Quantum Wahrheit Postfaktischer Populismus als Herausforderung Maylaender CoverAllerspätestens mit der Amtsübernahme von Donald J. Trump als US-Präsident läuft nicht nur jenseits des Ozeans, sondern auch diesseits eine heftige gesellschaftliche Debatte über „Fake-News“. Da nimmt man ein Buch erwartungsfroh, ja mit Hoffnung auf Klärung in die Hand, wenn sich ein renommierter Hochschullehrer der Analyse des Phänomens annimmt.

Thomas Breyer-Mayländer ist zweifellos ein Hochschullehrer mit gutem Ruf. Er ist Professor an der (Fach-) Hochschule Offenburg, dort mit dem Schwerpunkt Medienmanagement tätig. Praktische und hochkarätige Erfahrungen sammelte er zuvor unter anderem beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Wenn ein solcher Mann, der Verfasser zahlreicher akademischer Publikationen ist, sich eines so sensiblen Themas annimmt, dann erwartet der Leser natürlich einiges, vermutlich vor allem wissenschaftlich fundierte Analysen.

Vorweg, diese Erwartungshaltung löst das Buch nur zum Teil ein. Kommen wir zuerst zum Erfreulichen. Breyer-Mayländer hat eine echte Fleißarbeit in der Durchdringung aktueller Diskussionen gekonnt mit der Konfrontation durch wissenschaftlich etablierte Modelle verbunden. Immer wieder wendet er wissenschaftliche Kategorien an um aufzuzeigen, warum bestimmte politische Positionen und Kontroversen um Fakten verkürzt oder gar ganz unter Ausblendung von Fakten laufen. Dies ist immer genau belegt, wofür ein Apparat von 489 Fußnoten steht.

Breyer-Mayländer analysiert spannend prominente Kontroversen der vergangenen Jahre beispielsweise zu TTIP, zu Stuttgart 21, zum Klimaschutz, zur Energiewende nach Fukushima, zur Sterbehilfe-Debatte im Bundestag, zur Asyldebatte, Maut-Debatte, verschiedene Vorstöße und Ausbrüche des US-Präsidenten und vieles mehr. Die Phänomene von Falschnachrichten, Lügen, Propaganda und Populismus werden interessant aufgearbeitet und mit etablierten, wissenschaftlichen Fach-Kategorien wie „Frames“, „Agenda Setting“, „Meinungsführerschaft“ und vielen anderen Begrifflichkeiten wissenschaftlichen Psychologie konfrontiert. Allerdings: der zentrale Begriff des „Postfaktischen“ hätte vielleicht doch noch griffiger definiert werden können, bevor er durchgängig verwendet wird.

Aber es gibt auch ein Ärgernis in dieser Publikation. Schaut man auf das politische Spektrum derer, die für ihren Umgang mit Fakten scharf, zum Teil auch polemisch kritisiert werden, dann summiert sich der Eindruck, der Autor schaut nur nach rechts: Trump, AfD, Pegida. In Nebensätzen bekommen der damalige österreichische Außenminister und heutige Bundeskanzler Sebastian Kurz und Karl-Theodor zu Guttenberg ihr Fett weg. Und die Genannten werden fast in einem Atemzug mit Fake-News-Protagonisten wie Erdogan und Putin erwähnt. Ist der Autor auf dem linken Auge blind? Kritische Beispiele aus diesem politischen Spektrum muss man in dem Buch mit der Lupe suchen. Großmeister des vereinfachenden Populismus wie Gabriel, Lafontaine? Kommen gar nicht vor. Hängt es mit der eigenen politischen Position des Autors zusammen? Im Lebenslauf am Buchende wird seine Tätigkeit als Kommunalpolitiker ausdrücklich erwähnt, auch in der Einleitung. Aber: für welche Partei? Warum wird das nicht transparent gemacht?

Etwas blass bleibt die Ausweg-Strategie. Natürlich, das Bestehen auf wissenschaftlichem Expertentum ist der eine Weg (Kapitel 8). Und der in Zukunft noch stärker auf Eigenrecherche und sicheren Faktencheck setzende Qualitäts-Journalismus ist der andere (Kapitel 15).

Allerdings: Die kritischen Anfragen an die Medien kommen ja in Deutschland nicht nur von AfD und Pegida, in den USA nicht nur von radikalen Trump-Anhängern. Der Vertrauensverlust in die Medien und in die Leistungen des Journalismus in ganz konkreten politischen Debatten ist ja durch viele Studien (u.a. Edelman Trust-Barometer, die Studien zur Wirtschaftskommunikation von Claudia Mast in Verbindung mit Ing-Diba) belegt.

Es muss massive Gründe für die zunehmende Abwendung breiter Kreise von klassischen Medien geben. Verstehen die Menschen die journalistischen Nachrichten-Auswahl-Kriterien nicht mehr (Nachrichten-Faktoren, Nachrichten-Werte)? Oder glauben sie den Medien einfach nicht mehr, dass sie diese korrekt umsetzen und deswegen ökonomische, gesellschaftliche, politische Positionen nicht mehr breit oder nicht tief genug abdecken?

Bei allem Respekt vor der umfassenden Analyse-Leistung Breyer-Mayländers: Diesen Zweifeln, die es ja nicht nur am rechten Rand, sondern gesellschaftlich sogar mehrheitlich (!) gibt, geht der Autor einfach nicht tief genug nach.

Wer aber eine wissenschaftlich fundierte, zugleich deftige Auseinandersetzung mit der politischen Rechten und eine engagierte Verteidigungsschrift der liberalen, diskursiv-rationalen Demokratie sucht, der wird hier in reichem Maß fündig. 

Titel: Ein Quantum Wahrheit. Postfaktischer Populismus als Herausforderung für unsere repräsentative Demokratie; Autor: Thomas Breyer-Mayländer; Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt 2017, Umfang: 318 Seiten; Preis: 25,90 Euro; ISBN 9783746034072

Kiefer Markus Prof FOM kleinÜber den Autor der Rezension: Markus Kiefer (59, Foto) ist Professor an der FOM - Hochschule für Oekonomie und Management. Dort lehrt er BWL, mit dem Schwerpunkt der Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Darüber hinaus arbeitet er in Seminaren, Vortragsveranstaltungen und Workshops für Weiterbildungs-Akademien der Wirtschaft. Er berät Unternehmen in Fragen der Kommunikationsstrategie, der PR, Mitarbeiterkommunikation, Social Media und Krisenkommunikation.
Im Recito Verlag, Essen, ist gerade sein neues Buch „Unternehmenskommunikation - Erfolgreiche Kommunikationskonzepte aus Wissenschaft und Praxis“ erschienen. Markus Kiefer richtet sich darin an Praktiker, die über den Tellerrand hinaus denken. Ein Buch für Kommunikatoren der Zukunft.


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