Markus Franz

Am 17. April berichtete das „PR-Journal“ darüber, dass der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR), das Selbstkontrollorgan der PR-Branche, gegenüber Wikipedia in Deutschland eine Rüge ausspricht. Im Kern geht es darum, dass trotz einer Mahnung durch den DRPR im vergangenen Jahr bei Wikipedia keine Änderung der Richtlinien zur Kennzeichnung bezahlter Autorentätigkeit bei deutschen Wikipedia-Einträgen vorgenommen worden ist. Der DRPR bemängelt unzureichende Transparenz und Absenderkennzeichnung bei deutschsprachigen Wikipedia-Einträgen. Als Reaktion darauf hat sich Markus Franz zu Wort gemeldet. Er ist Geschäftsführer der Berliner PR-Agentur Sucomo. Diese unterstützt ihre Kunden unter anderem bei der regelkonformen Wikipedia-Kommunikation. Dazu gehören bekannte Mittelständler ebenso wie internationale Großkonzerne. 2016 hat er im „PR-Journal“ eine Serie über Öffentlichkeitsarbeit in Wikipedia veröffentlicht. Nachfolgend haben wir seinen Leserbrief veröffentlicht.

Leserbrief von Markus Franz vom 20. April 2020:

„Die jüngste Entscheidung des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR) wirft Fragen auf. Zunächst ist unklar, wen oder was der Rat mit ‚Wikipedia Deutschland‘ meint. In erster Linie wurde Kontakt zur Wikimedia-Stiftung und Wikimedia-Funktionären gesucht. Diese stellen den Betrieb von Wikipedia sicher, nehmen aber keinen Einfluss auf die Inhalte der Online-Enzyklopädie (hosting provider). Das gilt sowohl für die gemeinnützige Wikimedia Foundation aus San Francisco, der die Marke ‚Wikipedia‘ gehört, als auch den – rechtlich völlig unabhängigen und ebenfalls gemeinnützigen – Förderverein Wikimedia Deutschland mit Sitz in Berlin.

Die betroffene deutschsprachige Wikipedia-Community aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde vom Beschwerdeausschuss Unternehmen und Markt I nicht angehört. Der ausführlichen Begründung des Ratsspruchs ist zu entnehmen, dass sich der Kontakt im Wesentlichen auf einen einzelnen Wikipedia-Administrator beschränkte. Von verschiedenen Seiten wurde dem Rat empfohlen, sein Anliegen mit einem repräsentativen Kreis der Wikipedia-Community zu besprechen. Diese Notwendigkeit hat man wissentlich ignoriert.

Sicher lässt sich trefflich darüber streiten, ob die Absenderkennzeichnung auf Benutzerseiten (user pages) oder Diskussionsseiten (talk pages) adäquat ist. Mindestens die Zusammenfassungszeile (edit summary) befindet sich aber in unmittelbarer Nähe zum Inhalt, wie in den einschlägigen Kodizes gefordert. Der Inhalt der Zusammenfassungszeile wird in die Versionsgeschichte eines Artikels übernommen. Dadurch geht Wikipedia sogar über andere Online-Plattformen hinaus: Der Hinweis zur Absenderkennung ist für immer und ewig mit dem Inhalt eines Wikipedia-Artikels verbunden – und kann nachträglich nicht mehr geändert werden.

In Schulen und Universitäten wird seit Jahren vermittelt, dass die Versionsgeschichte eines Wikipedia-Artikels untrennbar zu dessen Inhalt gehört. Der DRPR beschäftigt sich hier also vielmehr mit der Frage der Medienkompetenz des Wikipedia-Lesers, als der PR-Kompetenz eines Wikipedia-Autors. Die deutschsprachige Community prüft Inhalte bezahlter Autoren durch das Sichtungsverfahren „ex ante“ besonders genau. Unternehmen und andere Organisationen werden konsequent gesperrt, wenn geschäftliche Handlungen im Vordergrund stehen statt unabhängiger Information zur Meinungsbildung. Das gilt selbst dann, wenn sie eine Absenderkennzeichnung sowohl auf Benutzer- und Diskussionsseiten als auch in der Zusammenfassungszeile vorgenommen haben.“

Markus Franz
Geschäftsführer der PR-Agentur Sucomo


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