Kommentare Präsenz Zu laut, zu sicher, zu vertraulich

Zwei Konferenztage liegen hinter mir. Ich sitze in der S-Bahn – müde, voller Eindrücke, ein bisschen erschöpft. Wie das eben ist nach vielen Gesprächen und vielen Impulsen. Neben mir, eine Gruppe von Teilnehmenden. Man kennt sich, scherzt, lacht, isst Süßes aus dem Goodie Bag, kommentiert noch schnell den zweiten Tag: „Hätte man sich auch sparen können, Hauptsache Frozen Joghurt.“ Man sei ja ohnehin nur wegen des Buffets geblieben.

Die S-Bahn ist nicht der beste Ort, um Internes zu besprechen. (Foto: Konrad Hofmann / Unsplash)

Ich höre das beiläufig, nehme es nicht wichtig. Aber dann bleibt mein Ohr dran. Denn das Gespräch wird nicht leiser, sondern lauter. Und konkreter.

Da fallen Namen. Von Kund:innen. Von Kolleg:innen. Projekte werden angesprochen, zum Teil mit Details, die ich als Außenstehende nicht hören sollte. Und eigentlich auch nicht hören will. Welche Anforderungen „völlig überzogen“ seien, welcher Lead vielversprechend ist, wer im Team was falsch eingeschätzt habe. Interna, laut ausgesprochen, als wäre man unter sich. Es folgen abfällige Bemerkungen über den Geschäftsführer eines Unternehmens, das auf der Konferenz Präsenz gezeigt hat. Auch hier mit Namen. „Der war doch auf Zuckerflash“, sagt jemand, halb im Spaß, halb im Ernst. Die Gruppe lacht.

Und ich sitze da und frage mich, wie das sein kann. Wie es sein kann, dass professionelle Kommunikator:innen sich im öffentlichen Raum, auf engem Raum so sicher fühlen, dass sie vergessen, wo sie sind. Oder es ihnen schlicht egal ist.

Es geht nicht nur darum, dass das unbedacht wirkt. Es ist mehr als ein kleines Missverständnis von Raum und Rolle. Was dort gesprochen wird, gehört nicht in eine vollbesetzte S-Bahn. Punkt. Wer Informationen teilt, die einem Unternehmen, einer Agentur, einem Projekt oder einer Führungsperson zugeordnet werden können, im öffentlichen Raum, unter Nennung von Namen und Kontext, handelt fahrlässig. Mindestens.

Vielleicht ist es genau das: Man fährt nach Hause. Man lässt los. Die professionelle Haltung fällt mit dem Namensschild. Die Gedanken werden privat, obwohl man es nicht ist. Und mit ihnen die Gespräche.

Mich lässt diese Fahrt in der S-Bahn nicht los. Nicht, weil ich mich moralisch über andere erheben will. Sondern weil ich glaube, dass diese Szene exemplarisch steht für ein größeres Thema: das fehlende Bewusstsein für Räume. Für Wirkung. Für Zuhörende, die nicht gemeint sind, und gerade deshalb zuhören.

Gerade wir Kommunikator:innen sollten wissen: Vertrauen entsteht nicht nur auf der Bühne. Sondern vor allem davor, daneben, dazwischen. In den kleinen Situationen, in denen niemand kontrolliert, ob wir achtsam sprechen, und trotzdem erwartet, dass wir es tun.

Wer professionell kommuniziert, trägt Verantwortung. Auch auf der Heimfahrt.

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