Kommentare Stille Was ist noch echt?
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- von Annett Bergk, Hamburg
Diese Woche ist voll. Die nächste wird es noch mehr. Und trotzdem hat etwas alles überlagert: Der Tod eines Menschen. Kein PR-Profi, kein Branchenname. Einfach ein Mensch. Ein Verlust, der mich rausgerissen hat aus dem Gewohnten. Aus dem schnellen Rhythmus, den durchgetakteten Tagen, dem ständigen Senden, Sortieren, Reagieren. Für einen Moment war da nur Leere. Und eine ungewohnte Stille. Kein Kalender, kein Kanal, kein Next-Big-Thing-Pitch.

Ich schreibe das nicht, um Privates öffentlich zu machen. Sondern weil mich diese Stille mehr über unsere Branche hat nachdenken lassen als viele Panels oder Positionspapiere. Weil sie etwas aufgedeckt hat: Wie sehr wir uns daran gewöhnt haben, ständig sichtbar sein zu müssen. Und wie selten wir uns erlauben, einfach zu sein.
Wir arbeiten in einem Feld, das vom Reden lebt, aber kaum Raum lässt fürs Innehalten. Kommunikation wird optimiert, geplant, algorithmisch ausgespielt. Wir beraten zu Haltung und Sinn, und pressen doch oft alles in den nächsten Social-Media-Funnel. Auch Empathie wird durchformatiert: als Tonalität, als Markenwert, als KPI.
Wann haben wir zuletzt gefragt, was davon wirklich noch echt ist?
Vielleicht liegt darin das Problem. Nicht in den Tools oder der Technologie. Sondern in der Haltung, mit der wir uns selbst begegnen. In der Branche und als Menschen darin. Wir sprechen über Purpose, aber leben wir ihn auch in unserer täglichen Arbeit? Wir fordern Authentizität, aber schaffen wir Räume, in denen echte Verletzlichkeit Platz hat? Jenseits von gut erzählten Gründungsmythen oder stylischen Burnout-Posts?
Ich will hier gar keine Anti-Digital-Romantik aufmachen. Ich glaube an die Kraft strategischer Kommunikation. Ich sehe die Verantwortung, die wir als Kommunikator:innen tragen – für Unternehmen, für Diskurse, für die Gesellschaft. Aber vielleicht tragen wir sie gerade etwas zu laut. Vielleicht wäre es an der Zeit, Kommunikation nicht nur als Botschaft, sondern wieder mehr als Beziehung zu denken.
Das beginnt mit Zuhören. Mit der Bereitschaft, Pausen nicht sofort mit Content zu füllen. Mit der Anerkennung, dass echte Verbindung nicht im Feed entsteht, sondern im Gespräch. Und dass nicht jeder Moment gleich in Sichtbarkeit übersetzt werden muss, um wertvoll zu sein.
Die Stille dieser Woche war nicht angenehm. Aber sie war ehrlich. Und sie war eine Erinnerung daran, dass wir Menschen sind, bevor wir Kommunikator:innen sind. Dass Kommunikation mehr ist als Reichweite. Und dass unsere Branche mehr Tiefe vertragen könnte.
Vielleicht nicht jeden Tag. Aber heute.
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