie hat in unterschiedlichen Führungspositionen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft umfangreiche Erfahrung in der Beratung in anspruchsvollen Kommunikationslagen und der Öffentlichkeitsarbeit erworben. Seit einigen Monaten ist sie Geschäftsführerin bei Guttmann Communications und arbeitet dort mit einem Team aus Rechtsanwälten, Journalisten und PR-Experten im Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit und Recht.

Angaben zum Buch

Titel: Krisenkommunikation bei Compliance-Verstößen; Autoren: Joachim Jahn, Micha Guttmann und Jürgen Krais; Verlag C. H. Beck oHG, München 2020; Umfang: 133 Seiten, Softcover; Preis: 49,00 Euro; ISBN 978-3-406-70379-9


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